Darum gehts
Wer sich im Tennisgeschäft umhört, der stellt schnell fest: Schmerzen, Beschwerden oder ständig aufflammende Problemstellen gehören zum Alltag eines Profispielers. Irgendwas tut immer weh.
Die Leidensgeschichte von Leandro Riedi (23) ist aber aussergewöhnlich. Seit Jahren kämpft er immer wieder mit kleineren oder grösseren Verletzungen, doch in der Zeitspanne zwischen Herbst 2024 und jetzt kam enorm viel zusammen.
Riedi musste drei Operationen über sich ergehen lassen – zwei am Knie und zuletzt auch noch eine an der Leiste. Paradoxerweise feierte er zwischendurch seine bislang grössten Erfolge, mit der erstmaligen Wimbledon-Hauptfeldteilnahme und dem sensationellen Vorstoss in den US-Open-Achtelfinal. Doch just nach dem grossen Abenteuer in New York zog es ihm erneut «den Boden unter den Füssen weg», wie er nun gegenüber Blick sagt: «Der Bescheid, dass ich erneut operiert werden und durch eine Reha gehen muss, war der schwierigste Moment meiner Tenniskarriere.»
Riedi gibt unumwunden zu, dass ihm «die ständige Baustelle», die sein Körper darstellt, sehr zu schaffen macht. Und er stellt sich nach all den herben Rückschlägen die Frage, ob er im Falle einer weiteren schweren Verletzung «vielleicht aufhören» sollte: «Denn irgendwann ist das Maximum meiner Substanz erreicht.»
«Habe viel Zeit für mich gebraucht»
Dies ist allerdings ein Szenario, von dem er sich wünscht, dass es nie eintreffen wird – denn an Antrieb und Tatendrang mangelt es dem Rechtshänder aus Bassersdorf ZH nicht: «So gross das Loch war, in das ich hineinfiel, so riesig ist nun auch meine Motivation. Ich habe zunächst viel Zeit für mich gebraucht, nahm Abstand von der Tennis-Tour und ging in die Ferien. Jetzt aber will ich nur noch alles daran setzen, bald zurück zu sein.»
Die Weltnummer 180 plant, Anfang Januar zuerst Brisbane und dann die Quali für die Australian Open in Angriff zu nehmen. Die rund vier Wochen bis dahin sollten reichen. Doch Riedi will sich über den Wiedereinstieg hinaus noch mehr Zeit nehmen, um seinen Körper zu festigen, wie er sagt. «Mein oberstes Ziel ist es, fit, robust und gesund zu sein – und auch zu bleiben.» Heisst in seinem Fall: Endlich das erste Mal eine Saison ohne grössere Unterbrüche durchspielen und dann schauen, wohin ihn sein Level führt.
Die US Open haben sich doppelt gelohnt
Die immer wieder starken Phasen in seiner Karriere haben gezeigt, dass das Top-100- oder gar Top-50-Potenzial, das ihm nachgesagt wird, keine leeren Worthülsen der Experten waren. Vor allem der Grand-Slam-Sommer 2025 gibt ihm aktuell Schub, wenn er in Biel Tag für Tag an seinem erneuten Comeback arbeitet.
Momentan liegt sein Tennispensum noch bei viermal pro Woche je eine Stunde, schon bald aber dürfte er die Intensität hochschrauben können. Daneben stählt er bei Swiss-Tennis-Athletikcoach Beni Linder seinen Körper und arbeitet eng mit einer Ernährungsberaterin zusammen, wie er sagt. Ausserdem gibt ihm seine Freundin Kraft in der Reha: Denn in New York fand er heuer nicht nur sein bislang grösstes Tennisglück, sondern auch die Liebe.