Darum gehts
Kurz vor 11 Uhr spricht in der Arena in Root LU plötzlich niemand mehr von Schwingerkönig Joel Wicki (28). Zum grossen Thema am Luzerner Kantonalen wird ein 19-jähriger Berner, der mehr als 100 Kilometer entfernt beim Seeländischen im Sägemehl steht. Michael Moser bodigte soeben Fabian Staudenmann (25).
Nach 51 Sekunden lag der letztjährige Saisondominator am vergangenen Sonntag auf dem Rücken – eine Sensation! Seit dem Anschwingen am Unspunnen-Schwinget 2023 gegen Samuel Giger hatte Staudenmann keinen Gang mehr verloren. «Dass es gerade so gut aufgeht, hat mich überrascht», sagt Moser am Tag danach.
Als er kurz darauf mit Adrian Walther (23) auch den zweiten Teamleader der Berner besiegte, war man sich in Luzern einig: Dies war nur der Anfang einer ganz grossen Karriere. Die wie so viele andere durch den Königstitel von Kilian Wenger (35) im Jahr 2010 in Frauenfeld begann. Moser verfolgte das Fest mit seinen Eltern. Einmal im Schwing-Fieber musste zunächst sein Plüschbär als Gegner herhalten.
Dank Trick zum ersten Wettkampf-Einsatz
Kurz darauf nahm ihn der Nachbar mit in ein Schwingtraining. «Ich bekam zwei Bälle an den Kopf und habe geweint. An mehr kann ich mich nicht erinnern», erklärt er lachend. Trotz seiner schmerzhaften Premiere blieb er dem Nationalsport treu. Und das, obwohl Moser drei Jahre lang nur trainieren konnte. An Wettkämpfen durfte man damals erst ab acht Jahren teilnehmen.
Diese Regel wusste Moser bei seinem Heimfest in Oberthal BE zu umgehen. «Dank eines Tricks konnte ich da schon eine Saison früher als erlaubt schwingen.» Mit mässigem Erfolg. Er verlor die ersten fünf Gänge. «Nach jeder Niederlage weinte ich. Schon damals wollte ich immer gewinnen.» Später gelang das Moser deutlich öfter. Bei den Jungschwingern gewann er an die 50 Feste.
Ein König ist neu an seiner Seite
Neben dem Schwingen ist die Landwirtschaft seine zweite grosse Leidenschaft. Moser ist auf einem Bauernhof in der kleinen Gemeinde Arni im Emmental aufgewachsen. Sein Vater Hans betreibt seit jeher eine Red-Holstein-Zucht. Als Kind half Moser auf dem Hof mit. «Das machte mir grossen Spass.» Im letzten Sommer hat er die Ausbildung zum Landwirt abgeschlossen. Mittlerweile arbeitet er auf dem Hof seiner Eltern.
Sein starker Saisonstart ist auf einen aussergewöhnlichen Luxus im letzten Winter zurückzuführen. Der Berner durfte 18 Wochen lang während der Spitzensport-RS wie ein Profi trainieren. Und das erst noch unter der Leitung seines neuen Trainers. Seit letztem Winter kümmert sich König Matthias Glarner um Mosers Fitness.
In dieser Zeit stieg sein Gewicht von 98 auf 104 Kilo an. Die zusätzliche Muskelmasse konnte Moser am letzten Sonntag gut gebrauchen. Dass es trotz der Sensationssiege nicht zum Schlussgang-Einzug reichte, lag an einer Niederlage im vierten Gang gegen Dominik Roth (28). «Da fehlte mir die nötige Spannung. Das nervt mich.» Sein Ehrgeiz ist nach wie vor gross. Mittlerweile fliessen nach verlorenen Gängen aber keine Tränen mehr.