Edson Harlacher stellt sein Traum-Team zusammen
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«Er war nicht zu stoppen»:Edson Harlacher stellt sein Traum-Team zusammen

«Ich fühlte mich als Versager»
Statt in der NHL landete Edson Harlacher in einer Depression

Er gehörte zu den grössten Talenten des Landes, spielte an der U20-WM mit heutigen NHL-Stars wie Hischier, Meier oder Siegenthaler. Doch seine eigenen Träume platzten, trieben ihn in psychische Probleme. Edson Harlacher spricht offen darüber.
Publiziert: 27.10.2025 um 19:11 Uhr
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Aktualisiert: 27.10.2025 um 21:51 Uhr
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Dass er seine Karriere in den Sand gesetzt hat, machte Edson Harlacher psychisch schwer zu schaffen.
Foto: BENJAMIN SOLAND

Lässig kommt er an diesem Herbstnachmittag daher, trägt ein ansteckendes Lachen im Gesicht. «Heute bin ich wirklich glücklich», sagt er. Aber auf dem Weg dahin musste er einige dunkle Täler durchqueren. Edson Harlacher, 29 Jahre alt, Sohn eines Schweizers und einer Angolanerin, heute selbst zweifacher Familienvater und als Sachbearbeiter in einem Bürojob tätig. Einst war er eines der grössten Schweizer Verteidiger-Talente.

Mit 18 debütiert der Bülacher bei Kloten in der NLA, sichert sich auf Anhieb einen Stammplatz und bekommt einen Profivertrag. Er durchläuft sämtliche Junioren-Nati-Teams von der U16 bis zur U20 und spielt für die Schweiz vier WM-Turniere. Sein Bubentraum ist die NHL. Aber vor allem möchte er seine Leidenschaft zum Beruf machen. Was er schon früh schafft.

Mit Hischier, Meier, Siegenthaler und Suter an der WM

Vor knapp zehn Jahren spielte er als Kloten-Jungstar in Helsinki an der U20-WM. An seiner Seite: die heutigen NHL-Stars Nico Hischier, Timo Meier, Jonas Siegenthaler und Pius Suter. Oder die WM-Silberhelden Denis Malgin, Calvin Thürkauf, Andrea Glauser, Damien Riat und Noah Rod.

Edson Harlacher stellt sein Traum-Team zusammen
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«Er war nicht zu stoppen»:Edson Harlacher stellt sein Traum-Team zusammen

Im Gegensatz zu ihnen, die alle auch heute noch im Scheinwerferlicht stehen, gibt es den Hockeyspieler Edson Harlacher schon länger nicht mehr. Zum Schluss hatte er noch für seinen Stammklub Bülach in der MyHockey League gespielt, ehe er vor anderthalb Jahren seine Karriere beendete. «Es wurde zu viel, mit Job und Familie. Ich war überall irgendwie dabei, aber nirgendwo richtig», begründet er.

Der Knackpunkt nach Klotens Abstieg

Den Traum von der grossen Karriere musste er ohnehin schon wesentlich früher begraben. Als Knackpunkt bezeichnet er die Saison 2018/19. Es ist das Jahr 1 nach Klotens Abstieg in die Swiss League. «Ich fühlte mich dem Klub verbunden, und alle im Verein dachten damals, dass wir ohnehin sogleich wieder aufsteigen», erinnert sich Harlacher. Deshalb schlug er andere Angebote aus. Heute mutmasst er: «Womöglich wurde mir das zum Verhängnis. Vielleicht wäre es dann anders gekommen, wenn ich meine Komfortzone verlassen hätte.»

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Denn Harlacher hat grosse Mühe, sich mit seiner strategischen Spielweise in der wilden und weniger strukturierten Swiss League zurechtzufinden, erst Ende Saison wird es allmählich besser. Aber der Aufstieg klappt nicht. Bei Kloten ist es zu dieser Zeit sehr unruhig, spät nach der Saison wird ihm eröffnet, dass es für ihn keinen neuen Vertrag mehr gibt. «Das war ein Schock, denn im Sommer war es schwierig, noch irgendwo unterzukommen.»

Kloten sortiert ihn zweimal aus

Er beginnt die neue Saison in der Not bei Bülach, kann zwischendurch bei La Chaux-de-Fonds aushelfen, ehe ihn Kloten dann doch wieder zurückholt, um ihn anschliessend Ende Saison und mitten in der Pandemie wieder auszusortieren. «Dies erneut durchzumachen, war hart, denn ich hatte mich zuletzt wieder in die Top 4 der Verteidiger zurückgekämpft», so Harlacher.

