Blick: Das war ja ein Wochenende. Zweimal Zweiter, total 25 Punkte – und nur Stroll und Verstappen waren jünger, als sie erstmals aus der ersten Startreihe losfuhren.
Kimi Antonelli: Danke, das hat wirklich Spass gemacht. Diesmal musste ich auch mal meine Ellbogen ausfahren. Vielleicht sollten wir bald wieder ein Interview machen. Es hat mir ja Glück gebracht.
Räumen wir zuerst mal mit dem Märchen auf, dass Ihr zweiter Vorname Kimi mit dem Finnen Kimi Räikkönen zusammenhängt.
Genau. Bei der Geburt schlug ein Freund der Familie vor, dass Kimi nach Andrea gut zu Antonelli passt. Jetzt lebe ich gut damit, und kaum mehr einer nennt mich Andrea.
Andrea Kimi Antonelli wurde am 25. August 2006 in Bologna geboren. Mit sieben sass er im Kart, 2020 und 2021 wurde er Kart-Europameister. Dann fuhr er in verschiedenen Formel-4-Meisterschaften mit. 2024 ging es direkt in die Formel 2: Gesamtsechster, Meister wurde Bortoleto. Den Führerschein machte er in San Marino: «Deshalb darf ich jedes Auto fahren, das ich will. Ich muss mich auch nicht an das spezielle Tempolimit in Italien halten.» Die ersten drei Jahre gelten 100 km/h als Regel. Kimi: «Egal, für mich ist die Autobahn keine Piste.»
Andrea Kimi Antonelli wurde am 25. August 2006 in Bologna geboren. Mit sieben sass er im Kart, 2020 und 2021 wurde er Kart-Europameister. Dann fuhr er in verschiedenen Formel-4-Meisterschaften mit. 2024 ging es direkt in die Formel 2: Gesamtsechster, Meister wurde Bortoleto. Den Führerschein machte er in San Marino: «Deshalb darf ich jedes Auto fahren, das ich will. Ich muss mich auch nicht an das spezielle Tempolimit in Italien halten.» Die ersten drei Jahre gelten 100 km/h als Regel. Kimi: «Egal, für mich ist die Autobahn keine Piste.»
Kimi Räikkönen, 2007 der letzte Weltmeister auf Ferrari, ist also nicht Ihr Vorbild?
Nein, ich war damals ein Jahr alt. Mein Vorbild hat nur einen Namen: Ayrton Senna. Als ich die ersten Bilder und Videos des Brasilianers sah, war klar: Ich will so wie Ayrton werden. Deshalb bin ich schon früher in den Kart-Zeiten mit der Nummer 12 gefahren. Damit hat Ayrton 1985 in Portugal auf Lotus-Renault seinen ersten Grand Prix gewonnen, und er wurde mit der Nummer 12 im Jahr 1988 auf McLaren erstmals Weltmeister.
Ihre Formel-1-Ziele scheinen also vorgezeichnet.
(Lacht.) Will nicht jeder mal Weltmeister werden? Dafür hat mich Mercedes unter Vertrag genommen.
Bis jetzt gleicht Ihre erste Saison oft einer Berg-und-Tal-Fahrt. Wie würden Sie 2025 auf einer Skala von 1 bis 10 bewerten?
Eine schwierige Frage. Bis zu meinem ersten Podestplatz in Montreal würde ich mir eine 8 geben, vielleicht eine 8,5. Und dann kamen noch sechs Europa-Rennen dazu. Da tauchte ich auf eine 5 oder 5,5 ab.
Sagen wir es kurz: Die neun Europa-Einsätze waren eine Katastrophe: Zehnter in Budapest, Neunter in Monza – und alles auf Strecken, die Sie gut kannten. Nach Brasilien steht Ihr Punktevergleich zwischen Übersee und Europa bei 119:3
Das sieht sehr seltsam aus. Ich dachte, dass ich in Europa meine Erfahrung ausnutzen kann. Und dann wurde ich von der Realität eingeholt, die mich überraschte. Ich erwartete Dinge, die nicht eintrafen, die jedes Mal total verschieden waren. Ich lernte schnell, dass sich jedes Renn-Wochenende anders abspielt.
Das ist nur eine logische Feststellung.
