Darum gehts
- Matthias Simmen kannte Laura Dahlmeier (†31) seit vielen Jahren
- Urner berichtet von gemeinsamem Plausch-Rennen in Lenzerheide
- Er blickt zurück auf Dahlmeiers erste Karrierejahre und ihre Höhepunkte
Matthias Simmen (53) hat im Biathlon schon so manche grosse Figur kommen und gehen gesehen. Der Urner ist einer der Schweizer Pioniere dieser Sportart, dreifacher Olympiateilnehmer – und seit 2012 als SRF-Experte die Biathlon-Stimme der Nation. Doch Laura Dahlmeier (†31) stellte für ihn über all die Jahre eine «besonders beeindruckende Athletin» dar.
Eine, deren Geschichte aussergewöhnlich war und mit der er auch persönlich einige Berührungspunkte hatte. Umso mehr hat ihn die Nachricht von Dahlmeiers Tod in Pakistans Gebirge erschüttert: «Es hat mich betroffen gemacht», sagt Simmen.
Erst vor wenigen Monaten stand er mit ihr zusammen an der WM in Lenzerheide im Einsatz. Sie fürs ZDF, er fürs Schweizer Fernsehen. Und vor den offiziellen Bewerben standen sie sich in einer Plausch-Mixed-Staffel gar noch als Rivalen gegenüber. «Wir hatten es lustig. Laura ging mit Sven Fischer an den Start, ich mit ihrer Kollegin Denise Herrmann-Wick – es hat grossen Spass gemacht. Laura war ein sehr geerdeter Mensch. Unser Austausch war immer herzlich und nett.»
Simmen und Dahlmeier liefen sich seit Jahren ständig über den Weg, weil die TV-Crews oft in denselben Hotels untergebracht sind. Doch eigentlich hat Simmen die Karriere der zweifachen Olympiasiegerin und siebenfachen Weltmeisterin schon von Tag eins begleitet. Er war dabei, als Dahlmeier 2013 auf höchster Stufe in der Staffel debütierte – und ohne Schiessfehler sowie mit der drittbesten Laufzeit sämtliche Beobachter verblüffte.
«Vorbild für junge Athletinnen weg»
Es war der kleine Vorgeschmack auf die Dominanz, die die Frau aus Garmisch-Partenkirchen später hinlegen würde. «Ich weiss noch gut, wie Deutschland damals nach der Ära von Magdalena Neuner nach einer neuen, starken Biathletin lechzte – und dann kam Laura und gewann alles, was es zu gewinnen gibt. Besonders imponiert hat mir, wie sie 2018 dem Druck standhielt und als grosse Favoritin Doppel-Olympiasiegerin in Sprint und Verfolgung wurde, nachdem sie 2017 an der WM alles abgeräumt hatte.»
Ihr viel zu früher Tod sei in menschlicher, aber auch in sportlicher Hinsicht «ein herber Verlust für die deutsche Biathlon-Szene»: «Mit ihr bricht ein Vorbild und eine wichtige Bezugsperson für junge Athletinnen wie etwa Hoffnungsträgerin Selina Grotian weg. Sie hat viele talentierte Frauen inspiriert.»
Dahlmeiers Rücktritt mit bloss 25 Jahren hatte Simmen nicht gänzlich überrascht, denn in der Szene munkelte man schon länger, dass sie wohl nicht bis 30 weitermachen würde. Aus gesundheitlichen Gründen, aber auch, weil sie selbst nach all den Erfolgen eine Sättigung spürte und ihr der Rummel um ihre Person ebenfalls zu viel war. «Doch ihr Rücktritt hatte Deutschland damals in ein Loch gestürzt», erinnert sich Simmen, «sie war der grosse Star und hätte noch eine Wahnsinns-Zukunft vor sich gehabt – theoretisch hätte sie mit ihrem Alter heute noch ganz vorne mitmischen können».
Dahlmeier verschrieb sich nach ihrer Karriere noch mehr ihrer zweiten Leidenschaft, dem Bergsteigen. Schon während ihrer Biathlon-Laufbahn hatte sie 2014 einen ersten grossen Schockmoment zu überstehen, als sie beim Klettern im Zugspitzmassiv schwer stürzte und sich einen Bänderriss im Sprunggelenk, einen Knöchelbruch sowie mehrere Prellungen zugezogen hatte. Simmen erinnert sich: «Ich weiss noch genau, dass sie trotz dieses Unfalls normal weitermachte – sie war sich der Risiken dieser Extremsportart stets bewusst. Sie lebte damit. Über all die Jahre. Bis jetzt zum Schluss.»