Xhaka sorgt auf Fussballplatz im Baselbiet für Aufruhr
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«Manchmal muss man den Mund halten und arbeiten!»
Nati-Captain Xhaka über Sunderland, die WM-Quali und Okafor

Granit Xhaka greift mit der Schweiz nach dem vierten WM-Ticket seiner Karriere. Im Blick spricht der Captain über grandiose Sunderland-Wochen und streift das Thema Okafor: «Noah könnte in Zukunft eine Rolle spielen, wenn er gewisse Dinge besser in den Griff bekommt.»
Publiziert: 00:00 Uhr
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«Es geht immer wieder darum, dass es zwei Arten gibt, wie man verteidigt: weil man es muss oder weil man es liebt. Wir lieben das Verteidigen. Das ist der Unterschied!», sagt Granit Xhaka über den wundersamen Weg Sunderlands in die Top 4 der Premier League.
Foto: STEFAN BOHRER

Darum gehts

  • Granit Xhaka spricht über den wundersamen Weg Sunderlands
  • Xhaka betont die Bedeutung des Zusammenhalts im Schweizer Nationalteam
  • Der Captain hat eine klare Meinung zur Personalie Okafor
Die künstliche Intelligenz von Blick lernt noch und macht vielleicht Fehler.

Keine 24 Stunden nach dem hochklassigen Top-Spiel gegen Arsenal (2:2) empfängt der Captain von Sunderland und der SFV-Auswahl Blick im Family-Office in einem Basler Vorort zum Gespräch. Sein Bruder Taulant ist da, Freunde aus der Region sagen Hallo, Süssigkeiten werden gereicht. Die Ambiance ist locker, der Schweizer Superstar fühlt sich wohl. «Hier komme ich zur Ruhe, hier fokussiere ich mich wieder.»

Blick: Granit Xhaka, Sunderland gehört zu den Top 4! Es gibt Experten, die Ihren Wechsel vom Bundesliga-Zweiten Leverkusen zum Premier-League-Aufsteiger sehr kritisch gesehen haben.
Xhaka: Alle Entscheide meiner Karriere habe ich gut abgewägt und gut überlegt. Ich habe mir immer sehr viele Gedanken gemacht. Was könnte positiv sein, was könnte etwas negativer sein – was ist zu erwarten, gibt es etwas, das ich in dieser Form noch nie erlebt habe?

Sie sagten uns im ersten Interview nach der Unterschrift in Sunderland folgenden Satz: «Es ist für mich wichtig, auch mal Momente des Leidens, der Solidarisierung zu erleben.»
Dieses Wort habe ich verwendet, weil der Aufsteiger in den letzten sechs, sieben Jahren immer gelitten hat. Wir leiden auch jetzt auf dem Platz. Es macht Spass, für die Ergebnisse zu leiden. Ich halte vor den meisten Spielen mit Sunderland eine kleine Ansprache. Es geht immer wieder darum, dass es zwei Arten gibt, wie man verteidigt: weil man es muss oder weil man es liebt. Wir lieben das Verteidigen. Das ist der Unterschied! Darum haben wir eine gesunde Stabilität, eine aussergewöhnliche Balance. Es gibt sehr wenige Teams, die gegen uns Chancen kreieren.

Aussergewöhnlich sind auch die Fans, stimmen Sie zu?
Auswärts gegen Chelsea hörte man nur sie. Das sind richtige Fans, keine Touristen. Sie sind nicht zufällig in der Stadt, Sunderland ist ihr Leben! Ob sie 80-jährig sind oder fünfjährig, sie wissen, weshalb sie im Stadion sind. Sie supporten uns seit dem ersten Spieltag mit einer Wucht, die unbeschreiblich ist.

Sunderland und Granit Xhaka – eine Verbindung, die zu 100 Prozent passt.
Ich kam als grosser Name, die Erwartungen waren riesig, auch meine eigenen. Es war die grösste Challenge meiner Karriere, nicht nur meinetwegen, sondern auch wegen meiner Familie. Jede Minute hier hat sich bisher gelohnt. Das sage ich nicht nur, weil es jetzt so gut läuft. Mir passt die Umgebung, die Menschen sprechen mich an, das Familiäre in diesem Verein, den ich vorher nur von aussen gesehen habe. Schon beim ersten Schritt in die Kabine wusste ich: eine gute Wahl. Wenn du dich so wohlfühlst, gibst du sogar drei, vier Prozente oben drauf. Für das Shirt, für die anderen Spieler, für den Klub.

Der irische TV-Analyst und Ex-Spieler Tony Cascarino hat Sie mit dem früheren französischen Mittelfeld-Strategen Didier Deschamps verglichen. Mitspieler Enzo Le Fée spricht in Ihrem Zusammenhang vom besten Captain seiner Laufbahn.
Das sind schöne Worte und grosse Vergleiche. Es macht mich stolz, wenn Leute mit viel Erfahrung so über mich sprechen und Mitspieler, die mich von neun Uhr bis am Nachmittag in der Garderobe erleben. Jeden Tag, auf und neben dem Platz, im Gym, beim Essen, einfach immer – jene, welche die Realität kennen und mich nicht aufgrund einer einzigen Momentaufnahme aus einem Spiel beurteilen.

Nun geht es um jenes Ticket, das Sie unbedingt wollen. Das WM-Turnier 2026 haben Sie selber immer wieder in den Fokus gerückt.
Remo (Freuler), Ricci (Rodriguez) und ich sind in einem Alter, in dem wir vielleicht die letzte WM spielen können. Ob wir 2030 körperlich noch mithalten könnten, dahinter steht ein riesiges Fragezeichen. Nur schon deshalb will ich das WM-Ticket unbedingt!

