Darum gehts
Entschieden ist noch nichts, sagt St. Gallens Sportchef Roger Stilz auf Anfrage von Blick. Stand Dienstag um zehn Uhr. Die Frage war, ob die Ostschweizer die Kaufoption auf Leihspieler Jean-Pierre Nsame einlösen würden. Die Tendenz? Nsame wird zu seinem Besitzerklub zurückkehren. Zu durchzogen ist die Bilanz mit lediglich zwei Toren. Mit Verletzungspech. Und mit der aktuellen Jokerrolle. Es würde für Nsame aber nicht etwa nach Como zurückgehen, wie es auf Transfermarkt steht, sondern nach Warschau, zu Legia. Nsame erzählt, wie es zum Kauf durch die Polen kam. Weshalb er seine Situation mit den Optionen St. Gallen oder Legia als Luxus sieht. Und vieles mehr. Im einzigen Interview, das er als Espe gegeben haben wird. Es sei denn, St. Gallen kauft ihn doch …
Ganz generell, wie geht es Ihnen in St. Gallen?
Hervorragend! Obwohl es nicht vorgesehen gewesen war, derart schnell in die Schweiz zurückzukommen. Aber der FC St. Gallen hat mich überzeugt. Ich fühle mich hier zu Hause. Wie, wenn ich dieses Land nie verlassen hätte.
Sie waren allerdings nie lange weg. Maximal ein Jahr.
Ein halbes Jahr in Venedig, total eines in Como und Warschau. Nur leider haben sich dort die Dinge nicht wie erhofft entwickelt. Für eine Rückkehr in die Schweiz war Servette erste Wahl gewesen. Ich hatte ja immer wieder Gespräche mit den Verantwortlichen. Doch als St. Gallen mich kontaktierte, hörte ich mir das genau an. Ich änderte meine Meinung, unbedingt in die Westschweiz gehen zu wollen, und kriegte Lust auf eine Rückkehr nach St. Gallen.
Rückkehr?
Irgendwie schon, obwohl das niemand weiss. Als ich bei Servette war, hat mir der FC St. Gallen einen unterschriftsreifen Vertrag vorgelegt. Damals wollte ich nicht unterschreiben. Nun, acht Jahre später, bin ich also zurück.
Hatte Servette im Winter kein Interesse mehr?
Nach meiner Kenntnis nicht. Ich hatte andere Offerten, die waren aus dem Ausland. Aber die Idee der Rückkehr in die Schweiz hat mich verzückt. Auch aus familiären Gründen.
Was hat den Ausschlag gegeben, dass Sie zugesagt haben?
Die Art und Weise, wie St. Gallen auf mich zugekommen ist. Da ging es zu Beginn der Gespräche nur um Menschliches. Fussball kam erst an zweiter Stelle. Das hat mich beeindruckt, weshalb ich alle anderen Offerten beiseitelegte.
Wer hat diese Gespräche geführt?
Sportchef Roger Stilz. Wir hatten einen intensiven Austausch über das Leben, Menschen, Werte. Ich denke, wir haben da ganz ähnliche Ansichten. Über Fussball mussten wir nicht lange reden, ich kannte ja den FC St. Gallen in- und auswendig. Und ich mag ihn. Die Fans. Die Art und Weise zu spielen. Und ich habe nur gegen Lugano öfters getroffen (schmunzelt).
Die Ambiance im Kybunpark ist auch speziell.
In diesem Stadion gibt es etwas Verrücktes! Wenn das Heimteam hier ein Tor macht, muss man immer befürchten, gleich ein zweites zu kriegen. Man kann sich nie in Sicherheit wiegen. Die Fans pushen dich pausenlos.
Ist da sogar ein Unterschied zum Wankdorf?
Ja. Denn das Stadion ist schon fast voll, wenn man sich warm macht. Auch in Bern treibt dich nicht das ganze Stadion pausenlos voran. Diese Ambiance in St. Gallen elektrifiziert dich, gibt dir Energie, macht Druck. Als Gast hatte ich oft den Eindruck, man spielt mit elf gegen vierzehn …
Wie verrückt hat Sie dieses 112. Tor gemacht, das alleinige Rekordtor, wofür Sie in St. Gallen ziemlich sicher noch genau eine Chance haben: am Donnerstag in Zürich gegen GC?
Ich habe ja immerhin zu Marco Streller aufschliessen können, bin mit 111 Toren auf gleicher Höhe wie er. Ich bin also Co-Rekordhalter… Zuerst, als alle ein grosses Tamtam um dieses Tor machten, beschäftigte es mich auch, dass es mir einfach nicht gelang. Nicht mal mit einem Penalty. Aber es wurde nie zu einer Obsession. Es war einfach eine Etappe, die ich hinter mich bringen wollte. Doch dann habe ich mich verletzt. Und irgendwann habe ich mir gesagt: Ist doch egal. Ich habe ohnehin grosse Geschichte in der Schweiz geschrieben. Und die bleibt.
