Darum gehts
«Wenn Tiere auf so engem Raum leben müssten, wie diese Schwinger trainieren, würde der Tierschutz wohl einschreiten.» So beschrieb der Schwingsportförderer Edi Ritter 2014 das Trainingslokal des Tessiner Schwingerverbandes. Eine eiskalte Garage irgendwo im Südkanton. Elf Jahre später ist das Zitat noch immer aktuell. Denn: Die Tessiner Schwinger trainieren immer noch zwischen Mauern und Metalltoren.
Von der Vision zur Garage
Entstanden ist alles 2011. Obwohl im Tessin kaum jemand das Schwingen kannte, förderte Edi Ritter dank des Interesses von vier jungen Tessiner Buben rund um Robin Crotta, der heute technischer Leiter des Tessiner Verbandes ist, den Zwilchhosen-Sport.
Angefangen hat es an einem kantonalen Sportschnuppertag, an dem der gebürtige Baselbieter Ritter unter anderem Crotta für den Schwingsport begeistern konnte. Bald darauf gründete er den kleinsten Kantonalverband der Schweiz. Und was gehört zu einem richtigen Schwingerverband? Richtig: ein Schwingkeller für das Wintertraining!
Da die Ressourcen jedoch begrenzt waren, mussten sich die Tessiner statt in einem Schwingkeller in einer Garage abmühen. Crotta erinnert sich: «Wenn es draussen minus zwei Grad war, war es drinnen auch minus zwei Grad. Sobald man kurz Pause hatte, musste man sofort wieder alles Gewand anziehen.»
Zelt, Matten und Frust
Ein paar Jahre später schien es besser zu werden: Das Jugendsportzentrum Tenero stellte ein Zelt zur Verfügung. Zwei Winter lang trainierten die Schwinger dort – dann wurde das Zelt abgebaut. Als Ersatz durften sie in Tenero auf die Matten der Judokas. «Das war aber für nichts», sagt Crotta. «Auf diesen Matten kannst du nicht schwingen.»
Das Experiment endete in Ernüchterung. Die Motivation der Schwinger sank, und die Eltern schickten ihre Kinder nicht mehr ins Training. «Es ist ein Teufelskreis», sagt Crotta. «Ohne Trainingsort kein Nachwuchs und ohne Nachwuchs kein Grund für ein besseres Lokal.»
14 Jahre später – noch immer Garage statt Schwingkeller
Einen passenden Schwingkeller hat man deshalb bis heute nicht gefunden. Seit einem Jahr trainieren die Schwinger nun in Contone. Wieder eine Garage, wieder in engen Platzverhältnissen.
Maximal zwei Schwinger können gleichzeitig zusammengreifen. «Ein bisschen schwingen geht, aber nach zwei Schritten stehst du an der Wand», so Crotta. Immerhin: Die zweite Garage ist gedämmt und mit einer kleinen Heizung ausgestattet: «Für uns war es ein Luxus, letzten Winter 13 Grad zu haben.»
Der technische Leiter kämpft auch neben dem Sägemehl weiter
Während Corona stand der Tessiner Schwingsport kurz vor dem Aus. «Wir waren teils nur noch zu dritt im Training. Jeden Winter fragten wir uns wieder: Machen wir überhaupt weiter?» Doch Crotta gab nicht auf. Letzten Herbst kam neuer Schwung. Einige Neue begannen, die Motivation kehrte zurück. Heute zählt der Verband knapp zehn aktive Schwinger.
«Wir haben wieder Hoffnung», sagt Crotta, der sich immer wieder nach neuen Trainingsmöglichkeiten umschaut. «Es wäre schon schön, wenn wir nach 14 Jahren endlich mal ein richtiges Wintertraining durchführen könnten.»