Die UBS ist voll reingelaufen
Wie gefährlich sind Schattenbanken für uns?

Bei der Pleite von First Brands spielen Finanzierungen ausserhalb der Banken eine grosse Rolle. Der Schattenbanken-Sektor in fünf Punkten.
Publiziert: 19.10.2025 um 16:58 Uhr
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Aktualisiert: 19.10.2025 um 19:16 Uhr
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Im Finanzzentrum der Wall Street in New York spielen Schattenbanken eine immer wichtigere Rolle.
Foto: Keystone
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Holger Alich
Handelszeitung

Die Krise der Credit Suisse 2023 war hausgemacht. Welche Lehren die Schweiz aus der Krise ziehen soll, beschäftigt derzeit die Politik. Ein Beschleuniger des Niedergangs der CS war der Archegos-Skandal im Jahr 2021: Durch Geschäfte mit der kaum regulierten Investmentgesellschaft Archegos verlor die CS Milliarden. Schon vor dem Skandal warnten Aufseher und Regulierer vor den Gefahren solcher Schattenbanken. Durch die Pleite des US-Autoteile-Anbieters First Brands sind Schattenbanken, die dort stark engagiert waren, nun wieder in den Schlagzeilen. Doch was sind Schattenbanken genau? Und was macht sie so gefährlich?

1. Was sind Schattenbanken? Welche verschiedenen Formen können sie annehmen?

Der Begriff Schattenbanken ist eine Sammelbezeichnung für Finanzakteure, die ähnliche Geschäfte wie Banken tätigen, ohne selbst eine Bank zu sein. Im Englischen hat sich der Begriff Non-Bank Financial Intermediation etabliert, kurz NBFI. Das können Geldmarktfonds sein, Kreditfonds, Hedgefonds, Leasing-Gesellschaften, Finanzierungsgesellschaften, Broker-Dealer oder Family-Offices. Kernelement ist, dass diese Akteure oft an Kreditvermittlungsaktivitäten beteiligt sind, die bankähnliche Schwachstellen aufweisen können, etwa Liquiditäts- und Fristentransformationsrisiken oder Risiken aufgrund einer Hebelwirkung durch starken Rückgriff auf Kredite (Leverage). Im Unterschied zu Banken haben Schattenbanken keinen Zugang zu Kundeneinlagen. Ihre Kreditvergabe ist oft über Investorengelder finanziert oder stammt wiederum von anderen Banken. Schattenbanken fallen nicht unter die Bankenregulierung.

2. Wie gross ist der Sektor? Warum wächst er so stark?

Der Finanzstabilitätsrat hat die Akteure des Schattenbankensektors in fünf Gruppen klassifiziert. Laut dieser engen Definition umfasste der Sektor Ende 2023 über 70 Billionen Dollar. Der weitaus grösste Teil, 74 Prozent, geht auf das Konto von Fonds – etwa Geldmarktfonds, Kredithedgefonds und Kreditfonds. Fasst man den Begriff weiter und schliesst auch Player wie Versicherer oder Pensionsfonds ein, haben die Geschäfte der Nicht-Banken-Akteure ein Volumen von 239 Billionen Dollar, was rund der Hälfte aller weltweiten Finanzwerte entspricht. Der Sektor wächst doppelt so schnell wie der Bankensektor. Ein wichtiger Grund dafür wird in der Bankenregulierung gesehen. So müssen US-Banken einen Kredit an ein Industrieunternehmen mit fünfmal mehr Eigenkapital absichern, als wenn die Bank einen Kredit an einen Player des Schattenbanksektors vergibt. Banken leihen daher weniger Geld an herkömmliche Kundinnen – und stattdessen mehr an andere Finanzakteure, die wiederum Kredite an die Realwirtschaft vergeben.

