Von wegen Original Swiss Made – mit Alejo Hervas hat ein waschechter Spanier einen beträchtlichen Anteil an den gigantischen Erfolgen des Schweizer Ski-Teams. Nachdem er Lara Gut-Behrami zu einer Topathletin geschliffen hatte, wechselte der 48-Jährige im letzten Jahr als Athletik-Trainer in die Riesen-Truppe unserer Männer.
Superstar Marco Odermatt bezeichnet die Zusammenarbeit mit dem Iberer als «absolut genial». Seit letzter Woche schwitzen Odermatt, Vize-Weltmeister Thomas Tumler, Beaver-Creek-Champion Justin Murisier und der tragische Bormio-Held Gino Caviezel bereits wieder für den kommenden Olympia-Winter. Und zwar in der Heimat ihres Übungsleiters in El Palmar de Vejer, an der Costa de la Luz.
Die Familie von Hervas besitzt hier wenige Meter vom Strand entfernt einen Bungalow. Die Swiss Ski-Helden fühlen sich in der heimeligen, holzigen Stube wie zu Hause. Der Vorgarten dient in diesen Tagen als Kraftraum. Für die optimale Ernährung zwischen den knallharten Kraft- und Ausdauertrainings hat Alejo mit Jose einen Koch verpflichtet, der im Südwesten von Andalusien nicht zuletzt für seine überragende Paella-Zubereitung bekannt ist.
«Es ist wirklich supercool hier unten», schwärmt Odermatt. «Weil Justin, Gino, Tommy und ich auch privat sehr gute Kollegen sind, kommt in diesem Trainingscamp am Feierabend auch eine Stimmung wie in den Familienferien auf. Nach den langen, sehr anstrengenden Einheiten können wir zusammen wunderbar essen und anschliessend das Leben am Strand geniessen. Das macht grossen Spass.»
Liebes-Aus bei Thomas Tumler
Team-Senior Tumler hatte in den letzten Monaten trotz der grössten Erfolge in seiner Karriere nicht nur Grund zur Freude. Der 35-Jährige spricht beim Strandspaziergang mit dem Blick-Reporter erstmals öffentlich über die Ereignisse, die ihn seelisch und körperlich belastet haben. «Meine Frau Svenja und ich haben uns nur sieben Monate nach der Hochzeit getrennt!»
Die Gründe für diesen Bruch wollen «TT» und Svenja für sich behalten. Aber der Triumphator des Riesenslaloms in Beaver Creek macht kein Geheimnis daraus, dass ihm diese Trennung für längere Zeit sehr weh getan hat. «Mittlerweile ist diese Wunde aber ordentlich verheilt. Und ich bin dankbar für sieben sehr schöne Jahre, die ich mit Svenja verbringen durfte.»
Probleme mit dem Schienbein
Ein anderes Problem dürfte den Samnauner dagegen noch wesentlich länger beschäftigen. «Ich leide seit ein paar Jahren unter einer Knochenhautentzündung am Schienbein, was vor allem auf Pisten, die mit vielen Schlägen bestückt sind, zu starken Schwellungen führt.»
Dass Tumler trotz dieses Handicaps bei der WM in Saalbach-Hinterglemm die Silbermedaille gewinnen konnte, ist stark auf einen Input von Superkumpel Odermatt zurückzuführen: «Marco hat mir orthopädische Schienbeinschoner empfohlen, die er selber benutzt. Meinen ersten Weltcupsieg in Beaver Creek habe ich ohne diese Schützer herausgefahren, weil die Piste in Colorado kaum Rippen aufgewiesen hat. Aber bei der WM wäre ich ohne die ‹Odi-Schoner› chancenlos gewesen.»
Weil vor allem österreichische Funktionäre behaupten, dass die Athleten dadurch mit einer stärkeren Kraftübertragung vom Skischuh auf das Schienbein eine schnellere und gefährlichere Rennlinie fahren können, plädiert das Alpin-Komitee der FIS für ein Verbot dieser Protektoren. Eine endgültige Entscheidung wird der Vorstand des Internationalen Skiverbands im Juni treffen.
Murisier legt sich unters Messer
Auch Justin Murisier (33) wurde in den letzten Jahren regelmässig von Kniebeschwerden geplagt. Nach drei Kreuzbandrissen haben sich beim Walliser knöcherne Auswüchse gebildet, die phasenweise zu Schwellungen in Apfelgrösse geführt haben. Im Gegensatz zu Griechenlands Slalom-Sensation AJ Ginnis (Vizeweltmeister 2023), der die Saison wegen einer nahezu identischen Blessur im Dezember abgebrochen hatte, hielt Murisier bis zum Weltcupfinal durch.
