Foto: Sven Thomann

Odermatts Jugendfreund erhielt niederschmetternde Diagnose
Ein schlauer Fuchs und ein Schwingerkönig retteten Kohlers Karriere

Kein Schweizer Skirennfahrer hat in den letzten fünf Jahren mehr Knieschmerzen ertragen müssen als Marco Kohler. Doch vor der ersten Weltcup-Abfahrt im Olympia-Winter präsentiert sich der Berner Oberländer in einer richtig starken Verfassung.
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Hinter Marco Kohler liegt ein besonders steiniger Weg
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Marcel W. PerrenSki-Reporter

Marco Kohler gehört zu den grossen Gewinnern der Vorbereitung auf diesen Olympia-Winter. «Wenn Marco seine Trainingsleistungen ins Rennen umsetzen kann, wird er viel Grund zum Jubeln haben. Er fährt wirklich sehr gut Ski», schwärmt Teamkollege Niels Hintermann. Kohler liefert eine logische Erklärung für seine tolle Frühform: «Es war der erste Sommer seit langer Zeit, in dem ich ohne Kniebeschwerden trainieren konnte. Somit habe ich sicher im konditionellen Bereich einen guten Schritt nach vorne machen können. Und es ist sicher so, dass ich auch im skitechnischen Bereich sehr gut arbeiten konnte.» 

Böser Absturz

Der in Meiringen aufgewachsene Kohler wurde bereits vor zehn Jahren von Fachleuten sehr hoch gehandelt. Der damalige Swiss-Ski-Nachwuchschef Osi Inglin publizierte im Blick ein Ranking der grössten Schweizer Nachwuchshoffnungen. Inglin setzte Kohler auf den ersten Rang, sein Jahrgänger und Jugendfreund Marco Odermatt belegte in diesem Ranking den siebten Platz.

Aber während Odermatt vier Jahre nach der Veröffentlichung des Inglin-Rankings beim Super-G in Beaver Creek seinen ersten Weltcupsieg feierte, stürzte Kohler in ganz übler Manier ab. Und zwar als Vorfahrer bei der Lauberhornabfahrt. Die niederschmetternde Diagnose: Am linken Knie war nicht «nur» das Kreuzband, sondern auch die Patellasehne und das Innenband gerissen. «Ein Arzt hat mir damals ins Gesicht gesagt, dass er sich nicht vorstellen könne, dass ich mit diesem Knie noch einmal Leistungssport betreiben könne.»

Der schlaue Fuchs als Retter

Um auf andere Gedanken zu kommen, hat Kohler nach dieser miesen Prognose im Büro der väterlichen Auto-Garage gearbeitet. Die Hoffnung auf die Fortsetzung seiner Rennfahrer-Karriere hat er aber nie aufgegeben. Und schliesslich hat er die Lösung für sein Problem im Dunstkreis der Schwingerkönige Matthias Glarner und Kilian Wenger gefunden. Beide vertrauten in ihrer Aktivzeit im Kraft- und Konditionsbereich auf die Methoden von Roland Fuchs, gemeinsam haben sie in Wilderswil ein Trainingszentrum aufgebaut.

Und hier hat Fuchs auch Marco Kohler wieder auf die Beine gebracht. «Roli hat schnell die perfekte Trainingsform für mein lädiertes Knie gefunden». Deshalb passierte im Dezember 2023 das, was gewisse Mediziner zweieinhalb Jahre zuvor für unmöglich erklärt haben – Kohler klassierte sich bei den Weltcup-Abfahrten in Bormio und Gröden in den Top 10!

König Glarner als Antreiber nach dem nächsten Rückschlag

Dummerweise hat es nicht lange gedauert, bis der grosse Kämpfer aus dem Haslital erneut am Boden lag. Und zwar erneut am Lauberhorn, welches Luftlinie nur 25 Kilometer von seinem Elternhaus entfernt liegt. Bei einem missglückten Sprung vor dem Haneggschuss ging am rechten Knie das vordere Kreuzband kaputt. Nach der Operation waren es nicht zuletzt die bösen Schwinger, welche den Speed-Spezialisten wieder in Schwung gebracht haben.