Sie sind hier eine Legende, ganz klar.
Kann man das so sagen? Okay, dann bin ich eine Legende. Und noch habe ich ja eine Chance. Am Donnerstag in Zürich gegen GC. Vielleicht neunzig Minuten. Wohl eher zwanzig. (lacht)
Sie sind nun schon ein Weilchen wieder fit. Doch Sie kommen nur zu Kurzeinsätzen. Es beginnt immer Willem Geubbels. Egal, ob er performt oder nicht.
Natürlich würde ich liebend gerne mehr spielen. Aber ich weiss auch, wie das ist am Saisonende. Da sind die Spiele oft bizarr. Mehr Schaufenster als sonst.
Sie meinen, weil St. Gallen Geubbels verkaufen will und jedes Tor den Preis ein bisschen erhöhen kann?
Wie gesagt: Ich weiss, wie das läuft. Aber ich habe kein Problem damit. Ich verstehe diese Strategie voll und ganz.
Zwei Tore haben Sie in St. Gallen gemacht. Das ist nicht eben beeindruckend. In Italien herrschte sogar totale Dürre: null Tore bei Venezia, null Tore bei Como. Und auch nur zwei unwichtige gegen inferiore Gegner bei Legia …
Klar. Aber bei Como und Legia gabs Gründe, die ausserhalb des Spielfeldes lagen. Und die kann ich nicht bekämpfen. Weshalb ich auch kein Urteil fällen kann über das letzte Jahr.
Sie sind ausgeliehen. Sollte St. Gallen die Kaufoption nicht einlösen, gehts offenbar nicht zurück nach Como, sondern zu Legia.
Ich gehöre nicht mehr Como. Doch das weiss kaum jemand. Selbst auf Transfermarkt stehts falsch. Mein Transfer zu Legia Warschau war eine Leihe mit Kaufverpflichtung. Diese wurde mit dem Erreichen des ersten Punktes aktiviert. Also gehörte ich ab dem ersten nicht verlorenen Spiel in der polnischen Ekstraklasa im August Legia.
Jean-Pierre Nsame (32), stammt gebürtig aus Kamerun und zieht später mit seinem Vater nach Frankreich, weshalb er auch den französischen Pass besitzt. 2016 wechselt der Stürmer von seinem Stammklub Angers zum damaligen Challenge-Ligisten Servette. Ein Jahr später gehts zu YB, wo er sechsmal Meister, zweimal Cupsieger und dreimal Torschützenkönig wird. Im Januar 2024 wechselt er zu Como in die Serie B, ein halbes Jahr später zu Legia Warschau sowie Anfang 2025 leihweise nach St. Gallen. Mit 111 Toren ist er zusammen mit Marco Streller Toptorjäger der Super League. Für Kamerun machte er vier Länderspiele.
Jean-Pierre Nsame (32), stammt gebürtig aus Kamerun und zieht später mit seinem Vater nach Frankreich, weshalb er auch den französischen Pass besitzt. 2016 wechselt der Stürmer von seinem Stammklub Angers zum damaligen Challenge-Ligisten Servette. Ein Jahr später gehts zu YB, wo er sechsmal Meister, zweimal Cupsieger und dreimal Torschützenkönig wird. Im Januar 2024 wechselt er zu Como in die Serie B, ein halbes Jahr später zu Legia Warschau sowie Anfang 2025 leihweise nach St. Gallen. Mit 111 Toren ist er zusammen mit Marco Streller Toptorjäger der Super League. Für Kamerun machte er vier Länderspiele.
Apropos Rückkehr: Wie haben Sie jene ins Wankdorf Ende März erlebt? Dort sind Sie eine Legende, ohne Wenn und Aber.
Das war cool. Auch wenn wir verloren haben. Ich hatte keine negativen Gefühle, mich dort auf Teufel komm raus beweisen zu müssen. Ich hoffte einfach, Geschichte schreiben zu können und nach zwanzig Jahren endlich dort zu gewinnen. Das klappte nicht. Aber ich habe viele Menschen wiedergesehen, mit denen ich schöne Erinnerungen teile. Und nach dem Spiel wars natürlich gewaltig.
Wie lief das denn ab?
Nun, Ali Camara kam zu mir und sagte mir ins Ohr: «Komm und grüsse deine Fans. Du weisst, wie die dich mögen.» Auch Filip Ugrinic hat mich gesucht. Und als dann die Fans meinen Namen skandierten und mich ehrten – das war herzerwärmend. Aber ich hatte daran nie Zweifel. Die Fans wissen genau, dass ich ihnen und dem Team gegenüber immer aufrecht war. Und ich hoffe, dass das in ihrem Gedächtnis eingraviert bleibt. So, wie es in den Geschichtsbüchern ist.
Sie haben also befleissigt, was Guillaume Hoarau im Blick gesagt hat: Gehe mit positiven Gefühlen ins Spiel.
