Darum gehts
- Mujinga Kambundji erlebt in Schwangerschaft einen für sie völlig neuen Sommer
- Die Bernerin tauscht sich mit Star-Sportlerinnen aus
- Welche neue Job-Erfahrung ihr gefällt – und welches Hobby sie entdeckte
Mujinga Kambundji (33), die schnellste Frau der Schweiz, ist auch in ihrer Schwangerschaft noch zackig unterwegs. Das Interview mit Blick beginnt 45 Minuten zu früh, weil sie an ihrem vollgepackten Medientag so gut in der Zeit ist. Die Bernerin sitzt entspannt auf der Steintribüne des Leichtathletikstadions Wankdorf – und sagt: «Es geht mir sehr gut. Ich habe das Glück, eine bislang komplikationsfreie Schwangerschaft zu erleben.» Im November erwarten sie und ihr Lebenspartner und Trainer, Florian Clivaz, zum ersten Mal Nachwuchs. Bis dahin will sie ihren Körper in Form halten und die ungewohnte Freizeit auskosten.
Blick: Mujinga Kambundji, Sie hatten kürzlich auf Sardinien Ihre ersten Sommerferien seit 15 Jahren. Wie wars?
Mujinga Kambundji: Unheimlich schön. Meine Sommer waren sonst immer mit Leichtathletik vollgepackt. Ich geniesse es gerade sehr, mal Zeit für anderes zu haben, auch wenn die Tage immer noch ziemlich voll sind. Ich bin gut befreundet mit Anouk Vergé-Depré und war deshalb in Gstaad beim Beachvolleyballturnier. Stünde ich normal mitten in einer Saison, wäre es schwierig für mich, einfach so einen Tag an der Sonne zu sitzen. Jetzt kann ich mir solche Dinge gönnen. Wie etwa auch ein Konzert mit einer Kollegin später im August. Und …
… ja?
Ich kann endlich golfen. Ich habe kürzlich die Platzreife gemacht und spiele jetzt regelmässig. Sicher einmal pro Woche. Mal mit Florian, mal mit meinem Trainingspartner William Reais, der auch angefressen ist (lacht).
Sie führten bislang sprichwörtlich ein Leben auf der Überholspur. Wie ist es für Sie, nun mal einen Gang runterzuschalten?
Ohne Wettkämpfe ist es ein ganz anderes Leben, aber schön. Ich bin viel mehr in Bern. Doch ich muss auch sagen: Ich bin froh, dass ich sportlich weiterhin aktiv sein darf und – zumindest ein Stück weit – meine alten Strukturen beibehalten kann. Das Training tut mir gut. Ich mag meinen normalen Alltag, ich schätze meinen Job als Sportlerin sehr.
Es ist anzunehmen, dass Sie das Windelnwechseln bei Nichten und Neffen bereits üben konnten?
Ja, ich glaube, ich habe keinen Crashkurs mehr nötig. Ich erinnere mich sogar noch daran, wie ich bei Didi (Ditaji Kambundji, ihre zehn Jahre jüngere Schwester, d. Red.) die Windeln gewechselt habe. Zumindest ganz vage.
Stehen Sie im Austausch mit anderen Sprinterinnen, die schon Kinder haben?
Absolut, es war für mich spannend, mit Nia Ali (der US-Hürden-Weltmeisterin und dreifachen Mutter, d. Red.) reden zu dürfen. Ich habe sie angeschrieben und sie nach ihren Erfahrungen gefragt. Wir haben uns kurz ausgetauscht und für ein weiteres Mal abgemacht. Ali und auch Shelly-Ann Fraser-Pryce (die mehrfache jamaikanische Sprintweltmeisterin und Olympiasiegerin, d. Red.) sind für mich grosse Vorbilder. Wir haben Glück, dass wir solche Inspirationen in der Leichtathletik haben. Als die Schwangerschaft bei mir Thema wurde, waren die beiden eine riesige Motivation für mich. Sie haben es geschafft, nach der Babypause auf einem noch höheren Level zurückzukommen.
Mujinga Kambundji (33) ist die schnellste Frau, die die Schweiz je gesehen hat. Die Bernerin hält über 60 m, 100 m und 200 m den Schweizer Rekord. An grossen Titelkämpfen gewann sie insgesamt elf Medaillen, darunter Bronze über 200 m an der WM 2019 in Doha sowie je zweimal Gold an der EM (über 200 m) und an der Hallen-WM (über 60 m). Zu ihren grössten Erfolgen gehören auch die Olympia-Finalteilnahmen in Tokio (über 100 m und 200 m) sowie Paris (über 100 m). Kambundji ist zweifache Schweizer Sportlerin des Jahres. Ihre jüngste Schwester, Ditaji Kambundji (23), ist Spitzen-Hürdenläuferin.
Mujinga Kambundji (33) ist die schnellste Frau, die die Schweiz je gesehen hat. Die Bernerin hält über 60 m, 100 m und 200 m den Schweizer Rekord. An grossen Titelkämpfen gewann sie insgesamt elf Medaillen, darunter Bronze über 200 m an der WM 2019 in Doha sowie je zweimal Gold an der EM (über 200 m) und an der Hallen-WM (über 60 m). Zu ihren grössten Erfolgen gehören auch die Olympia-Finalteilnahmen in Tokio (über 100 m und 200 m) sowie Paris (über 100 m). Kambundji ist zweifache Schweizer Sportlerin des Jahres. Ihre jüngste Schwester, Ditaji Kambundji (23), ist Spitzen-Hürdenläuferin.
Im Schweizer Sport legt Belinda Bencic gerade ein fabelhaftes Comebackjahr nach ihrer Babypause hin. Wie erleben Sie Bencics Rückkehr an die Tennis-Weltspitze?
