Darum gehts
- Apotheken melden eine erhöhte Nachfrage nach Medikamenten gegen hartnäckige Erkältungen
- Krankheitsbedingte Ausfälle am Arbeitsplatz kosten die Schweizer Wirtschaft über 30 Milliarden Franken pro Jahr
- Die Grippesaison hat noch nicht einmal begonnen
Die Schweiz ist krank. Eine Erkältungswelle rollt derzeit über das Land. Sie fesselt so manchen mit triefender Nase und pochenden Kopfschmerzen ans Bett.
Eine Anfrage von Blick bei den drei grössten hiesigen Apothekenketten bestätigt die Vermutung, dass gefühlt das halbe Land schnieft und hustet: «Seit Mitte September haben sich die Erkältungsfälle gehäuft», sagt Leo Grossrubatscher (34) aus der Dr. Andres Apotheke am Zürcher Stadelhofen. Er spricht stellvertretend für alle Rotpunkt-Apotheken. Weitere Ketten wie Coop Vitality, Toppharm und Amavita bestätigen den Trend.
Schweizer fehlen zwei Wochen pro Jahr bei der Arbeit
Wer krank ist, soll zu Hause bleiben. Spätestens seit der Corona-Pandemie scheint diese Botschaft in den Köpfen der Schweizerinnen und Schweizer angekommen zu sein. Somit fehlt man auch am Arbeitsplatz. Jüngste Zahlen des Bundesamts für Statistik (BfS) zeigen: Im Jahr 2024 erschienen Schweizer Vollzeitangestellte durchschnittlich knapp zwei von insgesamt 47 Arbeitswochen nicht zur Arbeit. Das entspricht 68 Arbeitsstunden. Gut zwei Drittel von ihnen fielen wegen Krankheit oder Unfällen aus.
Das kostet die hiesige Wirtschaft. Die Schweizer Organisation Netzwerk Risikomanagement schätzte die Gesamtkosten auf 24 Milliarden Franken für das Jahr 2021. Damals fiel ein Arbeitnehmer noch 7 Tage im Schnitt pro Jahr aus. Heute sind es bereits 8,5 Tage. Also dürften es nun noch mehr Milliarden sein, die der Wirtschaft fehlen.
Ein Sprecher des Schweizerischen Arbeitgeberverbands (SAV), der die Interessen der Firmen vertritt, präzisiert gegenüber Blick: «Hinzu kommen in vielen Fällen indirekte Kosten, beispielsweise durch Produktionsverluste, Verzögerungen oder desorganisierte Teams.» Diese können laut SAV drei- bis fünfmal höher als die direkten Kosten für Arbeitsabsenzen sein. «Aus unserer Sicht ist es deshalb zu begrüssen, dass dieses Problem breit diskutiert wird», so der SAV-Sprecher weiter.
In Spanien ist einer von sieben pro Tag krank
Dass es noch krasser geht, zeigt der Fall Spanien: Dort meldeten sich von April bis Juni dieses Jahres 1,55 Millionen Erwerbstätige täglich krank, wie die Personalagentur Randstad in einem neuen Bericht vermeldet. Heruntergerechnet erschien einer von sieben spanischen Arbeitnehmern pro Tag nicht zur Arbeit. Das sind mehr als im ersten Covid-Jahr 2020.
Während viele tatsächlich krank im Bett liegen, gibt es Ausnahmefälle, die für Aufsehen sorgen. Beispielsweise ein Kellner, der im Coiffeursalon seiner Freundin aushilft oder ein Beamter, der sich in den USA die Nase richten lässt. Solche Geschichten schüren bei spanischen Arbeitgebern ordentlich Misstrauen.
Um dem Problem Herr zu werden, greifen diese zu bizarren Massnahmen. So werde die Detektivagentur Arkos aus dem nordspanischen Bilbao derzeit von Aufträgen überrannt, wie die «NZZ» berichtet: Unternehmen engagieren die Privatdetektive der Agentur, um ihre Mitarbeiter bespitzeln zu lassen. Dabei werden verdächtige Angestellte jeweils drei Tage lang überwacht.
«Wer krank ist, soll sich auskurieren»
Krankgeschriebene Angestellte drücken auf die hiesige Wirtschaft. Anfang 2025 äusserte der SAV aber dennoch gegenüber Blick: «Wir erhalten keine Rückmeldungen, dass Arbeitnehmende immer öfter oder immer länger krank sind.» Daran habe sich bis heute nichts geändert.
«Wer krank ist, soll sich auskurieren», stellt der SAV-Sprecher klar. Die Gesundheit und das Wohlbefinden der Arbeitnehmenden habe für die Arbeitgeber seit jeher höchste Priorität. Ebenso wenig sei es im Interesse der Betriebe, wenn sich Mitarbeitende mit einer ansteckenden Krankheit ins Büro schleppen und damit das Risiko weiterer Ausfälle erhöhen.
Auch äusserte der SAV Anfang Jahr im Blick, dass nach Ansicht des Verbands Arztzeugnisse teilweise zu leichtfertig ausgestellt werden. «Bestätigt ein Arzt, dass die angestellte Person nur in Teilen arbeitsunfähig ist, so soll die restliche Arbeitsfähigkeit umgesetzt werden», unterstreicht der SAV-Sprecher. Die Thematik dürfte den Verband wohl noch weiter beschäftigen. Denn die diesjährige Grippewelle steht der Schweiz erst noch bevor.