Darum gehts
- Lehrer wegen sexuellem Missbrauch von Schülern vor Gericht
- Drei Opfer in seiner Klasse, regelmässige Umarmungen und Berührungen
- Staatsanwaltschaft fordert 15 Monate bedingte Freiheitsstrafe und lebenslanges Tätigkeitsverbot
Kurz vor den Sommerferien letztes Jahr kam alles ans Licht: Eine Lehrerin erwischt ihren Kollegen Reto T.*, damals 27, wie er in einem Klassenzimmer einen seiner Schüler sexuell missbraucht. Sie meldet den Vorfall. Die Leitung der Stadtzürcher Schule stellt den Lehrer frei. Er kommt in Untersuchungshaft.
Der Fall erschüttert. Nun muss sich Reto T. (28) vor dem Bezirksgericht Zürich verantworten. Mittlerweile ist klar: Der Vorfall, den die Lehrerin beobachtete, war nicht der einzige. Und der Betroffene, ein damaliger Viertklässler, war nicht das einzige Opfer.
Umarmungen und Berührungen
In der Anklageschrift nennt die Staatsanwaltschaft drei Opfer. Alle drei Buben waren Viertklässler in Reto T.s Klasse. Der Beschuldigte habe sie regelmässig mehrere Minuten lang umarmt.
Ausserdem soll Reto T. allen drei Schülern mehrfach während des Unterrichts über den Hosen an den Penis gefasst und diesen geknetet haben. Einem der Buben habe er auch in die Hose gefasst.
Im Sommer letzten Jahres, kurz bevor der Lehrer aufflog, war er mit seinen Schülern im Klassenlager. Auch dort soll es zum Missbrauch gekommen sein.
Vorfall im Klassenlager
Etwa in der Dusche, als eines der Opfer nur Unterhosen trug. Wieder soll Reto T. ihm über dem Stoff an den Penis gefasst und diesen massiert haben. Dasselbe passierte einem anderen Schüler. Er war mit T. allein, weil dieser ihm den Fuss mit einer Salbe einreiben wollte. Der Bub habe die Berührung am Penis als Belästigung wahrgenommen, heisst es in der Anklage.
Nach dem Klassenlager ging es dann ganz schnell. Als Reto T. einen der drei Schüler im Zürcher Schulhaus wieder einmal innig umarmte, bekam er eine sichtbare Erektion, was seiner Kollegin auffiel. Sie wandte sich an die Schulbehörden und die Schulleitung.
Brief an die Eltern
Zwei Tage nach dem Vorfall wurde Reto T. freigestellt. Die Schule schickte allen Eltern einen Brief: «Wie Sie wissen, haben wir Hinweise auf ein grenzüberschreitendes Verhalten durch die Lehrperson Ihres Kindes erhalten. Die Schule nimmt solche Hinweise immer ernst. Eltern von betroffenen Kindern sind bereits direkt informiert worden.»
Die Staatsanwaltschaft leitete ein Verfahren ein. Reto T. musste für 42 Tage in Untersuchungshaft.
Inzwischen sind die Ermittlungen abgeschlossen. Die Staatsanwaltschaft wirft dem Lehrer mehrfache sexuelle Handlungen mit einem Kind und sexuelle Belästigung vor. Sie fordert eine bedingte Freiheitsstrafe von 15 Monaten mit 2 Jahren Probezeit. Während dieser Zeit solle er sich einer Therapie unterziehen.
Lebenslanges Tätigkeitsverbot
Vor seiner Verhaftung zeigte sich Reto T. in den sozialen Netzwerken stolz auf seinen Beruf. Der Primarschullehrer bezeichnete sich als Mann mit grossem Herzen.
Die Staatsanwaltschaft verlangt für den Lehrer ein lebenslanges Tätigkeitsverbot. Bei Sexualstraftätern wird ein solches typischerweise ausgesprochen.
Für Reto T. würde das bedeuten, dass er in seinem Beruf keinen regelmässigen Kontakt mehr zu Minderjährigen haben darf. Dasselbe gilt für ein potenzielles Engagement in einer Organisation oder einem Verein.
Ausserdem fordert die Staatsanwaltschaft ein Kontaktverbot zu den drei Opfern für eine Dauer von fünf Jahren. Die Familien der Buben verlangen eine Genugtuung von 2000, 3000 und 6000 Franken.
Geständnis zu erwarten
Der Prozess gegen Reto T. findet am Donnerstag in Zürich statt. Es handelt sich um ein abgekürztes Verfahren. Ein solches ist nur unter gewissen Voraussetzungen möglich. Entsprechend lassen sich daraus einige Vorhersagen ableiten.
So muss ein Beschuldigter die Tat im Wesentlichen gestehen. Zwar wird der Lehrer vor Gericht noch einmal befragt. Den Vorwürfen aus der Anklage dürfte er aber zustimmen – zumindest im Grundsatz. Ausserdem muss er die Genugtuungsforderungen der Opfer anerkennen. Nur dann bewilligt das Gericht ein abgekürztes Verfahren.
Die Verhandlung beginnt um 8.30 Uhr. Blick wird den Prozess begleiten und live tickern.
* Name geändert