Blick nimmt die Schauplätze und Brennpunkte der beiden Zürcher Super-League-Städte unter die Lupe. Auf tiefem Niveau kommt viel Fussball-Kultur zusammen: Drei komplett verschieden aufgestellte Organisationen, die in besseren Zeiten 43 Meister-Trophäen gewonnen haben, sind auf die Ränge 10, 11 und 12 abgedriftet.
Challenge-League-Vibes und Ajax-Fussball
Die Ursachenforschung beginnt beim FC Zürich im innersten Führungszirkel. Der Verein hat sich vor rund zwei Jahren zu einem radikalen House-Cleaning entschlossen – aus freien Stücken notabene. Orchestriert wird der Totalumbau von Milos Malenovic. Der Sportchef agiert dabei mit einer präsidialen Blanko-Vollmacht und im Stil eines Head of FCZ. Sein Tempo ist beeindruckend, seine Ideen sind wild bis chaotisch, seine Konsequenz wirkt brachial. Sein aktuell grösstes Problem: In der Super League steht eine zerrüttete Equipe auf dem Feld, die einen mehrheitlich konfusen Eindruck macht.
Mehrere Trainer-Wunschlösungen sind dabei gescheitert, die Vision der Vereinsleitung umzusetzen. Der Traum vom totalen Ajax-Fussball führte direkt in den totalen Schlamassel. Die Performance-Kurve zeigt steil in die falsche Richtung, der Punkteschnitt tendiert gegen 1. Präsident Ancillo Canepa hält am radikalen Kurs seines leitenden Angestellten Milos Malenovic fest: «Wer unser Tempo nicht mitgehen will oder kann, ist fehl am Platz. So einfach ist das.» Von einem toxischen Betriebsklima will der Klubchef nichts wissen; aus der Garderobe seien diametral andere Signale zu vernehmen. Malenovic schweigt, sein Vertrauter und Sparring-Coach Dennis Hediger wähnt sich auf dem richtigen Weg. Wer sich bei der Chef-Etage umhört, kommt zum Schluss: «Das Spielglück fehlt, den Rest bekommen wir in den Griff. Wo ist das Problem?» 2016 hielt sich der FCZ ebenfalls für zu gut für einen Totalabsturz und verschwand in der Challenge League.
Der Leuchtturm und ein doppelter Orkan
0:5 und chancenlos in St. Gallen, acht Tage später wiederholt sich das GC-Debakel: ein 0:6 in Luzern. Vorgeführt, blossgestellt, degradiert, ausgepresst. Und was passiert? Nichts. Kein Aufschrei, kein verbaler Blitzeinschlag. Die Hoppers verdauen die schweren Rückschläge im Stillen, im Umfeld breitet sich eine seltsame Gleichgültigkeit aus, das Adrenalin ist entwichen. Die neue Sachlichkeit fällt auf, Coach Gerald Scheiblehner moderiert: Er hat mit über 250 Spielen in Steyr und Linz umfangreiche Erfahrungen mit Schwankungen und Mittelmass. Wie er die beiden monströsen Ohrfeigen öffentlich entschärft, ist imponierend.
Aber der Wind kann trotz der Scheiblehner-Kommunikation scharf drehen und bei einem weiteren Fehltritt in Winterthur doppelte Orkanstärke erreichen. Das im Schnitt 20-jährige Mittelfeld ist so instabil wie die Vereinsphilosophie der letzten 20 Jahre. Der Coach spricht unverdrossen von einer «guten Energie im Klub». Wer vermittelt diesen Eindruck? Alain Sutter, der klubeigene Leuchtturm? «Ich habe mir abgewöhnt, Erwartungen zu haben im Leben – sonst sind die Enttäuschungen immer inbegriffen», sagt der mächtige Sportchef vor der Saison zu Blick. Klingt nicht nach Aufbruch, sondern so, wie die Italo-Teenager durch die Super League irren: hilflos. Hochgradig riskant ist Sutters Linie, aber aus finanziellen Gründen alternativlos. Möglich ist unter diesen Umständen alles: der direkte Abstieg und ein Ausstieg der US-Geldgeber, die dritte Barrage in Folge oder eine Stabilisierung am unteren Rand der Top 10.
Sparkurs und ein Hoffnungsträger
Der FC Winterthur fühlt sich an wie ein Fussball-KMU. Auf der Schützenwiese steht nicht nur in der gemütlichen Libero-Bar die Zeit still. Knapp 8000 Zuschauer füllen das Stadion Abend für Abend. Dann und wann fällt der Stromgenerator aus, im Theoriesaal für das Team arbeiten am Spieltag Journalisten. Die Infrastruktur ist aus der Zeit gefallen, der Platz ist knapp, überall wird improvisiert. Auch bei der Kaderzusammenstellung. Der von der Besitzer-Familie verordnete Sparkurs hat den Fall an das Ende des Rankings im ersten Jahr nach der wundersamen Rettung beschleunigt.
Einer glaubt trotzdem noch an das Gute beim FCW: Rückkehrer Patrick Rahmen. Enge Mitarbeiter sagen über ihn: zuverlässig, ehrlich, zu 100 Prozent loyal – und selbstbewusst genug, die Rolle des Hoffnungsträgers authentisch zu spielen: «Ich bin überzeugt davon, dass wir es schaffen können.» Seine Verpflichtung ist für den klammen Super-League-Aussenseiter ein Segen. In der aktuellen Zürcher Form-Tabelle ist der FCW höher als die Konkurrenz aus der Stadt Zürich einzuschätzen.



