Darum gehts
- Börsen tiefrot: Faule Kredite bei US-Regionalbanken beunruhigen Anleger
- Komplexe Finanzprodukte und undurchsichtige Geschäfte erhöhen Risiken im Bankensektor
- Private Debt-Fonds-Volumen seit Finanzkrise auf 3 Billionen US-Dollar angewachsen
Die Kurse der Bankaktien leuchten am Freitag tiefrot auf: Ein paar faule Kredite bei US-Regionalbanken reichen aus, und die Finanzhäuser in den USA und Europa tauchen an den Börsen. Die UBS und Julius Bär büssen rund 3 Prozent ein. Die heftigen Reaktionen erstaunen, weil die Kredite für die globale Bankenbranche eigentlich wie Peanuts daherkommen. Doch sie waren der berühmte Tropfen zu viel.
Die US-Regionalbank Zions Bancorporation kündigte am Donnerstagabend an, Kredite im Wert von 50 Millionen US-Dollar abschreiben zu müssen. Die Western Alliance hat wegen fauler Kredite über 100 Millionen Dollar ein Gerichtsverfahren eingeleitet. Die Aktien der beiden Banken sind am Donnerstag um über zehn Prozent abgestürzt.
«Viel zu komplex und intransparent»
Marc Chesney (66), emeritierter Finanzprofessor der Universität Zürich, erklärt gegenüber Blick, warum die Beträge die Anleger nervös machen. «Das Finanzsystem ist viel zu komplex und intransparent. Da können vermeintlich begrenzte Ereignisse ausreichen, um eine Panik zu erzeugen.»
Das Problem geht tiefer: Die Anleger wurden bereits vor zwei Wochen auf dem falschen Fuss erwischt. Damals musste der US-Autozulieferer First Brands Insolvenz anmelden. Gemäss Insolvenzantrag hat der Konzern Schulden von mindestens 10 Milliarden US-Dollar. Auch die UBS ist gemäss Bloomberg mit rund 500 Millionen Dollar in First Brands investiert. Zudem meldete mit Tricolor Holdings, ein US-Subprime-Autokreditgeber, ebenfalls Insolvenz an.
Geschäft mit Privatkrediten floriert
Die betroffenen Finanzgeschäfte fallen alle in den Bereich der Privatkredite, auch Private-Debt-Fonds genannt. Nach der Finanzkrise 2007 wurden Kreditvergaben strenger reguliert. Gerade mittelgrosse Unternehmen finanzieren sich deshalb zunehmend über Privatkredite, die von Private-Debt-Fonds vergeben werden. Deren Volumen hat sich seit der Finanzkrise mehr als verzehnfacht und liegt gemäss der US-Bank JP Morgan weltweit bei rund 3 Billionen US-Dollar. Die Zinsen sind lukrativ, entsprechend aber auch die Risiken höher.
Für die Banken sind diese Geschäfte ebenfalls attraktiv. JP Morgan erwartet, dass das Volumen bei den Privatkrediten in den nächsten vier Jahren auf 5 Billionen Dollar anwachsen wird. Die Risiken in den Fonds sind auf verschiedenste Schuldner verteilt. Sollten darunter jedoch plötzlich viele als Zinszahler ausfallen, wird aus einem kleinen Schocker rasch eine grössere Panik.
Erinnerungen an CS-Debakel
Zuletzt haben die Ausfälle bei Privatkrediten zugenommen. «Weil der Markt wenig reguliert ist, kann es sein, dass wir vor grösseren Problemen stehen», sagt Chesney. So gibt es komplexe Produkte, mit denen die Firmen ihre Zahlungsverpflichtungen an Lieferanten oder ihre offenen Forderungen gegenüber Kunden an Credit-Debt-Fonds weitergeben und dafür Geld erhalten. Diese tauchen wie bei First Brands häufig nicht transparent in den Büchern der Unternehmen auf. Die tatsächlichen Risiken sind folglich kaum abschätzbar.
Solche Lieferkettengeschäfte kennt man bereits vom Greensill-Debakel der Credit Suisse. Die Schweizer Bank war dort mit rund 10 Milliarden US-Dollar investiert.
Zuletzt lösten 2023 steigende Zinsen bei Banken im Silicon Valley ein globales Bankenbeben aus, in dessen Folge die Credit Suisse in einen Abwärtsstrudel geriet und schliesslich von der UBS gerettet werden musste. «Die globale Verschuldung wird immer grösser und die Finanzwetten immer komplexer. Es ist nur eine Frage der Zeit, bis wir weitere Ausfälle beobachten und in die nächste akute Finanzkrise schlittern», sagt Chesney.