Nach Abbau-Forderungen aus der Politik
CEO warnt vor Ende der Schweizer Post

Sinkende Briefmengen und sinkende Zinsen drücken auf die Erträge der Post. Interims-CEO Alex Glanzmann erklärt im Interview, warum die Post sich weiterentwickeln muss und welche Strategien sie verfolgt.
Publiziert: 26.10.2025 um 08:36 Uhr
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Aktualisiert: 26.10.2025 um 10:32 Uhr
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Sein Büro befindet sich im obersten Stock der Postzentrale in Bern-Wankdorf.
Foto: Philippe Rossier

Darum gehts

  • Alex Glanzmann, interimistischer Postchef, spricht über Herausforderungen und Zukunft der Post
  • Post investiert in autonomes Fahren und digitale Dienstleistungen trotz Kritik
  • Post wird 2025 einen deutlich kleineren Gewinn schreiben
Die künstliche Intelligenz von Blick lernt noch und macht vielleicht Fehler.

Alex Glanzmann (55) arbeitet seit über 20 Jahren für die Post. Nach dem Abgang von Roberto Cirillo (54) wurde der Berner Ökonom Postchef ad interim. Mit dem Antritt von Pascal Grieder (48) wird er auf Anfang November wieder in seine alte Funktion als Finanzchef zurückkehren. Blick hat den Postchef in seinem Büro am Berner Hauptsitz getroffen.

Blick: Haben Sie die neuen Robotaxis schon ausprobiert, die Postauto diese Woche vorgestellt hat?
Alex Glanzmann: Nein, ich bin selbst noch nicht darin gefahren. Wir haben vor Jahren schon einmal einen Versuch in Sitten mit selbstfahrenden Bussen gemacht. Damals haben wir die ersten Erfahrungen gesammelt.

Sind die neuen chinesischen Robotaxis besser als die Smart Shuttles, die damals ein ziemlicher Flop waren?
In der Zwischenzeit hat sich die Technik rasant weiterentwickelt. Auch die Regulierung von selbstfahrenden Autos hat sich markant geöffnet. Wir sind Marktführer im ÖV-Bereich auf der Strasse. Für uns ist es wichtig, dass wir uns Gedanken über Entwicklungen und Innovationen machen.

Haben Sie das Okay von Transportminister Albert Rösti?
Beim Robotaxi-Projekt arbeiten wir mit allen relevanten Bundesbehörden zusammen – also dem Bundesamt für Verkehr, dem Bundesamt für Strassen, aber auch mit den Kantonen oder dem TCS.

Aber das Okay von Bundesrat Rösti persönlich haben Sie nicht?
Seine Ämter sind involviert und unterstützen das Projekt.

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Eigentlich widerstrebt es ihm ja, dass die Post in Bereiche vordringt, wo sie private Unternehmen konkurrenziert. Und wenn die Post jetzt ins Taxigeschäft einsteigt, macht sie genau das.
Wir sehen nicht, dass wir Taxibetriebe konkurrenzieren. Wir betrachten das Angebot als Teil des öffentlichen Verkehrs. In ländlichen Gegenden schaffen wir damit zusätzliche Angebote.

Wieso fällt es der Post so schwer, sich aufs Kerngeschäft zu konzentrieren?
Wenn wir uns nur noch aufs traditionelle Kerngeschäft konzentrieren, wird es die Post in Zukunft so nicht mehr geben. Man muss das gesamthaft betrachten: Schon nach der Aufspaltung der PTT in Swisscom und Post war in der Postgesetzgebung vorgesehen, dass wir zwar nahe am Unternehmenszweck agieren sollen, aber auch in Bereichen ausserhalb der Grundversorgung tätig sein können – mit dem Ziel, die Kosten der Grundversorgung mitzufinanzieren.

