Diese «Weiber» schlagen zurück
Sie lachen über «kleine Pimmel» und behandeln Männer wie Hunde

Für sie sind Männer «Stecher», «Geldsklaven» oder «Hunde», sie selbst nennen sich «Fotzen» – gerade formiert sich eine neue Generation von Feministinnen. Sie heissen Ikkimel oder Evil Suki, behandeln Männer wie ein Objekt und machen ganz viele Leute hässig.
Publiziert: 31.05.2025 um 19:15 Uhr
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Aktualisiert: 31.05.2025 um 19:20 Uhr
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Die Frauen in ihren Zwanzigern interpretieren Feminismus neu. Die deutsche Rapperin Ikkimel erreicht mit ihren Texten über Sex und kleine Pimmel ein grosses Publikum.
Foto: Instagram

Darum gehts

  • Eine neue Bewegung von Frauen provoziert mit Selbstsexualisierung und Männer-Demütigung
  • Sie stammen aus Deutschland, haben auch viele Fans in der Schweiz
  • Allein die Rapperin Ikkimel erreicht monatlich 2,5 Millionen Hörerinnen auf Spotify
Die künstliche Intelligenz von Blick lernt noch und macht vielleicht Fehler.
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Rebecca WyssRedaktorin Gesellschaft

Lässig steht die Rapperin Ikkimel auf der Bühne. Im weissen Minikleid, den hohen Hacken und dem stacheligen Nietenhalsband wartet sie auf einen Freiwilligen, der gerade aus dem Publikum auf die Bühne steigt. Sie lässt ihm eine weisse Hundemaske über den Kopf ziehen und befiehlt ihm, in den Zwinger zu klettern, der neben ihr steht. Er gehorcht und tanzt dann auf den Knien, während sie rappt: «Schnauze halten, Leine an, Schatz, jetzt sind die Weiber dran.» In der Halle schiessen Hände hoch. Und sie schiebt nach: «Ein Mann bleibt ein Mann, und ein Hund bleibt ein Hund.»

Die Szene gehört zu Ikkimels neuer Show. Auf Spotify erreicht sie monatlich 2,5 Millionen Hörerinnen. Derzeit ist sie auf Tour. Im März war sie in Zürich. Ist sie guter Laune, schnallt sie sich auf der Bühne einen Dildo um, von dem ein Mann aus dem Publikum Schlagrahm ablecken darf. Ikkimel liebt es, Männer zu demütigen – mit Zeilen wie: «Baby, du bist lecker, gibts den Pimmel auch in gross?». Ähnlich klingt Rapperin Mariybu, die ebenfalls kürzlich in Zürich ein Konzert gab: «Ich und meine Fotzen wollen heute mal was seh′n, komm, wackel mit dem Arsch, zeig uns, wie er steht.»

Die Nadelstiche sitzen. Influencer, Journalisten und Internettrolls heulen auf und sehen gerade bei Ikkimel das Ende des Abendlandes kurz bevorstehen. Selbst Rapperin Loredana tönt wie eine Ordensschwester, wenn sie warnt: Ihre Konkurrentin verderbe die Jugend, und Eltern müssten ihre Kinder vor ihr Schützen.

Sie provozieren – und ernten Kritik

Die Provokation ist Programm. Sie gehört zur DNA einer neuen Bewegung von Frauen in ihren Zwanzigern. Ikkimel, Mariybu, Maria Ludovica oder Evil Suki heissen sie, machen Musik oder einfach nur Content für ihre Social-Media-Profile. Sie sind dreist und derb und ballern die Community mit ihrer Selbstsexualisierung zu. Ihre Haltung gegenüber Männern: alles nur notgeile Dumpfbacken, die man leicht ausnutzen kann – sogar muss! Die Frau ist für sie das überlegene Geschlecht.

Egogetrieben klingt das, doch auch sehr bekannt. Der britisch-amerikanische Influencer Andrew Tate propagiert genau das in Bezug auf Frauen. Gehorsam wie Hunde sollen diese sein, sagt er, der mutmassliche Vergewaltiger. Und einer ganzen Generation von Teenager-Buben ruft er zu: Männer, nehmt euch, was euch zusteht! Puff Daddy, der seine Exfreundin und weitere Opfer mutmasslich systematisch missbrauchte und schlug, tut das schon lange. Steht deshalb in New York vor Gericht.

Diesen Männern schreien Ikkimel, Mariybu, Maria Ludovica oder Evil Suki nun entgegen: Fickt euch! Sie drehen den Spiess um. Degradieren Männer zu Objekten. Nennen sie «Stecher» und «Keiler», lachen hämisch über schütteres Kopfhaar und Bauchansatz. Geben Tipps, wie man mit wenig Aufwand den «geilsten Typen im Club» klärt (aufreisst) und ihn fallen lässt. Und posten Storys aus dem Badezimmer des Lovers und beklagen sich, wie armselig der Sex war, Augenverdreh.

