Geheimer Finma-Bericht enthüllt
Das ganze Versagen der CS-Chefs

Im Londoner High Court wird der Milliardenflop der Greensill-Fonds verhandelt. Brisante Details aus einem geheimen Finma-Bericht werfen ein düsteres Licht auf das frühere CS-Management.
Publiziert: 15.06.2025 um 16:25 Uhr
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Aktualisiert: 15.06.2025 um 16:28 Uhr
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Vom Kollaps der Greensill-Fonds läutete das Ende der CS ein. Bis zur Übernahme durch die UBS dauerte es noch zwei Jahre.
Foto: keystone-sda.ch

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Beat SchmidFester Mitarbeiter Blick

Nur schon optisch gibt der High Court in London was her. Der mächtige neogotische Bau war Kulisse in der romantischen Komödie «Bridget Jones’s Diary». Diese Woche kam er zu einem weiteren filmreifen Auftritt: Banker und Finanzjongleure drängen sich an Kameras vorbei ins hohe Gericht, wo Richter weisse Rosshaarperücken tragen.

Verhandelt wurde der Fall Credit Suisse gegen Softbank. Es geht um Forderungen in der Höhe von 440 Millionen Dollar, welche die UBS als legitime Nachfolgerin der CS vom japanischen Finanzkonzern einfordert. Das Geld will sie für Kunden zurückholen, weil diese zwischen 2019 und 2021 viel Geld mit sogenannten Lieferkettenfonds – auch bekannt als Greensill-Fonds – verloren hatten.

Erstmals trat auch ein ranghoher Ex-Manager der Credit Suisse als Zeuge auf: der frühere CS-Investment-Banking-Chef Eric Varvel (62). Der Amerikaner wurde 2016 von Iqbal Khan (49) in die Bank zurückgeholt und zum Chef des Asset-Managements gemacht, dem Khan als Leiter des Private Banking vorstand. Vorgeladen war auch Lex Greensill (49), der mit seinen gleichnamigen Finanzfirmen im Zentrum des Skandals um die Lieferkettenfonds steht.

Pikant an dem Verfahren ist, dass diese Woche Auszüge aus einem bisher geheimen Dokument der Finanzmarktaufsicht (Finma) auftauchten. Die Behörde hatte die Vorgänge untersuchen lassen. Das im Dezember 2022 erfolgte Urteil der Finma wurde nun vom Londoner Gericht freigegeben. Es liegt dieser Redaktion vor.

Geschlossenes Ökosystem

Das 92-seitige Dokument stellt der Credit Suisse und ihren Managern ein miserables Zeugnis aus. Die Bank wurde in der Folge verpflichtet, ein Verantwortlichkeitsregime einzuführen – eine Massnahme, die nun als im Rahmen der neuen Regulierung für alle systemrelevanten Banken eingeführt werden soll.

Vereinfacht gesagt unterhielten die drei Firmen – CS, Greensill und Softbank – eine Art geschlossenes Ökosystem, das von gegenseitiger Abhängigkeit geprägt war. Softbank investierte in Unternehmen, die mit Liquiditätsengpässen kämpften. Um zu Geld zu kommen, traten diese Firmen ihre Lieferantenforderungen an Greensill ab, wie wiederum als Wertpapiere (Notes) von den CS-Fonds aufgekauft wurden.

Die Ursünde beging die Credit Suisse im Frühling 2017 mit der Lancierung des ersten von insgesamt vier sogenannten Credit Suisse Supply Chain Finance Funds. Die Fonds gerieten zu einem der grössten Flops der Firmengeschichte und hatten massgeblichen Anteil daran, dass die Bank das Kundenvertrauen verlor – wie auch im PUK-Bericht nachzulesen ist.

Zu Schlampereien kam es bereits vor der Lancierung. Immer wenn die Abteilung Asset-Management ein neues Produkt entwickelte, musste dieses einen Bewilligungsprozess durchlaufen. Die CS verfügte über zwei Zulassungswege – New Business und New Product. Obwohl es interne Bedenken gab, entschied man sich für den einfacheren Weg. Ein Angestellter hielt in einem E-Mail fest: «Nur wenn wir beweisen können, dass keine neuen signifikanten Risiken für die Gesellschaft und die Kunden entstehen, könnte man möglicherweise nicht den New-Business-Weg einschlagen.»

