Darum gehts
- Brand der Olma-Halle 7 im Jahr 2000 beschäftigt noch heute
- Ex-Olma-Direktor vermutet Brandstiftung, Ermittlungsakten zeigen andere Möglichkeiten
- 12 von 23 Ausstellern gaben Zigarettenreste in brennbare Behälter
Am Sonntag, 22. Oktober 2000, nur Stunden nach Messeschluss, ging die legendäre, über 50-jährige Holzhalle plötzlich in Flammen auf. Übrig blieben Schutt, Asche – und eine Stadt in Trauer. Der Grossbrand der Olma-Degustationshalle 7 in St. Gallen beschäftigt heute noch.
René Käppeli (89), Ex-Olma-Direktor und damals hautnah dabei, gab während der Olma 2025 zusätzlich Zunder in die Gerüchteküche. «Diese Halle wurde angezündet», sagte er zu Blick. Ein beachtlicher Teil der St. Galler Bevölkerung teilt seine Ansicht. «Diese Halle musste brennen» ist im Osten seit dem Grossbrand schon fast ein geflügeltes Wort. Die Brandursache konnte nie geklärt werden.
Blick erhält Einsicht in bislang geheime Akten
Für Blick Grund genug, es genau wissen zu wollen. Unter Berufung auf die Justizöffentlichkeit und das St. Galler Gesetz über Aktenführung und Archivierung verlangten wir Einsicht in sämtliche Untersuchungsakten rund um den Brand der Halle 7. Diese lagern im Staatsarchiv des Kantons St. Gallen und unterstehen noch bis Ende 2031 einer «Schutzfrist».
Dem Blick-Gesuch wurde teilweise stattgegeben. Der Umfang: fast 90 Seiten Untersuchungs- und Ermittlungsberichte, kriminaltechnische Befunde, Fotodokumentationen, Befragungen von Zeugen und Standmitarbeitern in der Halle.
Ermittelt haben damals die Kantonspolizei St. Gallen und der wissenschaftliche Dienst der Stadtpolizei Zürich. Alle Unterlagen erhält Blick jedoch nicht. Namen von Befragten sind geschwärzt. Grund: «Schützenswerte private Interessen», so das Staatsarchiv.
Das hat es mit dem Benzinkanister auf sich
Ex-Olma-Chef Käppeli, der das Inferno damals miterlebte, machte eindeutige Beobachtungen. «Ich habe Beweise gefunden. Einen leeren Benzinkanister neben einer offenen Tür zur Halle», sagte er zu Blick. Ein Benzinkanister ist in den Untersuchungsakten der Polizei tatsächlich zu finden.
Dort wird die Herkunft des Behälters aber in einem Satz abgehandelt: «Die durch den Spezialdienst getätigten Abklärungen ergaben, dass der sichergestellte Kanister von Feuerwehrleuten benutzt worden war, um ein Aggregat einer Notbeleuchtung zu betreiben.» Eine offene Tür gibt es in den Unterlagen nicht: Sämtliche Zugänge seien ordnungsgemäss verschlossen gewesen.
Es geschah innert Minuten
Der Untersuchungsbericht des wissenschaftlichen Dienstes der Stadtpolizei Zürich schliesst eine vorsätzliche Brandstiftung fast komplett aus. Grund dafür: die kurze Zeit. Hier der Ablauf, wie von der Polizei nachgezeichnet.
- 22.30 Uhr: Hallenchef verlässt die Halle
- ca. 22.40–22.50 Uhr: Anwohner erstellt Fotoaufnahmen der Halle im Vollbrand
- 22.45 Uhr: Patrouille der Securitas bemerkt «einen gelb-rötlichen Schimmer»
- 22.47 Uhr: Eingang der ersten Meldung bei der Brandwache St. Gallen
Diese kurze Zeit ist für die Polizei ein Indiz, das gegen eine Brandstiftung spricht. Denn: «Für eine solche Tat sind gewisse Vorbereitungsarbeiten nötig. Einschliessen lassen, Abwarten, Mitnahme von grösseren Mengen Brandbeschleuniger, Verlassen und Wiederverschliessen der Halle.» Keine der Türen sei manipuliert worden.
Die Zeitspanne wirft dennoch Fragen auf. Zwischen Verlassen der Halle und Grossbrand liegen 10 bis 20 Minuten. Wie kann das sein? Einerseits war die Halle alt, baufällig und bestand praktisch nur aus Holz. Die Ermittler vermerken zudem die «spezielle Bauweise».
Durch die grosse Öffnung in der Mitte sei womöglich eine «kaminartige Wirkung» zustande gekommen. Die «gute Belüftung», zusammen mit «herumliegenden, öligen Papieren, Abfällen, auslaufenden Spirituosen» könne dafür gesorgt haben, dass das Feuer «schnell Nahrung» finden konnte.
Wo der Brand genau ausbrach, ist eine schwierige Frage. Die Ermittler nahmen an acht Stellen der Halle Proben, die aber keine eindeutigen Erkenntnisse brachten.
Im Schlussbericht steht: «Der Brand dürfte im südwestlichen Bereich, Parterre oder 1. Stock, ausgebrochen sein. Was sich vor dem Brandausbruch in dieser Zone abspielte, kann nicht mehr eruiert werden.» Ob technisch, fahrlässig, oder vorsätzlich: Alles ist möglich.
Asche über Nacht im Gang gelagert
Die Akten zeigen: Wohl am wahrscheinlichsten ist die Zigi-Theorie. Aus heutiger Sicht unvorstellbar: In der über 50 Jahre alten Holzhalle wurde vor 25 Jahren geschlotet, als gäbe es kein Morgen. Während der Messe wurden Aschenbecher und Abfallkübel täglich geleert und die Halle abends gereinigt.
Nicht aber an diesem Sonntag nach Messeschluss – das Aufräumen wurde auf Montagmorgen vertagt. Die Polizei schreibt: «Nach 11 Tagen Messe sehnten sich die Aussteller vermutlich nach dem Feierabend. Kontrollen werden in solchen Situationen öfters vernachlässigt. Ein eingeschaltetes Elektrogerät kann vergessen gehen, oder noch brennende Rückstände aus Aschenbechern werden in Papierkörbe geleert.»
Bei den polizeilichen Befragungen gaben satte 12 von 23 Ausstellern an, die Zigarettenstummel und Zigarrenreste aus ihren Aschenbechern in Plastiksäcke, Plastikkübel oder sogar in Kartonschachteln gegeben zu haben. Natürlich, «nachdem sie sich vergewissert hatten, dass sie erloschen waren». In den meisten Fällen kamen diese dann zum Kehricht – und wurden über Nacht im Gang der hölzernen Halle deponiert.
Liest man den Bericht unvoreingenommen, so scheint es am wahrscheinlichsten, dass die legendäre Halle 7 zum Raub der Flammen wurde, weil die heisse Asche der letzten Partynacht nicht richtig entsorgt wurde.