Ski-Ass blickt auf dunkelste Zeiten zurück
«Ich hatte keinen Spass, einfach keine Lust»

Camille Rast (23) ist eine der grössten Schweizer Hoffnungen. Dass die Walliserin überhaupt noch Ski fährt, ist nicht selbstverständlich. Sie litt an Depressionen.
Publiziert: 17.10.2022 um 00:37 Uhr
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Aktualisiert: 20.10.2022 um 18:48 Uhr
Mathias Germann

Eigentlich würde Camille Rast (23) lieber nicht mehr darüber reden. Andererseits findet sie, dass es wichtig sei, genau dies zu tun. Beides ist verständlich.

Es geht um die Depressionen, unter denen sie vor fünf Jahren litt. Gegenüber dem Magazin «Sportlerin» berichtete Rast davon, wie sie nach einem Europacup-Rennen alleine in ihrem Zimmer gesessen und sich gefragt hatte: «Warum lebe ich? Wofür lebe ich? Was soll ich auf dieser Welt eigentlich machen? Und: Braucht es mich überhaupt hier?»

Der Hintergrund: Rast war am Pfeifferschen Drüsenfieber erkrankt. Körperlich erholte sie sich zwar davon, im Kopf aber nicht. Rast: «Alle reden bei dieser Erkrankung immer davon, dass es lange gehen könne, bis man körperlich wieder fit sei. Niemand aber redet von den mentalen Aspekten, von Depressionen, die einen befallen.»

Nicht nur auf den Ski ist Camille Rast einen Künstlerin. Aber die Walliserin musste auch unten durch.
Foto: Sven Thomann
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Botschaft auf Peking-Toilette

Seit ihrem Interview mit «Sportlerin» sind einige Monate vergangen. Gegenüber dem Blick sagt Rast nun: «Es ist schade, dass nicht mehr über die psychische Gesundheit gesprochen wird. Bei Sportlern sieht man einfach, wie gut oder schlecht sie fahren. Aber wie es innen aussieht – das weiss kaum einer.» Genau darum habe sie es «cool» gefunden, dass im olympischen Dorf in Peking auf den Toiletten hinter den Türen die Frage stand: «Are you ok?», auf Deutsch: «Geht es dir gut?»

Als Teenager fragte kaum einer nach ihrem Wohlbefinden. Das war vielleicht gar nicht böse gemeint. Viele meinten wohl: Ihre Resultate stimmen wieder, also passt alles. Doch in Rasts Innerem sah es anders aus. «Ich hatte keinen Spass, einfach keine Lust. Ich dachte darüber nach, ob ich vielleicht besser aufhören sollte», so die Walliserin.

Sie tat es nicht. Auch später, als ein Kreuzbandriss ihren Aufstieg jäh bremste, machte Rast weiter. «Heute hat mein Körper mehr Reserve als früher», sagt sie. Dazu kommt, dass die passionierte Mountainbike-Fahrerin ein gutes Umfeld hat, das sie stützt. Sie ist auf einem stabilen Weg.

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Ski-Wechsel bringt Arbeit und Spass

In der letzten Saison fuhr Rast stark, im Riesenslalom-Weltcup wurde sie 20., im Slalom-Weltcup 16. «Nun will ich in beiden Disziplinen in die Top 15», sagt sie. Zwar machten ihre Knie am Ende der letzten Saison Probleme («es herrschte etwas Chaos»), doch das sei behoben. Und mit ihrem Markenwechsel von Head auf Salomon habe sie einen neuen Kick erlebt. «Es gibt noch viel Arbeit, aber sie macht Spass.»

Und was liegt beim Saison-Opening, dem Riesenslalom auf dem Rettenbachgletscher (22. Oktober), drin? «Ich bin meistens eine Langsamstarterin in den Winter», dämpft sie die Erwartungen. Tatsächlich hat Rast in Sölden bei drei Anläufen (2016, 2020, 2021) noch nie den zweiten Lauf erreicht. «Ich kann mich also nur positiv überraschen», sagt sie schmunzelnd.

Sven Thomann
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