Bedenken wurden übergangen

Die Bedenken wurden übergangen. Weil den Managern gewisse Risiken bewusst waren, entschieden sie, eine vertiefte Prüfung der Greensill-Gesellschaften durchzuführen. Brisant: Das Resultat dieser Überprüfung warteten sie nicht ab. Später stellte sich heraus, dass Greensill nur auf Nachdruck und unvollständig die Fragen der CS-Manager beantwortet hatte.

Trotzdem gab die Bank am 24. April 2017 grünes Licht. Virtuoso, so hiess der erste Fonds intern, wurde ein durchschlagender Erfolg. Die Kundenvermögen kletterten bis Ende 2018 auf 2,8 Milliarden Dollar. Der Fonds stieg aus dem Nichts in die Top 20 aller CS-Fonds auf. Ein Jahr später kam er sogar unter die Top 3. Der rasante Aufstieg muss dem Topmanagement aufgefallen sein. Doch niemand – weder Khan noch CEO Tidjane Thiam (62) – schien Fragen dazu zu stellen. Zumindest finden sich im Dokument keine Anhaltspunkte dazu. Womöglich klärte das die Finma auch nicht ab.

Bedenken über das waghalsige Modell wurden früh an die Bank herangetragen: Am 30. November 2018 erreichte ein anonymes E-Mail die Bank: «Wir haben ernsthafte Zweifel an Ihrer Einschätzung von Greensill Capital als Partner in diesem Bereich – und noch mehr daran, dass Sie diesem Unternehmen offenbar so viel Entscheidungsfreiheit über das Geld Ihrer Kunden einräumen.» Michel Degen, der das Europa-Geschäft leitete und eine der treibenden Kräfte hinter den Fonds war, leitete das E-Mail an Lex Greensill und David Solo weiter, der zuvor vom Zürcher Asset-Manager GAM zu Greensill gewechselt war und die Kontakte zur CS eingefädelt hatte. Degen schrieb darin: «Die Mitarbeiter von uns erhalten anonyme E-Mails ... Im Ernst, ihr müsst eure Kommunikationsstrategie überdenken!»

Spygate und das Ende

Erste kritische Medienberichte tauchten zu diesem Zeitpunkt ebenfalls auf. Im Juni 2019 kam es zu einem weiteren anonymen Mail, das an alle Konzernleitungsmitglieder ging. Spätestens jetzt wussten alle von den Problemen. Kurz darauf kam es zum spektakulären Wechsel von Iqbal Kahn zur UBS, der als Co-Chef das weltweite Wealth Management leitet. Monate nach der berüchtigten Spygate-Affäre verliess auch Tidjane Thiam die Bank.

Langsam wurden die Fonds im Verwaltungsrat zum Thema. Wegen der Corona-Pandemie eskalierten die Probleme bei Greensill. Ab 2020 schaltete das neue Topmanagement der CS mit Thomas Gottstein als CEO und Philipp Wehle als Khan-Nachfolger in den Krisenmodus. Doch die Schliessung der Fonds konnten sie nicht mehr verhindern. Im Februar 2021 wurden die Gatter hochgefahren und 10 Milliarden Kundengelder eingefroren. Das war das Ende.

Am 1. April 2021 beauftrage die Finma die Kanzlei Wenger Plattner mit der Aufarbeitung der Vorkommnisse. Deren Erkenntnisse bilden die Grundlage des nun vorliegenden Berichts. Zuvor wurden zwei interne Untersuchungsberichte in Auftrag gegeben. Diese sind weiterhin unter Verschluss. Ob sich darin noch Leichen befinden? Irgendwann weiss man es.

Eine UBS-Sprecherin schreibt: «Iqbal Khan ist von keinem Verfahren betroffen, und keine Untersuchung hat eine Verfehlung von ihm festgestellt.»

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