Richtig. Ich musste lernen, viele Szenarien, die ich vorher nicht kannte, sofort in mein Programm aufzunehmen. Ich musste in den langen Tagen mit meinen Energien haushalten. Da waren die Marketing-Auftritte, die Medien, die Gespräche mit den Ingenieuren und dann noch das Wichtigste – sich konzentriert und schnell im Mercedes zu bewegen.
Dazu kommt sicher auch der grosse Druck dazu, für ein erfolgreiches Werksteam zu fahren?
Damit kann ich jetzt besser umgehen als früher. Man lernt mit jedem Tag, darf frühere Fehler einfach nicht wiederholen. Sonst kommt neuer Stress auf. Und wenn dann die guten Resultate ausbleiben, befindest du dich in der ersten Saison in einem Teufelskreis.
Und mittendrin haben Sie noch die Schule erfolgreich abgeschlossen …
Ja, das war der Wunsch meiner Mutter, den ich gerne erfüllt habe. Das Privatleben bleibt der beste Platz, um alle Hektik zu vergessen und sich zu entspannen.
Kommen wir zum Europa-Debakel zurück, wo Sie ja auch Ihre bisher vier einzigen Ausfälle beklagten.
Wir hatten einige mechanische Probleme, und mit der neuen Aufhängung fand ich einfach keinen Rhythmus. Ich fühlte mich im Cockpit nicht wohl, weil nichts mehr zusammenpasste.
Und dann fehlten auch die Resultate …
Genau. Das machte mich noch nervöser. Ich setzte mich ständig unter Druck, überfuhr das Auto, beging Fehler, die ich sonst nie machte.
Die Fans und Medien schüttelten den Kopf – und wer holte Sie aus diesem Tief?
Mein Chef Toto Wolff und mein Vater. Sie haben mich nach Monza einzeln in den Hintern getreten. Diese verbalen Vorwürfe und Ratschläge taten weh, aber ich brauchte dieses Reset. Ich musste mich wieder auf die wichtigen Dinge konzentrieren, um meine gute alte Form zu erreichen. Allein wäre ich nie aus dem Schlamassel gekommen. Da hat auch ein stundenlanges Meeting mit meinen Ingenieuren geholfen.
Wie lange hält Ihre positive Reaktion auf die harte Kritik an?
Lange. Denn ich weiss, dass Toto und mein Vater seit Jahren an mich glauben. Sie sehen in mir mehr Potenzial, als ich manchmal abrufe. So kann ich mich nach einem Training oder Rennen richtig aufregen, wenn ich sehe, wo ich Fehler gemacht habe, und dadurch Zeit einbüsste.
Sehen wir jetzt den besten Formel-1-Kimi?
(Lacht.) Schauen Sie: Mit der Hilfe meines geregelten Privatlebens kann ich mich jetzt wieder voll auf den Sport konzentrieren. Das ist wichtig, weil ich noch grosse Ziele habe.
Und die wären?
Mit dem Team müssen wir in den letzten drei Rennen den zweiten Platz in der Konstrukteurs-WM gegen Ferrari verteidigen. Und zum Glück habe ich mit George einen sehr guten Teamkollegen. Er hat schon öfters bewiesen, dass er mit einem guten Auto konkurrenzfähig ist und keinen Gegner fürchten muss. 2025 ist bestimmt seine bisher beste Saison.
Haben Sie ein gutes Verhältnis zu Russell?
Ja, weil er sehr professionell ist. Da hilft auch die gute Atmosphäre im Team. In guten und schlechten Momenten.
Ist es ein Ziel, so gut wie George Russell zu werden?
Ich will nicht nur sein Niveau erreichen. Nein. Ich will besser als er werden. Am Ende des Tages fahre ich in der Formel 1, um der Schnellste zu sein. Nicht nur im Team!
Glauben Sie wirklich an Ihre grossen Ziele?
Was für eine Frage. Sonst wäre ich hier der falsche Mann im Team. Russell ist vielleicht jetzt auf dem Höhepunkt seiner Karriere. So ist meine Aufgabe momentan schwieriger.
Neben Ihnen sind mit Ihrem früheren Formel-2-Teamkollegen Bearman, Bortoleto und Hadjar noch drei heisse Rookies unterwegs.
