Darum gehts
- Tragödie in Le Mans 1955 veränderte den Motorsport für immer
- Rennunfall führte zu Massenkarambolage und Feuer in Zuschauertribüne
- 84 Tote, über 120 Verletzte, Schweiz verbot Rundstreckenrennen bis 2022
84 Tote, über 120 Verletzte: Vor 70 Jahren veränderte eine Tragödie den Motorsport für immer. Es ist der 11. Juni 1955, 18.26 Uhr. Die dritte Stunde des 24-Stunden-Rennens von Le Mans läuft. Rund 300’000 Zuschauer blicken gebannt auf das Duell der Giganten: Mike Hawthorn in einem Jaguar und der amtierende Formel-1-Weltmeister Juan-Manuel Fangio in einem Mercedes.
Schwerster Unfall der Renngeschichte
Doch innerhalb weniger Sekunden rückt der Sport in den Hintergrund. Hawthorn irritiert mit einem abrupten Manöver den Briten Lance Macklin, der daraufhin bremst und nach links ausweicht. Dahinter braust Mercedes-Pilot Pierre Levegh an, dicht gefolgt von Fangio. Levegh kracht mit 280 Stundenkilometern in Macklins Austin und wird in die Zuschauertribüne geschleudert.
Der Franzose wird aus seinem Auto katapultiert und stirbt beim Aufprall. Sein Mercedes wird förmlich zerrissen: Motor, Räder und Karosserieteile fliegen in die dicht gedrängte Menschenmenge. Der Benzintank geht in Flammen auf. 84 Personen sterben, über 120 erleiden schwere Verletzungen.
Wie durch ein Wunder bleibt der herannahende Weltmeister Fangio unversehrt. Später gab er zu Protokoll, dass ihn Levegh Sekundenbruchteile vor seinem Aufprall noch mit einem Handzeichen warnen konnte – möglicherweise rettete ihm genau dieses Zeichen das Leben.
Das Rennen lief weiter
Während erste Rettungsaktionen begannen und sich Sanitäter um die Opfer kümmerten, lief das Rennen weiter. Die Rennleitung begründete: Bei einem Abbruch wären die 300’000 Zuschauer von der Strecke weggeströmt und hätten die Zufahrtswege für die Krankenwagen blockiert.
Mercedes hingegen zog nach internen Beratungen seine verbliebenen Fahrzeuge aus dem Rennen zurück – obwohl Fangio zu diesem Zeitpunkt mit Rundenvorsprung in Führung lag.
Die Schuldfrage bleibt ungeklärt
Nach dem Rennen stellte sich die Schuldfrage. Mike Hawthorn, der sich am Ende als Sieger feiern liess, wurde von vielen zum Sündenbock erklärt. Durch sein Manöver wurde die Katastrophe ausgelöst.
Der Brite wies jedoch jede Schuld von sich – mit Erfolg: Bei der juristischen Aufarbeitung des Unfalls der französischen Justiz konnte keine Einzelperson als Schuldiger verantwortlich gemacht werden. Es habe sich um einen Rennunfall gehandelt.
Folgen für die Schweiz
Die furchtbare Tragödie vom 11. Juni 1955 hatte internationale Auswirkungen. Im selben Jahr wurde der Grosse Preis der Schweiz in Bremgarten bei Bern aus Sicherheitsbedenken abgesagt. Bis dahin war das Rennen fester Bestandteil des Formel-1-Kalenders. Zur Entscheidung trug auch die ernüchternde Unfallbilanz des Kurses bei: Zwischen 1947 und 1954 kamen bei den Rennen im Berner Bremgartenwald neun Menschen ums Leben, 44 weitere wurden verletzt.
1957 wurde in der Schweiz als Folge des schweren Unfalls ein Verbot für Rundstreckenrennen erlassen. Damit war die Schweiz über Jahrzehnte hinweg das einzige Land weltweit mit einem Verbot für Rundstreckenrennen. Erst 2022 wurde dieses Gesetz formal aufgehoben – eine geeignete Rennstrecke gibt es jedoch bis heute nicht.