Aber wieso soll es die Post so nicht mehr geben? Briefpost geht zurück, da sind wir uns einig. Aber die Paketpost erlebt einen riesigen Boom. Wieso können Sie darauf kein tragfähiges Geschäft aufbauen?
Wir haben das vor Jahren einmal durchgerechnet. Wir sind genau mit dieser Grundannahme in die Strategiediskussion gegangen: Wir konzentrieren uns nur auf das Kerngeschäft und antizipieren die Mengenentwicklungen. Wo landen wir da? Wir haben gesehen, dass wir dann relativ rasch in den roten Zahlen landen würden. Das Problem ist: Das schrumpfende Briefgeschäft kann nicht durch Päckchen kompensiert werden. Es sind ganz andere Dimensionen: Heute werden 1,6 Milliarden Briefe verschickt, aber nur 180 Millionen Pakete. Auch die Margensituation ist eine völlig andere. Wenn wir uns nur auf das Kerngeschäft konzentrieren, verlieren wir das wirtschaftliche Gleichgewicht in relativ kurzer Zeit, sind nicht mehr eigenwirtschaftlich finanziert – und damit auf Subventionen angewiesen.

Aber ist es denn so schlimm, wenn die Post schrumpft? Wieso versuchen Sie krampfhaft, wegfallende Umsätze im Briefgeschäft durch den Einstieg in Märkte zu kompensieren, die bisher der Markt geregelt hat?
Darauf gibt es eigentlich zwei Antworten. Die erste: Wir wurden vor wenigen Wochen zum neunten Mal als beste Post der Welt ausgezeichnet – darauf sind wir sehr stolz. Ich glaube, wir sind heute ein extrem wichtiger Partner bei Infrastrukturdienstleistungen. Aber die Bedürfnisse verändern sich. Sie bewegen sich immer weiter weg von der physischen Welt hin zu einer hybriden Welt. Wir sprechen also von einer Kombination physischer und digitaler Lösungen.

Was heisst das konkret?
Ein Beispiel ist das, was wir als Hybrid-Brief bezeichnen. Es geht darum, den Briefkasten auch in die digitale Welt zu überführen und dem Kunden die Möglichkeit zu geben, ob er den Brief physisch oder digital zugestellt bekommen will.

Und die zweite Antwort?
Die zweite ist, dass wir seit der Aufspaltung der PTT sehr erfolgreich sind. Wir konnten alle Ziele erfüllen, dem Bund Dividenden zahlen und sämtliche Investitionen eigenwirtschaftlich finanzieren. Wenn man dieses Konstrukt weiterhin aufrechterhalten will, gelingt das eben nicht, wenn wir uns nur auf die «alte Post» konzentrieren. Das wäre Heimatschutz – und wir würden zum Ballenberg-Museum. Darum erachten wir auch die Vorlage der WAK, die uns beschränken will, als brandgefährlich.

Schön und gut. Aber dass Sie als gelber Riese mit 45'000 Beschäftigten private Unternehmen plattmachen – das finden Sie okay?
85 Prozent unseres Umsatzes machen wir heute im freien Wettbewerb. Nur rund 15 Prozent stammen noch aus einem Monopolbereich. Und wenn wir im Wettbewerb nicht tätig sein dürfen – wo wir uns übrigens an die gleichen Spielregeln halten wie alle anderen auch –, wird es schwierig, und wir würden zu einer Schrumpfkostenorganisation.

Das Problem ist ja nicht die Paketpost, die sich im Wettbewerb befindet. Das Problem sind die sogenannten Digital Services, in die Sie so viel investieren und dabei nichts verdienen. In den letzten vier Jahren häuften Sie damit 291 Millionen Franken Verluste an. Das ist doch nicht nachhaltig.
Wenn man es genau anschaut, stammen die Verluste weitgehend aus Bereichen, die wir zum digitalen Grundversorgungsauftrag zählen würden. Das betrifft das elektronische Patientendossier oder E-Voting, wo wir merken, dass die regulatorischen und gesetzlichen Rahmenbedingungen relativ langsam vorankommen. Da erwarten wir auch von der Politik eine gewisse Verbindlichkeit. Wenn wir aber sehen, dass sich ein Bereich nicht sinnvoll entwickeln lässt, werden wir die notwendigen Massnahmen treffen.

