Es ist der grosse Aufreger beim Kanada-GP am Sonntag: Lando Norris und Oscar Piastri kommen sich kurz vor Rennende auf der Strecke in die Quere. «Wir alle hier im Zirkus wissen doch, dass es zwischen unseren Fahrern einmal krachen wird», prophezeit der US-amerikanische McLaren-CEO Zak Brown (53) bereits beim Spanien-GP in Barcelona. «Aber niemand weiss, wo es passiert.» Jetzt haben wir die Antwort.
In Montréal bleiben nach dem teaminternen Unfall der grosse Aufschrei, die gegenseitigen Schuldzuweisungen und mögliche Spaltungen im Team aus – sind wir hier wirklich noch in der Formel 1, wo ständig die Emotionen hochkochen?
Mit seinen ersten Worten am Funk nach dem Crash nimmt Norris umgehend jeglicher Brisanz den Wind aus den Segeln: «Sorry – mein Fehler. Das war dumm von mir.» Während der Brite mit seinem unüberlegten Manöver und dem dadurch resultierenden Ausfall zehn WM-Punkte fahrlässig wegwirft, bringt Piastri Rang vier ins Ziel.
«Ich dachte, Oscar lenkt nach rechts, also gabs die Möglichkeit, nach links zu ziehen. Aber ja: Das Risiko war viel zu gross, vor allem auch für meinen Teamkollegen. Zum Glück ist ihm nichts passiert. Ich habe das Team im Stich gelassen, das werde ich nicht so schnell vergessen. Wenn ich mich selber zum Narren mache, dann bereue ich das sehr.» Norris' Rückstand auf den WM-Führenden aus Australien beträgt neu 22 Punkte.
Norris unterbricht Piastris TV-Interview
Der 25-jährige Vize-Weltmeister von 2024 begibt sich nach seinem Ausfall umgehend zu Teamchef Andrea Stella, um sich zu entschuldigen. Später unterbricht er ein TV-Interview, um sich bei Piastri zu melden und ihm die Hand zu reichen. Ein Sorry, das beim 24-Jährigen Eindruck hinterlässt: «Lando hat sich bei mir entschuldigt, das sagt wohl einiges aus. Lando ist ein sehr guter Kerl. Ich denke, es liegt in seinem Charakter und in seiner Persönlichkeit, immer genau das zu sagen, was er denkt. Wenn das für ihn selbst von Nachteil ist, spielt das für ihn keine Rolle. Das ist eine grossartige Eigenschaft von Lando.»
Vor dem Kanada-GP spürt auch Norris: «Irgendwann wird etwas passieren. Darauf müssen wir vorbereitet sein! Gut möglich, dass sich dann an unserem Verhältnis etwas ändert.» Die Realität? Keine Eskalation. Kein Drama. Dafür ist man beim Team-WM-Leader (175 Punkte vor Mercedes) auf Kuschelkurs.
Teamchef Stella nennt das Geschehene in Montréal zwar einen «nicht akzeptablen» Vorfall, dennoch lobt auch der 54-jährige Italiener: «Wir wissen es zu schätzen, dass sich Lando umgehend entschuldigt hat. Wir schätzen sein Verhalten nach dem Unfall.»
Man stelle sich vor: Bei McLaren kämpfen zwei Teamkollegen verbissen um die WM-Krone. Es kommt zum Crash. Und weiterhin herrscht intern heile Welt. Da ist sich der Formel-1-Fan ganz anderes von McLaren gewöhnt. Stichwort: Alain Prost (heute 70) und Ayrton Senna (†34).
Die Feindschaft zwischen Prost und Senna
1988 und 1989 bilden der Franzose und der Brasilianer beim Traditionsrennstall aus Grossbritannien ein Fahrer-Duo, weil ausgerechnet Prost dem damaligen McLaren-Boss Ron Dennis (heute 78) geraten hat, Senna ins Team zu holen. Zwischen den beiden bricht eine offene Feindschaft aus, mit dem Höhepunkt beim Japan-GP vom 22. Oktober 1989.
In Suzuka lockt Prost damals WM-Titelverteidiger Senna in die Crash-Falle. Senna gewinnt zwar das Rennen, dieser Sieg wird ihm später von der FIA am grünen Tisch jedoch wieder aberkannt. Der grosse Profiteur? Prost, der in jenem Jahr Weltmeister wird. Am 1. Mai 1994 verunglückt Senna beim San-Marino-GP tödlich. Wenigen Stunden zuvor kommts zwischen den Streithähnen in Imola zur Versöhnung.