Er sieht, wie ihm seine Felle als Profihockeyaner davonschwimmen, hadert damit, dass ihm niemand eine Chance gibt. Existenzängste begleiten ihn, denn mit 23 ist er jung erstmals Vater geworden. Durch seine Schwiegermutter, die Personalvermittlerin ist, gelangt er an einen Job im Service-Innendienst bei einem Küchenbedarf-Fachhandel.

Der Fall in die Depression

Einerseits ist das eine Erleichterung, andererseits aber auch schwer: «Manchmal fragte ich mich, was ich hier tue. Ich müsste doch eigentlich auf dem Eis sein.» Harlacher hält sich erneut bei Bülach fit, die Anschlusslösung ist dann Winterthur, doch auch dort ist nach einer Saison wieder Schluss. Man findet sich bei den Gesprächen nicht.

Psychisch hat Harlacher in diesen Jahren zu kämpfen. «Ich fühlte mich als Versager, war enttäuscht von mir und fragte mich, was wohl die Leute von mir denken, weil ich als Eishockeyspieler plötzlich von der Bildfläche verschwunden bin», sagt er offen. Seine Gedanken werden dunkel. «Ich hatte zwar keine Suizidgedanken, aber war in einer Depression», so der Zürcher. 

Aufarbeitung bringt ihn zurück in die Spur

Er sieht ein, dass er professionelle Hilfe braucht, und holt sie sich bei einer Therapeutin. Darüber ist Harlacher bis heute froh, denn durch die Aufarbeitung mit ihr findet er zur Motivation zurück. «Hätte ich dies nicht gemacht, weiss ich nicht, wo mein Weg hingeführt hätte», sagt er nachdenklich.

Harlacher sieht in dieser Thematik ein Grundsatzproblem, «das unterschätzt wird». Wenn ein Sportler seine Karriere in den Sand setzt, dann ist meist kein Klub mehr da, der ihn unterstützt. Dann ist er auf sich allein gestellt, muss mit der Verarbeitung, der neuen Lebenssituation und den Ängsten selbst klarkommen.

Inzwischen mit sich im Reinen

Auch deshalb erzählt Harlacher seine Geschichte. Um aufzurütteln. Um jungen Spielern, aber auch Eltern und Fans klarzumachen: Nicht jedes grosse Talent schafft es, wird zum Star. Vorwürfe, dass es bei ihm nicht geklappt hat, macht Harlacher letztlich niemandem: «Jeder ist für seine eigene Leistung verantwortlich. Ich war zu genügsam, hätte mehr machen können.»

Grossen Rückhalt findet Edi, wie ihn alle nennen, in den schwierigen Zeiten bei seiner Familie. Bei seiner Frau und seinen Kindern, die ihn auf andere Gedanken bringen. Und bei seinen Eltern, gegenüber denen er zunächst ein schlechtes Gewissen hat, weil sie viel für seinen Hockeytraum geopfert haben. Sie treiben ihm solche Gedanken sogleich wieder aus. Inzwischen ist Harlacher auch mit sich selbst im Reinen: «Heute sage ich mir, dass ich es bis in die oberste Liga gebracht habe und mich glücklich schätzen darf. Das schaffen nicht alle.» 164 Spiele absolviert er insgesamt.

Einstieg als Junioren-Trainer beim ZSC

Wenn er sieht, was aus seinen ehemaligen Mitspielern wie Siegenthaler, Hischier oder Malgin geworden ist, dann verspürt Harlacher keinen Neid: «Ich mag es jedem Einzelnen gönnen. Das sind gute Jungs, und wir hatten es immer lustig zusammen.» Er selbst kann bei seiner letzten Station EHC Bülach gut mit seiner Karriere abschliessen: «Mit den Kollegen von früher, wo alles begann, hat sich der Kreis geschlossen.» Danach nimmt er während eines Jahres Abstand vom Eishockey, merkt in dieser Zeit aber, wie sehr er diesen Sport liebt.

Der Zürcher entscheidet sich, bei den ZSC Lions anzufragen, ob sie ihn als Nachwuchstrainer brauchen könnten. Können sie, und so ist er seit dieser Saison Assistenztrainer der U16 Elite und Top, besucht entsprechende Weiterbildungen. Neben seinem 80-Prozent-Job der ideale Ausgleich: «Es macht mir mega Spass.» Vor allem auch, seine eigenen Erfahrungen einzubringen. Wenn einer etwas davon erzählen kann, wie es ist, wenn man als Junior eines der grössten Talente war und es dann mit der grossen Karriere doch nicht klappt, dann ist das Edson Harlacher.

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