Auf den kommenden Sommer hin wird Christoph Mäder als Präsident des wichtigsten Wirtschaftsverbands der Schweiz zurücktreten. Ein Sprecher von Economiesuisse bestätigt auf Anfrage die Recherchen von Blick und betont, dass Mäder seine derzeitige Amtsperiode absolvieren werde, die 2026 endet. Womit er dann sechs Jahre an der Spitze des Verbands gestanden haben wird.
Der Anwalt, der viele Jahre in der Basler Pharmaindustrie als Rechtskonsulent tätig war und in mehreren Verwaltungsräten sitzt, galt bei seiner Wahl als «glaubwürdiger und engagierter Botschafter» für den Wirtschaftsstandort Schweiz – mit einem «klar liberalen Kompass».
Doch mit Mäders Amtszeit sind mehrere sozialpolitische Niederlagen verbunden. So wurde die Reform der beruflichen Vorsorge 2024 bachab geschickt. Ein noch grösserer Rückschlag war die Annahme der Initiative für eine 13. AHV-Rente – ein Volksentscheid, gegen den die Wirtschaft mit aller Kraft mobilisiert hatte. Hinzu kommen verlorene klimapolitische Vorlagen.
Auch Direktorin Monika Rühl im Fokus
Nach solchen Abstimmungsniederlagen wurde Economiesuisse vorgeworfen, das Gespür für Politik und Bevölkerung verloren zu haben. Kritiker bemängeln, der Verband agiere zu sehr top-down und zu wenig basisnah. Die Leitung gelte als unbeweglich, der Vorstand als zu gross und entscheidungsschwach. Auch Monika Rühl (63), Direktorin von Economiesuisse, musste sich den Vorwurf gefallen lassen, eher zu verwalten als zu kämpfen. Mäder wird von Kritikern vorgeworfen, nicht auf eine Veränderung in der Geschäftsleitung gedrängt zu haben, sondern sich mit Rühl arrangiert zu haben.
Eine verbreitete Kritik: Economiesuisse habe es verpasst, eigene Akzente zu setzen. Auf internationale Entwicklungen wie die Wahl von Donald Trump (79) und dessen Strafzölle auf Schweizer Exporte habe der Verband nur verhalten reagiert. Es wäre der Job des Verbands gewesen, sich in der neuen Situation umso vehementer in Bundesbern für Bürokratieabbau einzusetzen, um die Unternehmen in dieser schwierigen Lage zu entlasten. «Economiesuisse hat praktisch seinen gesamten Einfluss verloren», kritisiert ein Unternehmer, der sich inzwischen vom Verband abgewandt hat.
Streit um Europa und Migration
Mäder tritt in einer Phase ab, in der dem Verband eine Zerreissprobe bevorsteht – insbesondere bei der Positionierung gegenüber der Europäischen Union und in der Migrationspolitik. Offiziell hat sich Economiesuisse mehrfach und klar zum bilateralen Weg bekannt. Trotzdem kam es im Herbst zu Spannungen: Ende September stimmte der Vorstand über die Vernehmlassungsantwort zum neuen EU-Paket ab. Das Resultat fiel mit 69 zu 1 Stimme deutlich aus.
Die einzige Gegenstimme kam von Magdalena Martullo-Blocher (55), die im Vorstand als Vertreterin des Branchenverbands Scienceindustries sitzt. Ihre Haltung stiess dort auf Widerstand. Annette Luther (56), Vizepräsidentin von Economiesuisse und Präsidentin von Scienceindustries, stellte klar, Martullo-Blocher spreche mit ihrer Position nicht für die gesamte Chemie- und Pharmabranche – was intern als deutliche Rüge verstanden wurde.
Die Rolle der Ems-Unternehmerin und SVP-Nationalrätin im Vorstand ist seit längerem umstritten. «Sie ist nicht die beste Besetzung für den Einsitz von Scienceindustries im Vorstand von Economiesuisse», sagte FDP-Nationalrat Simon Michel (47) Anfang Jahr in der «SonntagsZeitung». Der bilaterale Weg sei für die Chemie- und Pharmabranche von zentraler Bedeutung. Die Spannungen zwischen Unternehmern aus dem SVP-nahen Lager und den wirtschaftsliberalen Kräften haben sich zuletzt deutlich verschärft. Und dürften noch zunehmen mit Hinblick auf die 10-Millionen-Initiative der Rechtsaussen-Partei.
Suche unter Hochdruck
In diesem aufgeladenen Umfeld sucht Economiesuisse nun eine neue Führungspersönlichkeit. Gesucht ist eine Unternehmerin oder ein Unternehmer, ein CEO oder ein Multi-VR, die oder der den Verband aus der Krise führen und neu ausrichten kann. Das Profil entspricht also dem Gegenteil der heutigen Führung. Für die Suche wurde Egon Zehnder engagiert, das renommierteste und teuerste Personalberatungsunternehmen.
Das sorgt für Naserümpfen: «Für den Dachverband der Schweizer Wirtschaft ist es ein Armutszeugnis, dass man einen Headhunter beauftragen muss, um das Präsidium neu zu besetzen», sagt ein Unternehmer, der anonym bleiben möchte. Eigentlich sei es Aufgabe einer Findungskommission, geeignete Kandidatinnen oder Kandidaten zu identifizieren.
Die ausgelagerte Suche nach einem Präsidenten versinnbildlicht die Sattheit der Organisation. Das Jahresbudget beträgt rund 20 Millionen Franken – wovon ein Grossteil für Löhne und Büromieten aufgewendet werden. Vielen Mitgliedern sind die hohen Fixkosten ein Dorn im Auge. Nun greift der Verband ausgerechnet zu den teuersten Beratern auf dem Markt, um seine eigene Spitze neu zu besetzen.
Die Probleme begannen schon früher
Das Image als kraftloser Koloss ist allerdings nicht Christoph Mäder anzulasten, laut Beobachtern begann die Krise schon viel früher. 2013 irritierte der Dachverband unter seinem damaligen Präsidenten Rudolf Wehrli (76) mit seiner Reaktion auf die Abzocker-Initiative. Ein pointierter Werbespot von Filmregisseur Michael Steiner (56) wurde nach Kritik wieder aus dem Verkehr gezogen. Geblieben war ein immenser Reputationsschaden.
Für manche Beobachter war der entscheidende Wendepunkt im Jahr 2017, als Economiesuisse darauf verzichtete, für die wichtige Energiestrategie 2050 eine Parole zu fassen. Als Papiertiger wird die einst als Vorort agierende Lobbyorganisation seither bemängelt, bis hin zur Meinung einzelner Unternehmer, die dessen Existenz grundsätzlich infrage stellen.
Auf Mäders Nachfolger oder Nachfolgerin wartet die Aufgabe, hier den Gegenbeweis zu erbringen.