Darum gehts
- Verkauf von 1860 München geplatzt, beim Verein herrscht weiterhin Chaos
- Angebliche Schweizer Familienholding entpuppt sich als unbekannte Briefkastenfirma in Genf
- Firma wurde 2018 gegründet und änderte nach sechs Monaten ihren Geschäftszweck
Anfang Juli verabschiedet sich der höchst umstrittene jordanische Besitzer Hasan Ismaik offiziell vom deutschen Drittligisten 1860 München. Er habe einen hoch angesehenen und erfolgreichen Partner für 1860 München gewonnen und sei nun bereit, das «Staffelholz an jemanden zu übergeben, der dem Verein helfen kann». Eine Schweizer Familienholding sei es – die Fans feiern, die deutschen Medien rätseln über den Namen des Nachfolgers. Schliesslich wird berichtet, Wahlschweizer Matthias Thoma, der 2020 als Sponsor ein Schweizer Radsportteam in die Krise stürzte, sei der neue Geldgeber.
Oder etwa doch nicht? Ismaik durchkreuzt die Partypläne der Löwen-Fans, macht eine Rolle rückwärts, will nun plötzlich doch nicht verkaufen. Der Deal platzt, Thoma soll kein Geld überwiesen haben. «Ich wäre nicht der Käufer gewesen, sondern habe nur für den vorgesehenen Käufer gesprochen», erklärt Thoma am Dienstag dann selbst – und stellt auch den Grund für den geplatzten Deal auf den Kopf. Beim Notartermin Anfang Juli in Frankfurt sind weder Käufer- noch Verkäuferseite zugegen, berichtet die «Süddeutsche Zeitung», sondern nur Anwälte mit Vollmachten.
Und obwohl Ismaik weiterhin nicht weiss, wer seine Anteile übernehmen soll, spricht er öffentlich von einem vertrauenswürdigen Nachfolger. Was wiederum bei Thoma selbst für Misstrauen sorgt – und ihn schliesslich vom Kauf abbringt. Zum genauen Grund will er sich aber nicht äussern, es sei eine «schwebende Geschichte». Ismaik prügelt derweil öffentlich auf den ehemaligen 1860-Vizepräsidenten ein, der den Kauf vergeigt haben soll.
Britin sitzt einstigem Essenslieferdienst vor
Zurück zur «Familienholding» , die es so offenbar aber gar nicht gibt. Laut der «Süddeutschen Zeitung» handelt es sich vielmehr um die völlig unbekannte Helvetic Corporate Finance SA mit Sitz in Genf. Die deutsche Zeitung hat sich in der Calvin-Stadt auf die Suche gemacht – und ist dort nur halbwegs fündig geworden. Denn: Im Genfer Vorort Meyrin, wo die Firma nun offiziell angemeldet ist, existiert lediglich eine Briefkastenfirma. Bei dieser kann man sich ab 59.95 Franken pro Monat anmelden lassen.
Ein Blick ins System Zefix zeigt: Die Firma wurde im Jahr 2018 als Start-up gegründet, sollte den hiesigen Lieferdiensten Konkurrenz machen. Nur ein halbes Jahr darauf wurde der Geschäftszweck bereits geändert. «Erbringung von Dienstleistungen im Handels- und Finanzbereich, Beratung bei Unternehmensverkäufen und -übernahmen, Unterstützung bei der Finanzierung von Unternehmen, Verwaltung von Beteiligungen», heisst es. Immer wieder wechseln Adressen und Besitzer. Heute ist die einzige zeichnungsberechtigte Person eine Britin, von einer «Familienholding» fehlt jede Spur.
Die Vorfreude auf den Saisonstart war in München-Giesing so gross wie seit eineinhalb Jahrzehnten nicht mehr. Daraus wird nichts – ebenso wenig wie aus dem Kauf. Dafür ist fix, was sich seit 14 Jahren durchzieht: Bei den Löwen herrscht Chaos pur.