Die Schweiz hat sich nach einer Schwächeperiode im Herbst 2024 massiv gesteigert. Wo orten Sie den Grund?
Ich habe die Mannschaft vor dem WM-Quali-Start daran erinnert, was uns immer ausgezeichnet hat: der Zusammenhalt! Es gab eine Phase, in der wir dieses Gesicht nicht mehr zeigten. Mir fehlte rund um die Nati das Zwingende; es war zu einfach, ins Team zu kommen. Ich habe nicht vergessen, wie sehr ich mir meinen Platz als Jungspund verdienen musste. Es war ein Kommen und Gehen; man probierte nach den Rücktritten von Shaq, Sommer und Schär etwas, dagegen ist nichts einzuwenden. Aber irgendwann mussten wir und ich mir als Captain die Frage stellen: was und wie jetzt? Wo ist die Schweiz, die wir alle kennen?

Und dann kam der Traumstart gegen Kosovo (4:0) und Slowenien (3:0).
Wir haben den Schalter kippen können – und viele haben unterschätzt, dass wir wieder zur alten EM-Form finden würden. Kein Gegentor nach vier Spielen, zehn Punkte, ungeschlagen. Und am Samstag können und wollen wir gegen Schweden den Sack zumachen.

Wie sehr fliesst ein, dass bei den Schweden neu der Ex-Premier-League-Mann Graham Potter an der Seitenlinie steht?
Er hat weniger Zeit als bei einem Verein. Ob er es schafft, das Team innerhalb von sechs Tagen neu auszurichten? Für uns spielt aber nur eine Rolle, wie wir spielen. Wenn wir unser Potenzial auf den Platz bringen, sind wir schwer zu schlagen – egal welcher Trainer auf der anderen Seite steht.

Beim zweiten Gegner gibt es beidseits viele Geschichten und Verbindungen. Mit Leon Avdullahu und Albian Hajdari stehen beim Kosovo zwei Schweizer Ex-Junioren auf dem Platz. Tut ihr SFV-Abgang weh?
Spieler mit ihrer Qualität will man definitiv nicht abgeben. Aus ihrer Sicht geht es darum, den eigenen Status einschätzen zu können. Hätten sie es geschafft, sich innerhalb von drei, vier Jahren einen Stammplatz in der Schweizer Nati zu erkämpfen? Da würde ich ein Fragezeichen machen, wenn man sieht, wer bei uns aktuell nicht spielt, aber schon weiter ist in der Karriere. Ardon Jashari ist seit drei Jahren bei uns dabei und kommt auf vier Spiele. Ist Leon weiter als Ardon? Ich glaube es nicht. Aber er ist ein guter Junge, sonst würde er nicht jedes Spiel für Hoffenheim machen. Vielleicht fehlte ihm etwas die Geduld im Zusammenhang mit der Schweiz. Aber letztlich ist es ihr Entscheid für den Kosovo, der inzwischen auf einem sehr guten Niveau spielt.

Es könnte ausgerechnet gegen Avdullahu und Co. zu einem Endspiel kommen. Haben Sie dieses Szenario im Kopf?
Wenn wir den Job gegen Schweden machen, kommt es nicht dazu. Und falls wir doch ein Final-Spiel haben in Pristina, dann ist es so, dann nehmen wir die Situation an. Wir treten dort nicht zum ersten Mal an.

Ihr langjähriger Mittelfeld-Partner Remo Freuler steht verletzungsbedingt nicht zur Verfügung. Welches Profil benötigt sein Stellvertreter?
Remo ist ein extrem wichtiger Spieler. Er arbeitet in der Box, er arbeitet in der Defensive, er spielt einen ganz einfachen Fussball und hält vielen anderen Spielern den Rücken frei. Das zu kompensieren, wird keine einfache Aufgabe. Ich bin gespannt, für wen sich Muri entscheiden wird.

Leeds-Stürmer Noah Okafor beklagte sich öffentlich über die Funkstille zwischen ihm, Coach Murat Yakin und Nati-Direktor Pierluigi Tami. Kommt seine Kritik gut an?
Ich hatte schon vor seinem Interview ein Telefonat mit Noah. Selbstverständlich ging es dabei auch um das Nationalteam. Es ist schwierig, mich zu diesem Thema überhaupt zu äussern, ohne alle Details zu kennen. Er bekam Chancen an der EM und WM. Ich meinerseits würde mich ganz realistisch mit der Lage auseinandersetzen: Weshalb schaffe ich es nicht? Weshalb gehöre ich nicht zum Aufgebot?

Er wirft dem Verband vor, den Kontakt nahezu abgebrochen zu haben.
Das weiss ich nicht. Ich sage nur, dass ich es gut finde, den Kontakt weiterhin zu pflegen. Noah hat ein grosses Potenzial, das er in den letzten Jahren zu selten gezeigt hat. Jetzt bei Leeds kommt er besser zur Geltung. Die Liga passt zu ihm. Es gibt nun halt auch andere, die noch mehr aufgefallen sind. Dan Ndoye beispielsweise hat einen brutalen Sprung gemacht in Nottingham. Stand heute ist er unverzichtbar in der Nati! Ein Vargas ist enorm wichtig, er trifft und spielt in Sevilla, hat Assists. Die Zahlen sprechen aktuell für sie. Trotzdem könnte Noah in Zukunft eine Rolle spielen, wenn er gewisse Dinge besser in den Griff bekommt. Manchmal muss man auf den Boden blicken, den Mund halten und arbeiten. Das gilt für alle – auch für mich. Am Ende redet man mit Leistung auf dem Rasen! Ich bin auch deshalb noch einmal in die Premier League zurückgekehrt, weil ich jahrelang hart gearbeitet habe und hungrig bin, um bereit zu sein für die Duelle mit den Weltbesten.

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