Darum gehts
- EU im Handelskonflikt mit USA: Deal gibt der EU eine Verschnaufpause
- Wie die EU an Stärke gewinnen kann
- Militärische Abhängigkeit von USA macht EU in Verhandlungen erpressbar
Donald Trump (79) ist im Zolldeal mit der Europäischen Union der grosse Sieger. Der US-Präsident hat die EU mit seinen Zolldrohungen in die Knie gezwungen. Diese ist zu abhängig von den USA, besonders militärisch, und konnte nicht mit der nötigen Stärke an den Verhandlungstisch treten. Folglich musste die EU die Kröte in Form eines Zollsatzes von 15 Prozent auf Exporte in die USA schlucken.
Ist die EU also der grosse Verlierer? «Nicht unbedingt – es hängt alles davon ab, welche Lehren die Staats- und Regierungschefs des Kontinents daraus ziehen», sagt David Bach (50), Professor für Strategie und politische Ökonomie am renommierten Internationalen Institut für Managemententwicklung (IMD) in Lausanne. «Europa könnte als grosser Gewinner der Trump-Ära hervorgehen», betont er.
Was die EU jetzt tun muss
Europa erhält durch den Deal im Handelskonflikt mit den USA eine Verschnaufpause. Geht es nach Bach, muss die Europäische Union die nun gewonnene Zeit unbedingt nutzen und wichtige Reformen vorantreiben. Sei es für den Abbau von Bürokratie und die Beschleunigung der Energiewende, mit der man die Abhängigkeit von anderen Regionen reduzieren kann.
Auch die dringend benötigten Investitionen in die Verteidigung sind hierfür zentral. Die militärische Abhängigkeit von den USA hat die EU im Handelskonflikt erpressbar gemacht – genauso wie der Ukrainekrieg, in dem man auf US-Waffenlieferungen angewiesen ist. Ein starkes Europa müsste sich am Verhandlungstisch künftig nicht mehr alles gefallen lassen.
Politische Unterstützung für Umbau der EU nötig
Auch beim Zugang zum Kapitalmarkt muss die EU Nägel mit Köpfen machen, so Bach. Denn Firmen können sich besser entwickeln, wenn ihnen verschiedene, einfach zugängliche Finanzierungsquellen offen stehen. Zudem muss die EU so attraktiv wie möglich für ausländische Investitionen sein.
Der aktuelle Handelsdeal könnte der Startschuss für diese Reformen sein, ist Bach überzeugt. Der Deal kann das nötige Wachstum bringen, «mit dem die Investitionen in die Verteidigung finanziert werden und das die politische Unterstützung für die Reformen generiert», wie er sagt.
Schlechter Deal als Wachstumsmotor?
Das mag überraschen: Denn die Exporteure in der EU müssen bis auf weiteres mit einem Zollsatz von 15 Prozent auskommen. Das schwächt ihre Wettbewerbsfähigkeit gegenüber US-Firmen. Es schafft gleichzeitig aber auch eine gewisse Sicherheit im Handel mit den USA. Bach sieht im Deal für die EU deshalb mehrere Vorteile, welche die Basis für die Reformen schaffen können. Die vereinbarten Flüssiggasimporte aus den USA können die Energiemärkte in Europa stabilisieren und die Kosten für die Industrie senken. Zudem kann Trump den Handelskonflikt nicht mehr als Vorwand nutzen, die Unterstützung für die Ukraine aufzugeben.
Auch die EU-Investitionszusagen über 600 Milliarden Dollar sind gemäss Bach halb so wild. Sein Kollege Arturo Bris (58) spricht von einer «Inshalla-Strategie». Auf Deutsch: so Gott will. Bei den Investitionen handelt es sich um eine Absichtserklärung und keine verbindliche Zusage. Bis derart grosse Investitionsprojekte realisiert sind, ziehen Jahre ins Land – und in dieser Zeit kann viel passieren.