Der Schweizer Marco Kohler liegt nach diesem Sprung am Boden
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Schock-Moment in Wengen:Der Schweizer Marco Kohler stürzt nach diesem Sprung

«Während ich bei Roli Fuchs trainiert habe, brachte Matthias Glarner am gleichen Ort Fabian Staudenmann und Adrian Walter zum Schwitzen. In dieser Zeit hat sich zwischen uns eine richtig gute Gruppendynamik entwickelt. Ich konnte im Training extrem viel von ihnen profitieren, die Schwinger aber auch ein bisschen von mir.»

Kohler liefert ein Beispiel: «Glarner hat Fäbu und Ädu im Training oft angetrieben, in dem er rief: ‹Was ist los mit euch? Ist es tatsächlich so, dass der Skifahrer schon mehr Gewichte stemmt als die Schwinger?›» Durch Glarner hat Kohler auch den Glauben an ein sportliches Happy End zurückgewonnen: «Mättel hat auf seinem Weg zum Schwingerkönigstitel ebenfalls viele Rückschläge in Kauf nehmen müssen, deshalb hat er mir in dieser für mich so schwierigen Situation viele wichtige Inputs geben können. Er hat mir klargemacht, dass ich niemals aufgeben darf, selbst wenn ich nur kleine Fortschritte erziele. Seine Worte haben mir sehr geholfen.»

Wohnortwechsel wegen Odermatt

Mittlerweile trainiert der Berner Oberländer im Kraft- und Konditionsbereich aber öfters mit Marco Odermatt in Stans als mit den Berner Überschwingern in Wilderswil. «Ich arbeite nach wie vor nach den Trainingsplänen von Roli Fuchs. Aber weil mir Marco Odermatt signalisiert hat, dass er gerne öfters mit mir zusammen trainieren möchte, habe ich meinen Wohnsitz vom Bernbiet in den Kanton Nidwalden verlegt.» Kohler und Odermatt sind Freunde, seit sie gemeinsam die Sportschule in Engelberg besucht haben. «Und weil ich seit Engelberg auch noch viele andere gute Kollegen in der Innerschweiz habe, ist mir der Wohnortswechsel nicht schwergefallen, obwohl ich in meinem Herzen natürlich immer ein Berner bleiben werde.»

Am ESAF in Mollis hat Kohler mit seinem Berner Schwinger-Kumpel Staudenmann mitgelitten. Besonders in dem Moment, als dieser für den Sieg gegen den Thurgauer Domenic Schneider nicht die Maximalnote erhalten hat. «In diesem Moment habe ich mich schon sehr aufgeregt. Gleichzeitig war ich froh, dass ich ein Skirennfahrer bin, bei dem kein Mensch über Sieg oder Niederlage zählt, sondern die unbestechliche Zeitnehmung.» 

Olympia-Quali-Fight auf «kastrierter» Strecke

Im letzten Winter wurden bei Kohler vor allem auf der Piste starke Zeiten gemessen, wo in dieser Saison die Olympia-Abfahrt ausgetragen wird: In Bormio belegte er in seiner dritten Abfahrt nach dem Kreuzbandriss den neunten Rang. In dieser Woche strebt der 28-jährige Stöckli-Pilot in Beaver Creek mit einer Top-7-Klassierung die Olympia-Qualifikation. Einen Wermutstropfen gibt es aber schon vor dem Abfahrtstart am Freitag. Aufgrund von Schneemangel im letzten Streckenabschnitt wird das Rennen bereits kurz vor dem berüchtigten Harrier-Sprung zu Ende gehen. Möglicherweise geht die erste Abfahrt des Winters aufgrund der Wetterprognosen schon am Donnerstag über die Bühne. 

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