Ich habe ihren Weg genau verfolgt und mich schon im Februar bei ihrem Turniersieg in Abu Dhabi mega gefreut. Es ist wahnsinnig beeindruckend, wie gut und wie schnell sie zurückgekehrt ist. Auch mit ihr habe ich mich bereits ein wenig ausgetauscht.
Erwägen Sie, mit Kind zu reisen, wie Bencic es tut?
Das werden wir sehen. Das Gute in der Leichtathletik ist, dass unsere Wettkämpfe ausserhalb von Grossanlässen in der Regel nur einen Tag dauern. Das heisst, man könnte das Ganze in 36 bis 48 Stunden abhandeln. Ob wir dann mit dem Baby reisen oder nicht, werden wir kurzfristig abwägen. Ich bin glücklicherweise in der Situation, dass mir dank meines guten Umfelds alle Möglichkeiten offenstehen.
Im Tennis gibt es mittlerweile Strukturen, die Müttern den Wiedereinstieg erleichtern. Erhoffen Sie sich das auch in Ihrer Sportart?
Noch existieren bei uns keine ähnlichen Programme, ich bin aber mit World Athletics in Kontakt, und es wird wahrscheinlich bald Neuigkeiten geben.
Andere Spitzensportlerinnen berichteten von Kritik – etwa auf Social Media –, weil sie schwanger weitertrainierten. Obschon in angepasster Form und (individuell betrachtet) bei einer gut verlaufenden Schwangerschaft aus medizinischer Sicht nichts dagegenspricht. Haben Sie Ähnliches erlebt?
Eigentlich nicht. Es gibt schon manchmal Leute, die erstaunt sind, wie viel ich noch trainiere. Aber ich spüre auch, dass mittlerweile ein breiteres Bewusstsein dafür da ist, dass man schwanger weitertrainieren kann und soll. Und ich fühle mich ausserdem sehr gut betreut. Wir passen im Training die Intensität an die Schwangerschaft und meinen Körper an.
Wie gestalten Sie Ihr Training momentan?
Mittlerweile trainiere ich vier- statt fünfmal pro Woche. Ich mache noch Sprints, aber gehe nicht mehr voll ans Limit. Es geht in erster Linie darum, den Körper so lange wie möglich fit zu halten. Aber ich bin dabei sehr flexibel. Als ich Beachvolleyball schauen ging, habe ich die Woche beispielsweise Gstaad angepasst. Und wenn Didi oder William mal einen Tag frei haben, dann gucke ich, dass ich ebenfalls so plane. Zusammen trainieren macht mehr Spass (schmunzelt).
Sie haben im Mai nach den beiden Diamond-League-Auftritten in Xiamen und Doha, in denen Sie über 200 m respektive 100 m jeweils Letzte wurden, die Saison beendet. War der ursprüngliche Plan, noch länger weiterzumachen in dieser Saison?
Ja, ich hätte gerne noch ein paar Wettkämpfe mehr bestritten. So lange, wie es gegangen wäre. In Xiamen merkte ich aber, dass über 200 m das Stehvermögen abgenommen hatte. Das Gefühl kam schleichend, aber ich spürte immer mehr, dass ich nicht mehr an meine normalen Leistungen herankam. Dass ich schwanger bin, habe ich allerdings schon viel früher herausgefunden. Das war während der Hallen-WM in Nanjing im März. Aber …
… ja, bitte.
Schlecht gefühlt habe ich mich nie. Mein Körper hat sich aufgrund der Schwangerschaft nun mal einfach verändert. Meine Physiotherapeutin war völlig überrascht, als sie mich behandelte und sich meine Hüften aufgrund der hormonellen Veränderungen so gut bewegten wie noch nie. Sie fragte sich schon, was passiert sei. Das war, noch bevor ich es ihr gesagt hatte.
Sie sagten, Sie würden beim geplanten Comeback im nächsten Jahr nichts überstürzen wollen. Im August 2026 findet die EM in Birmingham statt, wo sie über 200 m die Titelverteidigerin wären. Ist ein Start dort ein vages Ziel?
Auf jeden Fall. Als amtierende Europameisterin käme ich ohnehin in den Genuss einer Wildcard. Und Olympia 2028 bleibt das Fernziel. Doch wann ich in die Saison einsteigen werde, werde ich kurzfristig entscheiden. Wenn ich dann aber zurückkehre, dann möchte ich schon kompetitiv sein (lacht).
Sie waren kürzlich Gast-Expertin bei SRF während des Meetings Spitzenleichtathletik Luzern. Wie gefällt Ihnen diese Rolle?
Es war cool. Ich bin es mir ja gewohnt, vor einer Kamera zu stehen. Dieser TV-Job war aber noch einmal eine andere Erfahrung. Eine, die mir sehr gefallen hat.
Sie haben dabei auch Ihre Schwester Ditaji interviewt. Könnten Sie sich diese Aufgabe auch in Zukunft vorstellen?
Ja, das könnte ich. Es macht Spass. Aber geplant ist noch nichts.
Sie waren auch an der Frauen-EM in Basel im Stadion. Wie haben Sie das Heimturnier erlebt?
Seit der Leichtathletik-EM 2014 in Zürich weiss ich, was es bedeutet, einen Grossanlass in der Schweiz zu bestreiten. Es war einfach nur schön, zu sehen, wie viele Leute in die Stadien kamen. Es entstand ein riesiger Hype, den ich dem Team wirklich gönnen mag. Die Stimmung im St. Jakob-Park war krass. Als die Hymne erklang, dachte ich nur so: ‹Wow! Das muss eine riesige Motivation für die Spielerinnen sein.› Ich habe das Gefühl, diese EM wird für den Frauenfussball hierzulande nachhaltig viel bewirken.