Überhaupt, sagt Maria Ludovica ihren 200’000 Followern auf Instagram in einem Video: Man müsse Männer mit grossem Ego demütigen, sie einfach glauben lassen, sie sähen klein aus. «Das gilt auch für andere Körperteile.» Wie man Männer manipuliert, hat sie gelernt, als sie ihr Agrarwissenschaftsstudium mit Strippen verdiente. Der Wochenzeitung «Zeit» erklärte sie, wie sie vorgegangen ist: Erst fällt der BH, dann der Schlüpfer und gegen Ende hält man lange Augenkontakt, streicht dem Mann durchs Haar. Diese Nähe ist «entscheidend fürs Geschäft», sagte sie. Denn dann zahlt er für einen Private Dance mit ihr, für eine 300 Franken teure Champagnerflasche.

Der Mann als wandelnde Kreditkarte

Männer taugen als Sexspielzeug. Als wandelnde Kreditkarte. Letzteres ist ein uralter Topos. Diese Frauen legen ihn neu auf. Sie wollen keinen Versorger fürs Leben. Bitte nicht! Auf die Spitze treibt das Evil Suki. Die blonde Frau mit Modelbody und aufgespritzten Lippen lebt zwischen Paris, München (D) und Tokio. Immer auf Kosten ihrer wechselnden Lover. Vergangenes Jahr hat sie über Tiktok einen «Geldsklaven» gesucht. Sie wollte ans Oktoberfest. Auf Tiktok rechnet sie vor: 1500 Euro kostet sie das. Natürlich könne sie vor Ort Sponsoren finden. «Doch ich hab gar keinen Bock für ne Mass mit Männern zu flirten, die einem dann komplett am Rockzipfel hängen.» Lieber sollen «Geldsklaven» ihr Kohle über Paypal überweisen. Und sie tun es.

Was ist das nun? Eine feministische Errungenschaft oder einfach nur blinde Rache am anderen Geschlecht? Wir hätten gerne mit Evil Suki und Maria Ludovica darüber gesprochen, sie reagierten nicht auf unsere Anfrage.

Anders der Schweizer Männerpsychologe Markus Theunert. Er nennt das Phänomen spontan «Tradwife auf Testosteron». Tradwifes sind jene Frauen, für deren Unterhalt der Mann aufkommt, und die ihren traditionellen Lifestyle als Influencerinnen promoten. Die Bewegung um Evil Suki und Co. vermische das mit Feminismus. Er ist skeptisch. Individuell sei das bestimmt ein emanzipatorischer Akt, gesamtgesellschaftlich aber kein Fortschritt. «Es trifft die Falschen.» Die Männer, die eine Beziehung auf Augenhöhe wollten, blieben verletzt übrig. Die sexistischen Alphamänner kümmere es nicht.

Am Ende sind sie einfach Entertainer

Schärfer fällt aktuell die Kritik einiger deutscher Medien aus: Die Frauen würden mit der Umkehrung des Sexismus plump das Patriarchat bestätigen. Sie seien nicht besser als all die Sexisten. Anna Rosenwasser, die SP-Nationalrätin mit den Schwerpunkten Feminismus und LGBTQ, spricht von einem «Denkfehler». «Tun es Frauen, ist es nicht das Gleiche.» Vor allem nicht in einer Welt, in der diese weniger verdienten, weniger respektiert würden und vor allem, in der Männer stündlich fünf Frauen töteten, nur weil sie Frauen seien. Ihr Fazit: «Bei Frauen ist die Umkehrung ein Stilmittel.» Derber Humor, bissige Satire. Doch verstünden das viele nicht, weil es nur Männern zugestanden wird. Sie sagt: «Von Frauen erwartet man, dass sie Harmonie schaffen.»

Maria Ludovica reagierte diese Woche mit einem Instagramvideo auf Kritik. «Wir alle sind Entertainer und sagen Sachen bewusst überspitzt», sagt sie. Und ärgert sich darüber, dass nun mit ihnen wieder mal Frauen angegriffen werden. Auch Evil Suki legte auf Tiktok nach: «Am Ende sind immer noch Männer und das Patriarchat der wahre Täter.»

Diese Frauen ahmen Männer also nach. Das ist absurd-witzig, gleichzeitig triggert es enorm – auch im Guten. Doch das Imitieren hat eine dunkle Kehrseite. Allein beim Alkohol holen Frauen enorm auf. Und vergangene Woche konnten wir alle sehen, wie Brigitte Macron gegenüber dem französischen Staatspräsidenten handgreiflich wurde. Letzteres hat nichts mit Feminismus zu tun.

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