«Oben ohne» wird in diesen Ländern mit Gefängnis bestraft
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FKK-Fans wehren sich gegen Blüttlerverbot
Nacktbader verteidigen den «schönsten Zipfel von Zürich»

Eine Petition fordert ein Nacktbade-Verbot auf der Stadtzürcher Werdinsel. Was dies bei den Badenenden auslöst und wieso sie nackt in die Limmat steigen – eine Reportage aus Höngg.
Publiziert: 09:48 Uhr
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Aktualisiert: 09:50 Uhr
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Timo badet seit 17 Jahren am «schönsten Zipfel der Stadt Zürich», dem unteren Bereich der Werdinsel.
Foto: Siggi Bucher

Darum gehts

  • FKK-Bereich auf Zürcher Werdinsel sorgt für Kontroverse und Petition
  • Nacktbadende schätzen Freiheit und Entspannung, kritisieren aber anzügliche Blicke
  • Seit 2022 gab es fünf Anzeigen wegen sexueller Handlungen auf der Insel
Die künstliche Intelligenz von Blick lernt noch und macht vielleicht Fehler.
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Pascal ScheiberReporter Gesellschaft

22 Grad Celsius zeigt das Thermometer in der Limmat. Sechs Kilometer unterhalb des Zürichsees teilt die Werdinsel in Zürich-Höngg den Stadtfluss. Im untersten Spitz dieser Insel trifft sich an wärmeren bis heissen Tagen die Zürcher Nackt-Community – zwischen Bäumen und Büschen, Wasser und Wiese. 

Seit 17 Jahren kommt Timo (49) an den «schönsten Zipfel», wie er die FKK-Ecke auf der Werdinsel nennt. «Nackt an einem so schönen Ort sonnenbaden ist wie Ferien», erklärt er. Was er und viele andere Männer und Frauen hier machen, ist für ihn das «Normalste» der Welt. «In der Badi spielt der Körper und wie er aussieht eine viel zentralere Rolle», sagt er – und lacht. So, als sei er stolz darauf, was hier über die letzten Jahrzehnte entstanden ist, denn: «Am Letten tragen sie irgendwelche Fummel für 300 Franken und trinken Prosecco – hier bleiben wir entspannt.» Zu entspannt? 

Petition fordert FKK-Verbot

Seit Tagen flattert ein Petitionsbrief von anonymen Absendern aus der Nachbarschaft in die Briefkästen des umliegenden Quartiers (Blick berichtete). Die Forderung: Der Nacktbadebereich soll weg, denn mehrfach seien sexuelle Handlungen beobachtet worden. Weiter sei der Nacktbereich «ausschliessend». Familien besuchten diesen Bereich deshalb nicht, so der Vorwurf.

Nacktbader Timo findet die Petition «lächerlich». Der FKK-Bereich auf der Werdinsel ist seit Jahren klar definiert und beschildert. Bäume und Büsche verhindern einen direkten Blick aus dem Wohnquartier auf den Nacktbereich. Wer Nacktheit nicht sehen will, braucht keine Umwege nehmen zu müssen. Dass die Nachbarschaft diesen «Nackt-Zipfel» auf dem Kieker hat, kann Timo nicht verstehen. «Dieser Ort bietet allen Menschen der Stadt ein Stück körperliche Freiheit.» 

«Der Cruiser-Verein ist dort drüben im Wald», sagt er und zeigt auf das etwa fünfzig Meter entfernte Wäldchen. Mit Cruisern sind diejenigen gemeint, die hier Sex haben – ein offenes Geheimnis am Zipfel. «Ich nehme sie nicht wahr und wenn, dann stören sie nicht», sagt Timo. Dass die Werdinsel nicht nur fürs Nacktbaden, sondern auch für Sex im Freien bekannt ist, ist in der Stadt kein Geheimnis. Die Stadtpolizei Zürich verzeichnete seit 2022 fünf Anzeigen wegen sexuellen Handlungen auf der Werdinsel. Ein Störfaktor für die Nackten auf der Insel seien die Cruiser nicht, solange jede und jeder in Ruhe gelassen werde, findet Timo. 

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Zürich brauche Nacktheit

Etwas versteckt vor den Böötlern auf der Limmat sitzt Lars Baumgartner (43), hinter der Uferböschung, auf seinem Badetuch – wie alle anderen ohne Badekleidung. «Der Körper ist hier ein Bestandteil, aber hier auf der Werdinsel steht er nicht im Fokus – das geniesse ich sehr.» Wie sein Körper oder der von anderen aussieht, darüber macht er sich keine Gedanken. Dass sich manche Menschen vor der Nacktheit schämen, kann er nachvollziehen, aber: «Zürich ist offen und divers. Ein Ort wie die Werdinsel ist wichtig für diese Stadt.» 

Der 43-jährige Jurist schätzt es, dass die Werdinsel nicht ein mit Sichtschutz abgeriegelter FKK-Bereich ist wie andernorts. «Wir sind hier und die anderen dort – das hat bisher sehr gut funktioniert.» Klar gebe es an Wochenenden, wie an anderen Badeorten auch, Gruppen mit Musikboxen, erzählt er. «Aber normalerweise herrscht hier Ruhe und Frieden.» Wer hierhin komme, sei willkommen – mit oder ohne Kleidung, homosexuell oder hetero. Während der Werdinsel-FKK-Bereich früher noch ein Hotspot für homosexuelle Männer gewesen sei, beobachte er seit Jahren einen steigenden Zulauf von Frauen oder Hetero-Paaren, so Baumgartner. 

Auch Eva (33) und ihr Partner Adrian (39), ihre Namen sind geändert, sie wollen anonym bleiben, finden lobende Worte über ihren Badeplatz. Die beiden kommen im Sommer einmal die Woche gemeinsam hierhin. Sie beschreiben den Zipfel als einen Ort «ohne Scham» – mit einer friedlichen und ruhigen Atmosphäre mitten in der Limmat. «Klar, zu Beginn als Adrian mich das erste Mal mitnahm, war es ungewohnt, sich so nackt in der Öffentlichkeit zu bewegen, aber das hat sich gelegt», erklärt Eva. 

Dennoch fühle sie sich nicht immer nur wohl. «Es kommt vor, dass Männer hier sind, um nackte Frauenkörper zu sehen.» Solche Momente seien für sie befremdlich, unangenehm und zwinge sie dazu, den Platz zu wechseln. Und Adrian? «Nein, Männer und Frauen schauen mich nicht an und wenn, dann spüre ich das nicht.» Was seine Partnerin Eva erzählt, berichten am Freitagmittag auch andere Frauen gegenüber Blick. Sie sprechen nicht nur von anzüglichen Blicken, sondern von physischen und psychischen Übergriffen. Sie sprechen von Männern, die aus Sichtdistanz in ihre Richtung onanieren. Sie sprechen aber auch von «seltenen» Vorfällen. 

Und trotz all dem sind sie immer noch hier an diesem idyllischen und naturnahen Ort. Und sie kommen wieder. Ohne Kleider. 

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