Das heisst, die Unternehmen schliessen?
Ja, dann müssen wir sie abbauen.

Wenn man sich die schrumpfenden Gewinne des Postkonzerns anschaut, muss man sich fragen, wie lange Sie sich die Digital Services noch leisten können. Wird die Post 2025 überhaupt einen Gewinn schreiben?
Ja, aber er wird sicher deutlich tiefer sein als im letzten Jahr. Wir rechnen mit einem tiefen dreistelligen Millionenbetrag.

Zunehmend zum Sorgenkind wird Postfinance, bisher ein zuverlässiger Gewinnlieferant. Jetzt drücken tiefe Zinsen auf das Geschäft. Bekommen Sie die Probleme in den Griff?
Das Zinsumfeld ist für Postfinance naturgemäss schwierig, aber stabiler als gedacht. Wir können auslaufende Obligationen, die wir in der letzten Tiefzinsphase abgeschlossen haben, heute zu besseren Konditionen erneuern und damit das Zinsergebnis stabil halten. Gleichzeitig investieren wir in andere Geschäftsfelder, um unabhängiger von den Zinsen zu werden, und wollen die Kundenverbundenheit stärken.

Sie fordern, dass Postfinance KMU-Kredite vergeben darf. Warum?
Wir fordern das nicht. Wir erkennen einfach einen erschwerten Kreditzugang für KMU und das Gewerbe im Schweizer Markt. Weil heute rund 25 Milliarden Franken unserer Kundengelder im Ausland investiert sind, würden wir dieses Kapital lieber der Schweizer Wirtschaft zur Verfügung stellen – gerade nach dem Wegfall der Credit Suisse. So könnten wir einen Beitrag zur Entlastung des Kreditmarkts leisten. Ob das politisch gewollt ist, muss die Politik entscheiden.

Das Filialnetz wird laufend ausgedünnt. Wie geht es dort weiter?
Heute betreiben wir noch 770 eigene Filialen, bis Ende 2028 sollen es 600 sein. Das heisst aber nicht weniger Kundennähe, sondern effizientere Strukturen. Viele Gemeinden suchen selbst aktiv nach Partnerlösungen, weil die längeren Öffnungszeiten und die Kombination mit Läden geschätzt werden.

Bleibt die tägliche Briefzustellung?
Solange das Volumen genügt, ja. Die Schweiz ist nach wie vor ein Briefland, und wir sehen hier einen klaren Wert. Wenn die Mengen aber weiter stark sinken, muss die Politik über eine dynamische Regulierung nachdenken – etwa über alternative Zustellmodelle oder hybride Lösungen.

Sie sind seit April interimistischer CEO. Welche Prioritäten haben Sie gesetzt?
Mir war wichtig, dass die Post in dieser Übergangsphase handlungsfähig bleibt. Wir haben Projekte wie das autonome Fahren freigegeben, organisatorische Anpassungen umgesetzt, Preismassnahmen vorbereitet und die Kundenzentrierung gestärkt. Zudem haben wir die Portfolio-Bereinigung vorangetrieben und verlustreiche Aktivitäten reduziert.

Wie war der Rollenwechsel vom Finanzchef zum CEO?
Es war eine spannende Erfahrung. Als CEO ist der Austausch mit Politik und Öffentlichkeit deutlich intensiver. Ich war oft im Bundeshaus und stärker in strategische Diskussionen eingebunden. Das war lehrreich und hat mir geholfen, die Perspektive zu erweitern.

Sie geben das Amt bald an Pascal Grieder weiter. Fällt Ihnen der Abschied schwer?
Nein, das war von Anfang an so vorgesehen. Ich habe die Aufgabe mit Überzeugung übernommen, um Stabilität zu gewährleisten. Und es hat mir Freude gemacht. Jetzt ist es richtig, dass ein neuer CEO übernimmt. Ich bleibe Finanzchef – und nehme wertvolle Erfahrungen mit.

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