Darum gehts
Die Anspannung bei den Schweizer Exportfirmen wächst: Bei einem Zollsatz von 31 Prozent für Exporte in die USA würde ein Viertel der Swissmem-Firmen ihr US-Geschäft verlieren, wie eine Umfrage beim Branchenverband der Tech-Industrie Swissmem ergab. Können Schweizer Exportunternehmen auf die USA als Absatzmarkt verzichten, falls US-Präsident Donald Trump (79) den Zollhammer auf die Schweiz niedersausen lässt?
«Müsste man für die Hälfte der US-Exporte neue Absatzmärkte finden, wäre das eine Herkulesaufgabe», sagt Jean-Philippe Kohl (59), Vizedirektor von Swissmem. Die Schweizer Tech-Industrie exportierte im letzten Jahr Produkte für 68 Milliarden Franken ins Ausland, davon gingen Güter im Wert von 10 Milliarden in die USA. «Für die Firmen wäre das schlicht ein Volumenproblem. 5 Milliarden entspricht den heutigen Exporten nach China, die Unternehmen müssten diese also beispielsweise verdoppeln. Das ist enorm und bräuchte Zeit. Zudem wäre es gar nicht sicher, ob das überhaupt erreichbar ist», führt er aus.
PB Swiss Tools würde US-Investitionen zurückfahren
Ein abrupter Rückzug aus den USA wäre für viele Exporteure fatal. Auch für PB Swiss Tools ist der US-Markt wegen seiner Grösse wichtig, bestätigt Verwaltungsratspräsidentin Eva Jaisli (66). «Wir können nicht auf das US-Geschäft verzichten. Bei hohen Zöllen müssten wir aber nach neuem Absatzpotenzial in Europa suchen», sagt sie.
Das Industrieunternehmen stellt in Wasen im Emmental Werkzeuge für Industrie und Handwerk sowie medizinische Instrumente in hoher Qualität her, die in 85 Länder verkauft werden. Dabei analysiere man laufend das Potenzial von Zielmärkten, in denen man bereits aktiv ist oder die man neu erschliessen könnte.
Eine Tochtergesellschaft von PB Swiss Tools kümmert sich in den USA um die Vermarktung und den Verkauf. «Wären die Zölle dort so hoch, dass unsere Wettbewerbsfähigkeit massgeblich leidet, müssten wir das US-Geschäft einschränken.» Eine mögliche Folge: weniger bis gar keine Investitionen mehr im US-Markt. «Mit diesem Geld würden wir unsere Marktabklärungen in anderen Ländern intensivieren», so Jaisli.
Schweiz stünde vor einer Herkulesaufgabe
Doch die Erschliessung neuer Märkte benötigt Zeit. Innerhalb von wenigen Jahren sei das äusserst schwierig, so Kohl. «In 10 bis 20 Jahren kann die Exportlandschaft hingegen völlig anders aussehen als heute.» Dafür braucht es einerseits Freihandelsabkommen, wie sie die Schweiz jüngst mit Indien, Malaysia oder den Mercosur-Staaten (Südamerika) abgeschlossen hat. «Aber die Unternehmen müssen diese Märkte erst erschliessen, Logistiknetzwerke aufbauen, Vertriebskanäle öffnen», so Kohl. Auch das benötige Zeit.
«Die Bedeutung der USA für den globalen Handel wird überschätzt», sagt dagegen Richard Baldwin (67), Professor für internationale Wirtschaft an der Business School for Management in Lausanne. Je nach Berechnung liegt der US-Anteil am Welthandel zwischen 10 und 15 Prozent. «Damit sind die USA nicht ganz so dominant, wie man meinen könnte. Führen sie hohe Zölle ein, geht ein Teil der Waren in andere Märkte», so Baldwin.
Die Schwellenländer würden grosse Wachstumschancen bieten. «Die Erschliessung kostet Zeit und Geld, und die Märkte sind vielleicht nicht gleich profitabel wie die USA, aber ich bin überzeugt, dass vielen Schweizer Unternehmen eine solche Anpassung gelingen würde», so der Wirtschaftsprofessor.
Druck für neue Abkommen steigt
Als Reaktion auf die US-Zölle nimmt der Druck auf die Regierung in anderen Ländern zu, ihre Handelsbarrieren abzubauen. Baldwin geht zudem davon aus, dass ein Teil der US-Exporte umgelenkt wird. «Einige Produkte werden dann einfach nach Kanada oder Mexiko geliefert. Dort sind zwar ebenfalls hohe Zölle in Kraft. Aber es gibt so viele Ausnahmen, dass fast 90 Prozent der Güter zollfrei über die Grenze gehen.»
Doch hohe Zölle würden auch den Trump-Wählern erheblich schaden. Deshalb darf man weiterhin hoffen, dass sich Schweizer Exporteure nicht ernsthaft mit einem Welthandel ohne US-Geschäft beschäftigen müssen.