Diskriminierung am Wohnungsmarkt
Wie Bezahlabos von Immo-Plattformen arme Mieter benachteiligen

Wer Wohnungsinserate sofort sehen will, muss zahlen. Jetzt kritisiert die Caritas, dass der «bezahlte Vortritt» arme Menschen diskriminiert. Inzwischen verlangen sogar Genossenschaften Geld für ihre Listen.
Publiziert: 14.11.2025 um 11:32 Uhr
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Aktualisiert: 14.11.2025 um 11:34 Uhr
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Wer eine neue Wohnung sucht, hat es in der Schweiz oft schwer.
Foto: Keystone

Darum gehts

  • Bezahlabos auf Immobilienportalen bevorzugen zahlende Mitglieder bei der Wohnungssuche
  • Kritik an Diskriminierung von armutsgefährdeten Personen durch kostenpflichtige Dienste
  • Homegate und Immoscout 24 dominieren den Markt mit 75 Prozent Anteil
Die künstliche Intelligenz von Blick lernt noch und macht vielleicht Fehler.
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Jasmine Helbling
Beobachter

Wer in der Schweiz eine Wohnung sucht, braucht Geld, Glück und blitzschnelle Finger. Kaum ist ein Inserat online, wird die Anbieterin mit Anfragen überflutet. Die besten Angebote verschwinden oft nach Minuten. Als wäre das nicht Stress genug, haben Immobilienportale inzwischen Bezahlabos eingeführt. Die Marktführer Homegate und Immoscout 24 bieten ihres als «Mieterplus» an. Wer zahlt, darf sich bei bestimmten Wohnungen sofort bewerben. Alle anderen müssen bis zu sieben Tage warten.

Kritik seit der Einführung

Das 3-Monats-Abo kostet Fr. 39.95 pro Monat, insgesamt knapp Fr. 120.–. Zum Service gehört ein kostenloser Betreibungsregisterauszug. Schon bei der Einführung gab es Kritik an der Mindestlaufzeit und daran, dass laut «K-Tipp» kaum bezahlbare Wohnungen zu finden waren. Trotzdem hat sich das Modell gehalten und dürfte sich für die Betreiber – die Swiss Marketplace Group (SMG), an der auch Ringier beteiligt ist, zu der auch der Beobachter gehört – lohnen: Homegate und Immoscout 24 dominieren den Markt mit rund 75 Prozent Anteil.

Artikel aus dem «Beobachter»

Das ist ein Beitrag aus dem «Beobachter». Das Magazin berichtet ohne Scheuklappen – und hilft Ihnen, Zeit, Geld und Nerven zu sparen.

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Auf Anfrage betont SMG, «Mieterplus» habe sich weiterentwickelt. Neu gibt es drei Laufzeiten, bei längerer Nutzung sinke der Monatspreis. Zudem gebe es ein kostenloses Probeabo und die Aboverwaltung sei transparenter gestaltet. «Das Produkt wird sehr gut genutzt, insbesondere in urbanen Regionen.»

Armutsbetroffene fallen zurück

Während immer mehr Menschen zahlen, bleiben Personen mit kleinem Budget zurück. «Steigende Mieten belasten armutsbetroffene Haushalte besonders», sagt Corinne Kaufmann, Sozialarbeiterin bei SOS Beobachter. Im vergangenen Jahr betrafen rund 15 Prozent aller Gesuche an die Stiftung die Themen Wohnen oder Umziehen. «Ein System, das zahlende Mitglieder bevorzugt, verschärft die Situation.»

Auch die Caritas Schweiz hält schriftlich fest: «Die Entwicklung führt zu einer erhöhten Diskriminierung von armutsgefährdeten Personen.» Oft fehle nicht nur das Geld, sondern auch die Zeit für eine aufwendige Suche. «Betroffene müssen teils mehreren Jobs nachgehen und sind familiär stark eingespannt.» Beim Beratungsangebot «Wohnfit», das in der Stadt Zürich durchgeführt wird, kämen die Abos häufig zur Sprache.

Mit der Kritik konfrontiert, verweist SMG auf die Zusammenarbeit mit der Stiftung Domicil, die Menschen in finanziell oder sozial schwierigen Lagen beim Wohnen unterstützt, und der Organisation Procap, die sich für Menschen mit Behinderungen einsetzt. Beide erhalten die Abovorteile gratis. «Damit unterstützen wir sozial schwächer gestellte Personen, Familien und Menschen mit Behinderungen bei der Suche nach dem passenden Zuhause.

Selbst Genossenschaften verlangen Geld

Doch das Grundproblem bleibt: Wer zahlen kann, hat Vorteile. Und das gilt zunehmend auch ausserhalb des privaten Wohnungsmarkts. «Viele Genossenschaften schreiben freie Wohnungen nur auf ihrer Website aus. Und hier gibt es mittlerweile ebenso zahlungspflichtige Abos, etwa für 5 Franken im Monat bei genossenschaffen.ch», kritisiert Caritas.

«Genossenschaffen» bündelt und verschickt freie Genossenschaftswohnungen als Newsletter. «Hinter dem Service steckt sehr viel Handarbeit und einiges an Rechenleistung», so das Team. Der Newsletter mit Inseraten koste deshalb 5 Franken im Monat, die Liste der Neubauprojekte bleibe kostenlos. «Soziale Organisationen wie die Caritas erhalten zudem Gratiszugänge und können Angebote weiterleiten.» Das Abo ist jederzeit kündbar.

Klar ist: Bezahlabos verändern die Dynamik auf dem Wohnungsmarkt. Wer sich keinen Vorsprung leisten kann, bleibt zurück.

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