Darum gehts
- Chocolat Ammann schliesst nach 76 Jahren
- Produktion reist zu Maestrani in Flawil
- Letzter Schokokuss am 18. Juli produziert, Fabrikladen schloss am Freitag
- 40 Angestellte verlieren Job, knapp zwei Drittel fanden Anschlusslösung
Am 18. Juli ist in Heimberg BE der letzte Schokokuss aus der Maschine gerollt. Im Frühling hatte Chocolat Ammann bekannt gegeben, Produktion, Marke, Maschinen und Kundenstamm an die Firma Maestrani in Flawil SG zu verkaufen. Nach 76 Jahren bleibt von der Berner Traditionsfirma nur noch eine bald leere Immobilie.
Am Freitag schliesst nun auch der Fabrikladen. Im auf 16 Grad gekühlten Lager gibt es nur noch wenige Schachteln gefüllt mit der süssen Versuchung aus Waffelboden, Eiweissschaum und Schokoladen-Überzug. Ein Bauer aus der Nachbarschaft schaut kurz vorbei, seine Familie hatte in den 1980er der Firma das Land für den Bau des neuen Produktionsstandortes verkauft. Sie seien regelmässig im Fabrikladen gewesen, um die «Schümli» zu kaufen.
Seinen Namen möchte er nicht in der Zeitung lesen, stichelt aber gegen den «Mehrbesseren aus Bern» der die Tradition der Schokokuss-Herstellung im Berner Oberland beendet hat.
Eine ganze Fabrik wird verfrachtet
Der «Mehrbessere», das ist Eric von Graffenried (65), Fürsprecher aus der Bundeshauptstadt, der sich 2018 den Bubentraum von der eigenen Schokoladenfabrik erfüllt hatte. Damals wurden in Heimberg noch «Mohrenköpfe» produziert, der Schriftzug «Mohrenkönig» prangt noch heute auf dem Fabrikgebäude. «Wir wollten ins Ausland expandieren, haben deshalb den König beibehalten und ihm «Choco-» vorangestellt», so von Graffenried im Gespräch mit Blick.
Im Heimberg sind die Choco-Könige und -Prinzen nun Geschichte. Auch wenn er das Wort Wehmut tunlichst vermeidet, etwas wehmütig dürfte es ihm schon ums Herz sein, als er von der Rampe aus dem grossen Lastwagen hinterherschaut, der einen Teil des Maschinenparks nach Flawil abtransportiert.
«Spannender als der Abbau hier in Heimberg ist der Aufbau im St. Gallischen», kommentiert von Graffenried das Treiben in der Halle hinter ihm. Techniker und Logistiker verpacken die Maschinen, fragen sich, wie sie am besten einen grossen Kessel, der bis unter die Decke reicht, aus der Halle bringen.
Keine Nachfolge gefunden
«Ich stehe zu meinem Entscheid. Ich bin im Pensionsalter und musste eine Nachfolgelösung finden», erklärt von Graffenried, der sich bis jetzt noch nie öffentlich zum Verkaufsentscheid geäussert hat. «Meine Kinder sind noch zu jung und aus der Firma hat sich niemand aufgedrängt.»
Immerhin: Durch den Verkauf bleiben Produkt und Firmenname erhalten, da sie das Sortiment von Maestrani ideal ergänzen. «Viele KMUs verschwinden vom Markt, weil sie die Nachfolge nicht regeln. Da ist so ein Verkauf die bessere Lösung», so von Graffenried.
Allerdings nicht für die 40 Angestellten, die ihren Job verlieren. «Wir haben uns sehr engagiert, eine Jobbörse gemacht und Personalvermittler geholt», sagt der Firmenchef. Mit Erfolg offenbar: «Knapp zwei Drittel haben eine Anschlusslösung gefunden.» Und einige dürften auch in Rente gehen, so wie der 71-jährige Maschinenmechaniker, der seit sechs Jahren für Chocolat Ammann gearbeitet hat. Entsprechend gelöst war die Stimmung beim Abschiedsfest vor ein paar Tagen.
Eine letzte süsse Versuchung
Keinen Groll hegen auch die letzten Besucher des Fabrikladens. Roland Hofmann (73) und Jörg Witschi (72) lassen sich von der Verkäuferin das Rest-Sortiment erklären und wie man sieht, dass es sich um Schokoküsse zweiter Wahl handelt, deren Schokoladenüberzug nicht ganz so dunkel ist, wie er eigentlich sein sollte. Das stört die beiden rüstigen Rentner nicht, sie ziehen mit einigen Schachteln von dannen.
Daniel Rüegsegger (65) aus Belp BE war ein regelmässiger Kunde, bedauert den Wegzug. «Es ist schade, dass ein Berner Unternehmen nun in die Ostschweiz zieht. Das ist für uns dann nicht mehr gleich um die Ecke.» Und ergänzt etwas wehmütig: «Das erinnert mich an den Wegzug von Tobler, alles geht weg von Bern.»
Andrea Wenger (32) und Michael Bapst (34) bereuen es, nicht häufiger hier im Laden vorbeigeschaut zu haben. «Es ist immer schade, wenn etwas in der Region zu geht. Wir wollten ein letztes Mal vorbeischauen.» Und decken sich nochmals mit Schokoküssen ein.
Ein kleiner Trost für die Berner: Es könnte sein, dass in der Region Thun ein Chocolat-Ammann-Verkaufsladen aufgeht, allerdings sei das noch nicht spruchreif, ist einem letzten Verkaufsgespräch zu entnehmen.