3. Ist dieses Wachstum ein Problem? Welche Risiken entstehen?

Der Schattenbankensektor kann als Krisenbeschleuniger wirken. Wenn etwa in den USA beliebte Geldmarktfonds, die oft als Ersatz für Bankeinlagen gesehen werden, kurzfristige Staatstitel kaufen, um die Rendite aufzubessern, und es dann zu einem Run kommt: Anleger geben massenhaft ihre Fondsanteile ab, die Fonds müssen ihre Papiere auf den Markt werfen. Das drückt die Fondsanteile im Wert, sodass noch mehr Kunden ihr Geld abziehen. Ein grosses Problem sehen Expertinnen vor allem in der engen Verflechtung von Banken mit Schattenbankenakteuren wie etwa Kreditfonds. Diese Fonds nutzen Kredite oft als Liquiditätsreserve und beziehen diese in Zeiten von Stress. Das heisst aber, dass eine Bank diesen Akteuren just dann mehr Geld leiht, wenn deren Sicherheiten an Wert verlieren. Zudem könnten Banken über Kredite an Kreditfonds indirekt riskantere Unternehmen finanzieren, als sie es selbst tun würden – hier ist die Gefahr, dass die Risiken nicht adäquat bepreist sind und die Banken durch die Schieflage von Kreditfonds in eine Krise geraten.

4. Gibt es Beispiele dafür, wie Schattenbanken eine Krise auslösen?

Ja. Die Credit Suisse wurde 2021 Opfer einer Schattenbank, der Investmentgesellschaft Archegos von Bill Hwang. Er setzte auf «Total Return Swaps». Das sind Verträge mit Banken, die es ihm ermöglichten, vom Kursanstieg einer Aktie zu profitieren, ohne das Papier selbst zu besitzen. So konnte Archegos riesige Positionen aufbauen, ohne sie offenlegen zu müssen. Die Banken wiederum kauften die entsprechenden Aktien, um sich abzusichern. Archegos wettete auf den Kursanstieg weniger Titel aus dem Medienbereich. Als diese abstürzten, konnte Archegos den Banken keine Sicherheiten mehr nachreichen. Die Banken mussten ihre Aktien auf den Markt werfen und beschleunigten so deren Kursverfall. Allein die Credit Suisse verlor mit den Archegos-Geschäften 5,5 Milliarden Dollar, die UBS war mit 861 Millionen mit von der Partie. 2022 kamen Fonds in die Bredouille, als die britische Regierung die Schuldenaufnahme erhöhen wollte, was zu einem Ausverkauf von britischen Anleihen führte. Die Notenbank musste eingreifen.

5. Wie ist die Lage in der Schweiz? Dominieren auch hier die Schattenbanken?

Wie das Beispiel Archegos zeigt, ist auch der Schweizer Finanzplatz Risiken aus dem Schattenbankensektor ausgesetzt. Zudem hat die Schweiz ebenfalls einen grossen Nicht-Banken-Finanzsektor. Laut der Schweizerischen Nationalbank umfasst dieser ein Volumen, das rund 500 Prozent der Wirtschaftsleistung entspricht – damit ist er grösser als der Bankensektor. Doch hierbei sind auch Pensionskassen und Versicherungen mitgezählt. Nur ein vergleichsweise kleiner Teil der Schweizer NBFI-Akteure sind laut der SNB in bankähnlichen Kreditgeschäften involviert – etwa Firmenleasing-Anbieter und Wertpapierhäuser. Auf Einzelbasis sieht die SNB «weniger Risiken für die Finanzstabilität», sie sorgt sich primär um die internationale Verflechtung des Sektors mit dem Bankensektor. Hier arbeitet die SNB in internationalen Gremien mit, um die Transparenz zu verbessern.

Fazit

Der Schattenbankensektor hat viele Spielarten und wächst stark. Dieses Wachstum wird zum Teil mit der schärferen Regulierung von Banken erklärt. Die Sorge ist, dass Risiken aus dem regulierten Bankensektor in den weniger transparenten und schwächer beaufsichtigten Schattenbankensektor abwandern. Da er stark mit den Banken verwoben ist, drohen Krisen überzugreifen – wie beim Beispiel Archegos. Es gibt daher einige Regulierungsvorstösse wie zum Beispiel jenen, die maximale Verschuldung von Nicht-Banken-Finanzanbietern zu begrenzen, oder den Vorstoss, dass Fonds Mindestliquiditätsreserven halten müssen, um gegen Runs gerüstet zu sein. Die Aufseher arbeiten daran, die Datenbasis zu verbessern, um die Ballung von Verlustrisiken rechtzeitig zu erkennen. Denn das war schon vor der Krise 2007/2008 ein Problem: Es wurde zu wenig bemerkt, dass sich Banken Hochrisikohypotheken nicht als Kredite, sondern als Wertpapiere ins Haus holten – die ihnen Milliardenverluste einbrachten.

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