«Ich war nahezu die ganze Saison auf Schmerzmittel angewiesen. Aber im Frühling war mir klar, dass es so nicht weitergehen kann. Deshalb habe ich mich vor vier Wochen operieren lassen.» Dass sich dieser Eingriff positiv auf den Draufgänger aus dem Val des Bagnes auswirkt, zeigt sich auf dem 140 Kilometer langen Velo-Rundkurs El Palmar–Tarifa–El Palmar. Auf der anstrengenden Route zum südlichsten Punkt Europas leistet Murisier vor allem in den Aufstiegen für seine Teamkollegen wertvolle Führungsarbeit. «Ich spüre nach derartigen Strapazen deutlich weniger Schmerzen als im Vorjahr. Wenn es dabei bleibt, bin ich zuversichtlich, dass ich in der kommenden Saison mehr als einmal den Sprung auf das Weltcup-Podest schaffe.»
Comebacker Caviezel – Maschine Odermatt
Optimistisch stimmt auch die Leistung, die Gino Caviezel auf der «Swiss-Ski-Vuelta» durch Andalusien zeigt. Der Bündner, der in der Altjahrswoche – nach starken Zwischenzeiten beim Super-G in Bormio – nach einem Einfädler einen Totalschaden im rechten Knie erlitten hat, kann bis zum Wendepunkt in Tarifa das hohe Tempo seiner Teamkollegen halten. «Es ist die erste Fahrradtour, die ich seit meinem Unfall absolvieren kann. Das tut meinem Herz wahnsinnig gut», strahlt der 33-Jährige und legt nach: «Ich mache jeden Tag Fortschritte. Ich bin mir aber auch bewusst, dass mir bis zur Rückkehr auf die Rennski noch ein langer Weg bevorsteht.»
Auf den letzten 30 Kilometern dieser Tour wird klar, dass sich Marco Odermatt körperlich bereits wieder in einer herausragenden Verfassung befindet. Obwohl der Gegenwind immer stärker wird, büsst der Nidwaldner kaum Tempo ein. «Marco ist und bleibt ein Phänomen, eine echte Maschine», sagt Murisier. Nach der Zielankunft wird aber deutlich, dass es trotzdem etwas gibt, was Odermatt im Hinblick auf den Olympia-Winter zu denken gibt.
Kritik am Rennkalender
Die Rede ist vom neuen Weltcup-Kalender. «Wir Athleten plädieren seit Jahren für einen ausgeglichenen Rennkalender mit neun Weltcuprennen pro Disziplin. Davon sind wir jetzt weit entfernt. Während zehn Slaloms ausgetragen werden sollen, sind aktuell nur sieben Abfahrten eingeplant. Das ergibt für mich nur wenig Sinn.»
Odermatt hat zwar volles Verständnis dafür, dass in der Altjahrswoche 2025 keine Weltcup-Abfahrt in Bormio ausgetragen wird, weil auf dieser Piste im Februar 2026 die alpinen Männerrennen der Olympischen Spiele gestartet werden. Und der Riesenslalom-Olympiasieger ist sich auch bewusst, dass die FIS bis jetzt für die letzte Dezemberwoche keinen anderen Abfahrts-Austragungsort finden konnte.
Der beste Rennfahrer in der Swiss-Ski-Geschichte erkennt dennoch Möglichkeiten, um den Weltcup-Kalender ausgeglichener zu gestalten: «Ich bin zwar dagegen, dass man bei den Klassikern in Wengen und Kitzbühel eine zusätzliche Abfahrt einschiebt. Aber vielleicht lässt sich ja doch noch ein Austragungsort für eine Abfahrt in der Altjahrswoche finden. Wenn nicht, sollten wir darüber diskutieren, ob man Ende Januar in Crans-Montana anstelle des Super-G eine Abfahrt austragen kann. Ich könnte mir zudem vorstellen, dass man im März in Courchevel eine weitere Abfahrt einschieben könnte.»
Auch Justin Murisier fordert die hohen Herren der FIS dazu auf, den Weltcup-Fahrplan für den Olympia-Winter anzupassen: «Die Abfahrt wird seit jeher als alpine Königsdisziplin dargestellt. Darum kann es nicht sein, dass ausgerechnet in dieser Sparte am wenigsten Rennen ausgetragen werden.»
Sicher ist, dass in dieser Angelegenheit das letzte Wort noch nicht gesprochen ist.