Darum gehts
- Belinda Bencic verpasst Finaleinzug in Wimbledon deutlich
- Sie erreichte als zweite Schweizerin nach Martina Hingis den Wimbledon-Halbfinal
- Bencic kehrt in Top 20 der Weltrangliste zurück, war Anfang des Jahres auf Platz 487
Brutal. Das Märchen von Belinda Bencic (28) am Ort ihrer Träume nimmt ein Ende, das ihrem wunderbaren Wimbledon-Lauf in diesem Jahr nicht gerecht wird. Die Zahlen des Halbfinals gegen die Polin Iga Swiatek (24) sind vernichtend. 2:6, 0:6. Und dies in bloss einer Stunde und zwölf Minuten.
Bencic wird von der früheren Weltranglistenersten, die eigentlich Sand- und Hartplatz-Spezialistin und viermalige Roland-Garros-Siegerin ist, regelrecht vom Platz gewuchtet. Swiatek legt eine Power an den Tag, mit der Bencic einfach nicht mithalten kann. Oder wie es SRF-Expertin Patty Schnyder (46) ausdrückt: «Es gibt hier nicht zwei Hauptdarstellerinnen. Leider hat Belinda die Nebenrolle.» Bencic selbst sagt: «Iga war auf einem anderen Level. Ich hatte das Gefühl, dass sie mich nicht eine Sekunde lang ins Spiel kommen liess.»
Swiatek, die dieser Tage nicht nur den Rasen für sich entdeckt, sondern offenbar auch die interessante Kombination von Pasta mit Wimbledon-Erdbeeren, trifft nun am Samstag im Final auf die Amerikanerin Amanda Anisimova (23). Nur zu gern wäre Bencic an jenem Tag ebenfalls auf den Centre Court gelaufen, um bei ihrem Lieblingsturnier um die silberne Schale zu spielen, von der sie seit der Kindheit träumt.
Welch ein Jahr von Bencic
2013 gewann Bencic in Wimbledon das Turnier der Juniorinnen. Zwölf Jahre später hat sie es als erst zweite Schweizerin nach Martina Hingis (44, Wimbledonsiegerin 1997) an der Church Road in die Halbfinals geschafft. Und das notabene in ihrem Comebackjahr nach der Babypause. Dieser Lauf, nur vierzehneinhalb Monate nach der Geburt ihrer Tochter Bella, durfte nicht erwartet werden und stellt einen riesigen Erfolg im Schweizer Tennis dar. Gerade in der schwierigen Übergangsphase nach der Ära von Roger Federer. Und trotz der Halbfinal-Klatsche gegen Swiatek.
Bencic wird am Montag wieder in die Top 20 der Weltrangliste zurückkehren. Auch dies ist angesichts der Tatsache, dass sie zu Beginn des Jahres noch auf Position 487 stand, irrwitzig gut. Nach der Saison 2024, das das schlechteste Schweizer Grand-Slam-Jahr seit 1986 war, und in dem zwischenzeitlich kein einziger Profi in den Top 100 rangierte, geht Bencic direkt wieder mit Vollgas voran. Und zieht die anderen Schweizerinnen mit. Mittlerweile gibts im 100er-Klub wieder vier Spielerinnen.
Bella wird bei der Einordnung helfen
Das verbesserte Ranking hat für Bencic den Vorteil, dass sie Ende August an den US Open gesetzt sein wird. Doch das wird sie nun in den ersten Tagen kaum über ihr Out im Südwesten Londons hinwegtrösten. Wenn das jemandem gelingen dürfte, dann ihrer Tochter Bella, die Bencics Perspektive auf den Sport fundamental geändert hat. Niederlagen müssen nicht mehr unbedingt ein Weltuntergang bedeuten. Die verschobenen Prioritäten in ihrem Leben werden Bencic im Verdauungsprozess dieser schweren Niederlage helfen.
Und ein Stück weit vielleicht auch der warme Applaus, den Bencic vom Publikum erhält, als sie den Centre Court verlässt. Ihr Lächeln verrät schon da, dass sie sich der grossen Leistung, im Wohnzimmer von Federer den Halbfinal erreicht zu haben, bewusst ist. Und bevor sie die Anlage in SW19 verlässt, sagt sie noch: «Ich bin stolz auf dieses Turnier und es gibt nichts, das ich bereue.»