Mysteriöser Fall
Schafhirt verliert 8400 Franken in Zürcher Spital

Ein rumänischer Schafhirt, der in der Ostschweiz arbeitet, plant einen Heimaturlaub. Stattdessen landet er im Spital – wo sein sauer verdienter Lohn verloren geht.
Publiziert: 14:33 Uhr
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Aktualisiert: 15:50 Uhr
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Schmerzhafter Verlust: Balázs-Zoltán Bakk.
Foto: Jonathan Labusch

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Daniel Benz
Beobachter

Balázs-Zoltán Bakk ist guter Laune an diesem Tag Ende Juni. Endlich sollte es wieder mal in die Heimat gehen, nach Rumänien. Der 56-Jährige arbeitet seit Jahren saisonal als Schafhirt für eine Bauernfamilie in Benken SG. Soeben hat ihm die Chefin einen Teil seines Halbjahreslohns ausbezahlt: 8400 Franken, alles bar in 200er-Noten.

Vielleicht ist Bakk etwas zu guter Laune. Jedenfalls gönnt er sich am Flughafen Kloten in seiner Vorfreude auf den Heimaturlaub einen Schnaps. Dann noch einen und noch einen. Als der Pegel zu hoch ist, stolpert er über seinen Rucksack und fällt auf den Hinterkopf. Die Sanität bringt den stark blutenden Mann in die Notfallaufnahme des Zürcher Stadtspitals Waid.

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Beim Eintritt werden seine Habseligkeiten erfasst. «Pat. hat sehr viel Bargeld bei sich», steht im Protokoll. Vom aufgefächerten Bündel 200er-Noten gibt es ein Foto.

Dann wird die Kopfwunde des benommenen Patienten versorgt. Die Situation ist Bakk nicht geheuer, deshalb verlässt er die Station kurz danach wieder – ohne formellen Austritt. Das berichtet später eine Praktikantin.

Das Couvert mit dem Geld fehlt

Nach einiger Zeit trifft Balázs-Zoltán Bakk wieder auf dem Bauernhof in Benken ein. «Ohne Schuhe, ohne Ausweis, ohne Handy. Er sah fürchterlich aus», erinnert sich Christa Hofstetter. Sie führt den Landwirtschaftsbetrieb zusammen mit ihrem Mann Sepp.

Bakk rappelt sich wieder auf. Mitte Juli fährt er nach Zürich, um im Waidspital seine Effekten abzuholen. Alles ist da, Rucksack, Rollkoffer, Portemonnaie – aber ausgerechnet das Couvert mit den 8400 Franken fehlt.

Ab da legt sich Christa Hofstetter ins Zeug für «unseren Rumänen», wie sie sagt. Bis in den August hinein fliegen zwischen Benken und Zürich Mails hin und her. Die Spitalverwaltung bedauert das Verschwinden des Geldes und startet intern eine Suchaktion. Vergeblich: Das Geld taucht nicht mehr auf.

Balázs-Zoltán Bakk arbeitet seit Jahren als Schafhirt für eine Bauernfamilie im St. Galler Linthgebiet.
Foto: Jonathan Labusch

Für Christa Hofstetter ist klar, dass das Spital seine Sorgfaltspflicht verletzt hat. In seinem Zustand habe Bakk während der Notfallversorgung ja nicht selbst auf das Couvert aufpassen können. «Es muss ein Diebstahl vorliegen», sagt sie. «Unser Arbeiter hat getrunken, das war ein Fehler. Aber dass jemand die Situation so schamlos ausnutzt, enttäuscht uns zutiefst.» Balázs-Zoltán Bakk hat Strafanzeige gegen unbekannt eingereicht.

Beim Waidspital hält man fest, dass die Entgegennahme des Geldes intern nicht dokumentiert sei. «Die Abklärungen haben ergeben, dass von unseren Mitarbeitenden niemand das fragliche Couvert gesehen hat.» Generell gelte: «Das Stadtspital Zürich übernimmt keine Haftung für persönliche Wertsachen, sofern sie nicht ausdrücklich zur sicheren Verwahrung abgegeben wurden.»

Haftung: Kommt auf Einzelfall an

Diese absolute Haltung ist bei den Fachleuten des Beobachter-Beratungszentrums umstritten. Rechtlich gilt als Grundsatz: Ein Spital muss seine Abteilungen so organisieren, dass kein Patient zu Schaden kommt, auch nicht finanziell. Ob es beim Verlust von Wertgegenständen nicht trotzdem geradestehen muss, hängt von den genauen Umständen im Einzelfall ab.

Balázs-Zoltán Bakk ist unterdessen wieder bei seinen Schafen in der Linthebene. Er ist daran, sich seinen nächsten Lohn zu verdienen. Beim nächsten Urlaub soll seine Familie in der Heimat etwas vom Geld haben. 

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