Genau das hatte ich von Beginn weg vor. Ich bereue ja überhaupt nichts aus meiner Berner Zeit. Es ist wie ein Nach-Hause-Kommen, wenn ich nach Bern gehen.
Apropos Hoarau: Haben Sie noch Kontakt mit ihm?
Nein. Ich verfolge, was er macht. Dass er an Muskeln zugelegt hat (lacht). Dass er viel TV-Präsenz in Frankreich hat. Aber nein, wir haben keinen regelmässigen Kontakt.
Sie bereuen also nichts von dem, was Sie über die YB-Führung nach ihrem Weggang gesagt haben?
Nein. Nein. Ich hege ja keinen Groll. Rachegelüste sind mir fremd. Ich musste bei meiner Rückkehr nach Bern auch nichts beweisen. Die Zahlen und die Pokale sprechen ja für sich. Bei meinem Unmut, den ich geäussert habe, ging es nur um das Ende meiner Geschichte in Bern. Um das letzte Jahr. Seit meiner Rückkehr aus Venedig lag einiges seit längerer Zeit in der Luft. Aber niemand wollte etwas sagen. Es war ein Eiertanz. Ich habe dann eine Selbstanalyse vorgenommen, bevor ich an die Öffentlichkeit ging. Um sicher zu sein, dass ich für mich recht hatte. So habe ich die Dinge dargelegt, wie sie sich aus meiner Warte ereignet haben. Christoph Spycher hat dann darauf geantwortet und seine Sichtweise offenbart. Jeder ist da frei, seine Position aufzuzeigen.
Wie gehts der Familie?
Nun, meine Tochter aus erster Ehe ist zehnjährig und lebt bei ihrer Mutter in der Nähe von Paris. Meine zweite ist 23 Monate jung und hält meine Frau und mich auf Trab. Es ist genial, sie täglich bei sich zu haben, sie aufwachsen zu sehen. Sie liebt Fussball! Ich weiss nicht, ob das Good News für mich sind …
Mit nicht mal zwei Jahren?
Ja. Jedes Mal, wenn wir an einem Fussballplatz vorbeigehen, denkt sie, ich spiele jetzt dort. Dasselbe, wenn Fussball im TV läuft. Sie assoziiert mich damit. Aber sie entdeckt mich dann schon auf dem Feld, wenn ich wirklich spiele. Und sie macht Stimmung auf der Tribüne! Ich bin ein glücklicher und erfüllter Vater.
Der wo lebt?
In Arbon. Am Bodensee. Meine Frau wollte unbedingt dorthin. Solche Dinge entscheidet sie. Ist auch okay, denn sie hat einen guten Geschmack.
Und jetzt steht wieder nur ein halbes Jahr später wohl der nächste Umzug an. Zurück nach Warschau.
Sieht so aus. Aber zuerst gehts in die Ferien.
Wohin?
Nach Sardinien. Auch das entscheidet meine Frau. Ich freue mich.
Freuen Sie sich auch auf Warschau?
Und wie! Warschau ist eine überragende Stadt. Es hat viele Museen, viele Grünzonen. Auch für die Familie ist es top. Und es ist eine Stadt mit einer Geschichte, die von viel Resilienz erzählt. Gerade mit der Zerstörung im Zweiten Weltkrieg. Das ist ein Wert, der auch mir wichtig ist. Also teile ich ihn mit dieser Stadt. Auch deshalb, denke ich, habe ich mich dort sehr wohlgefühlt und habe viel Zuneigung für Warschau.
Sie freuen sich auch auf Legia?
Klar. Mit den Klubverantwortlichen verstehe ich mich sehr gut. Auch mit dem neuen Sportchef. Sie erkundigen sich immer wieder nach mir. Ich war zu kurz dort, um Spuren zu hinterlassen. Das will ich ändern. Ich will es dem Klub, den Fans und mir selber beweisen, dass ich es noch draufhabe. Meine Geschichte mit Legia hat den Geruch von etwas Unvollendetem. Und ich mag Unvollendetes nicht.
Mannschaft | SP | TD | PT | ||
---|---|---|---|---|---|
1 | FC Basel | 37 | 44 | 70 | |
2 | Servette FC | 37 | 9 | 62 | |
3 | BSC Young Boys | 37 | 11 | 60 | |
4 | FC Lugano | 37 | -3 | 53 | |
5 | FC Lausanne-Sport | 37 | 8 | 52 | |
6 | FC Luzern | 37 | 6 | 52 |
Mannschaft | SP | TD | PT | ||
---|---|---|---|---|---|
1 | FC Zürich | 37 | 0 | 53 | |
2 | FC St. Gallen | 37 | 1 | 52 | |
3 | FC Sion | 37 | -8 | 44 | |
4 | FC Winterthur | 37 | -27 | 37 | |
5 | Grasshopper Club Zürich | 37 | -12 | 36 | |
6 | Yverdon Sport FC | 37 | -29 | 36 |