Es ist ein krasser Fall von gefährlicher Ablenkung: Immer wieder tippt Andreas S.* (24), während er am Steuer seines grauen Alfa Romeo MiTo 1,4 TB sitzt, auf seinem Smartphone herum. Der angehende Lehrer aus dem Fürstentum Liechtenstein will Musikstücke für sein Autoradio aussuchen.
Während S. an jenem 3. April 2019 auf der Autobahn A1 in Richtung St. Gallen unterwegs ist, steht Rahman R.* (†50) mit seinem Renault-Lieferwagen bei Oberbüren SG auf dem Pannenstreifen.
R. stirbt zwanzig Tage später
Der linke Vorderreifen ist defekt. Und weil dieser ausgetauscht werden muss, setzt sich der in Deutschland wohnhafte Mazedonier mit einem Pannendienst aus dem nahen Wil SG in Verbindung. In der Folge rückt Adem B.* (†24) mit seinem Einsatzfahrzeug zum gestrandeten Lieferwagen aus.
Als B. gegen 12.13 Uhr den kaputten Reifen ersetzen will, donnert der Alfa Romeo von Andreas S. mit rund 110 km/h in ihn hinein! Denn S. gerät beim Liederwechsel auf dem Smartphone mit der rechten Autoseite um mindestens 18 Zentimeter über den Pannenstreifen (BLICK berichtete).
Durch die Wucht des Aufpralls wird Adem B. in den neben ihm stehenden Rahman R. geschleudert. Während der junge Pannenhelfer nur einige Stunden nach dem Unfall seinen schweren Verletzungen – unter anderem ein Schädelbasisbruch – erliegt, bleibt 20 Tage später auf der Intensivstation auch das Herz von Lieferwagen-Fahrer R. stehen.
Bedingte Haftstrafe verärgert Angehörige
Für die Todesfahrt muss sich Andreas S. am heutigen Mittwoch vor dem Kreisgericht von Wil verantworten. Der Liechtensteiner wurde wegen mehrfacher fahrlässiger Tötung sowie grober Verkehrsregelverletzung angeklagt. Die Staatsanwaltschaft fordert eine bedingte Freiheitsstrafe von 18 Monaten.
Der Umstand, dass S. dennoch für keinen Tag ins Gefängnis soll, stösst bei den Angehörigen der Verstorbenen auf Unverständnis. «Das ist eine Frechheit!», ärgert sich der Bruder (23) von Adem B. «Man müsste ihn viel härter bestrafen. Er hat schliesslich zwei Menschenleben auf dem Gewissen», sagt er zu BLICK.
Die Familie des verunglückten Pannenhelfers wird am Prozess nicht teilnehmen, wie sie ankündigt. «Dafür sind wir noch nicht bereit», erklärt der Bruder von Adem B. Auch zehn Monate nach dem Drama auf dem Pannenstreifen sei der Schmerz zu gross.
*Namen geändert