Ich glaube, wir machen alle einen guten Job und sind eine Bereicherung für die Formel 1. Aber meine jungen Rivalen sind in einer anderen Position als ich. Sie fahren nicht in einem Topteam und stehen deshalb weniger unter Druck und seltener im Rampenlicht.
Zwei Podestplätze konnte Antonelli in seinen ersten 21 GP-Rennen holen – nach Rang 3 Mitte Juni in Montreal gelang ihm am vergangenen Sonntag in Interlagos gar der Sprung auf Platz 2. Zudem ist er der jüngste Fahrer, der ein Rennen angeführt und eine schnellste Rennrunde erzielt hat (18 Jahre und 224 Tage).
Zwei Podestplätze konnte Antonelli in seinen ersten 21 GP-Rennen holen – nach Rang 3 Mitte Juni in Montreal gelang ihm am vergangenen Sonntag in Interlagos gar der Sprung auf Platz 2. Zudem ist er der jüngste Fahrer, der ein Rennen angeführt und eine schnellste Rennrunde erzielt hat (18 Jahre und 224 Tage).
Haben Sie Ihrem früheren Prema-Teamkollegen Ollie Bearman in Mexiko zu Platz 4 gratuliert?
Natürlich. Er verdiente diese 12 Punkte mit einer tadellosen Leistung. Ich schaue mir die Resultate aller Gegner genau an und kann sie auch in meinem Gedächtnis speichern. Das Gleiche gilt für meine Rundenzeiten.
Dann können Sie sich auch an das erste Treffen mit Mercedes erinnern?
Es war Ende 2017. Ich war gerade elf Jahre alt geworden. Ich erinnere mich an Gwen Lagrue. Er ist für das Junioren-Programm bei Mercedes verantwortlich. Er sah mich bei einem Kart-Finale auf dem Adria Raceway in der Nähe von Venedig. Offenbar war er von meinem Auftritt überzeugt. Und wenige Tage danach rief Toto Wolff meinen Vater an. Er bot uns einen Vertrag an. Wir mussten nicht zweimal nachdenken. Da mein Vater den grossen Mercedes-Mann kannte, waren die Verträge nur noch Formsache. 2018 durfte ich dann schon mit Toto im freien Training von Monaco dabei sein. Auch später in Monza durfte ich an den Boxen die Formel-1-Luft schnuppern. Und jetzt, sieben Jahre später, gehöre ich zu diesem Zirkus.
Dabei hatten Sie schon 2014 in Hockenheim eine Begegnung der anderen Art.
Ja, diese Geschichte ist immer noch ein Höhepunkt für mich. Mein Vater hatte bei den Rahmenrennen zum Grossen Preis von Deutschland ein Team. Ich wollte unbedingt mal in das Fahrerlager und die Boxengasse. Natürlich hatte ich mit kaum acht Jahren keinen Ausweis. Da ich sehr klein und dünn war, versteckte ich mich hinter einem Reifenstapel, den mein Vater durch die Kontrollen schob. Und da wir einen Mechaniker von Toro Rosso kannten, kam ich sogar in die Garage des Formel-1-Teams.
Eine herrliche Geschichte. Aber 2026 holt Sie die brutale Realität ein. Alles wird neu in der Formel 1. Alle müssen nochmals auf die Schulbank. Das ist die grosse Chance für die meisten Piloten, wenn sie im richtigen Auto sitzen.
(Lacht.) So ist es. Niemand weiss genau, was ihn erwartet. Ich freue mich auf diese Herausforderung in einem anderen Auto, mit einem neuen Motor. Ich habe schon einige Vorbereitungen hinter mir. Das könnte die Knacknuss für ein erfolgreiches Jahr sein. Denn alle Fahrer haben beim Energie-Management 2026 mehr Mitspracherecht. Dies ist die Schlüsselfunktion. Und da sich diese von Rennen zu Rennen ändert, ist das für alle eine grosse Möglichkeit im Kampf mit den Rivalen. Aber wie gesagt: Alle beginnen bei null.
Tönt abenteuerlich, also wagen Sie für 2026 keine Prognose, wer an vorderster Front um den Titel fightet?
Nein, das kann momentan niemand. Jetzt ist es einfacher: Norris ist der Favorit, Piastri hat noch Chancen wie der Kannibale Verstappen. Denn man darf ihn nie abschreiben. Er ist seit Jahren das Mass aller Dinge.