Nassschneelawinen schon im Januar!
Tödliche Pracht

Noch vor Jahren waren Gleit- und Nassschneelawinen selten. In letzter Zeit treten sie immer häufiger auf – und immer früher.
Publiziert: 13.01.2019 um 17:35 Uhr
|
Aktualisiert: 17.07.2019 um 20:10 Uhr
Diese Gleitschneelawinen gingen vor ein paar Wochen am Ort Schweiffinen ab, oberhalb von Zermatt. Früher gab es solche Lawinen erst im Frühling, Experten beobachten nun eine Häufung.
Foto: Bruno Jelk
1/5
Cyrill Pinto
Cyrill PintoReporter SonntagsBlick

Bis in die Voralpen hat der Winter das Land fest im Griff: Die Ostschweiz ist beinahe doppelt so hoch mit Schnee bedeckt wie im langjährigen Mittel. Wie gefährlich die weisse Pracht sein kann, erlebten Gäste und Angestellte des Hotels Säntis auf der Schwägalp AR diese Woche teilweise mehr als hautnah: Am Donnerstag ging eine riesige Staublawine über ihren Köpfen ab und bahnte sich ihren Weg von den steilen Flanken des Säntis bis ins Innere des Hotels – drei Personen wurden verletzt. (Blick berichtete) Nur knapp schrammte die Ostschweiz an einer Katastrophe vorbei. Und ein Ende der Schneefälle ist nicht in Sicht.

«Ich wusste schnell wie schlimm das Ausmass ist»
3:23
Lawine auf Schwägalp:«Ich wusste schnell wie schlimm das Ausmass ist»

Experten gehen davon aus, dass solche Winterwetterphänomene in Zukunft gehäuft auftreten. Denn: Steigt die globale Temperatur um 2,3 Grad, sehen Klimamodelle eine Zunahme der Winterniederschläge um rund zwölf Prozent vor. Das ist riskant, denn dann tritt auch ein bisher seltenes Phänomen im Hochgebirge auf: Gleit- und Nassschneelawinen.

Dämme können Nassschneelawinen nicht stoppen

Erst vergangene Woche ging am Ortseingang von Zermatt VS eine grosse Gleitschneelawine ab: «Morgens um vier schlug die Radar-Warnanlage Alarm», so der örtliche Lawinenexperte Bruno Jelk (75). Anders als die Zugstrecke ist die Zufahrtsstrasse nach Zermatt an dieser Stelle nicht durch eine Galerie geschützt. Dabei können diese Lawinen jederzeit abgehen und dann alles mitreissen, was auf ihrer Bahn liegt.

Hinzu kommt: im Gegensatz zu grossen Staublawinen rutschen Nassschneelawinen nicht einfach immer nur in gerader Linie. «Selbst Dämme halten sie nicht auf – sie wechseln ihre Richtung einfach um bis zu 90 Grad», erklärt Jelk. Möglich wird dies durch das grosse Gewicht des Schnees, erklärt Jelk.

Weltweit beschäftigen sich Experten mit der neuen Gefahrenlage, die durch gestiegene Temperaturen zwischen 1800 und 2500 Meter Höhe hervorgerufen wird. Erstmals wurde die Häufung solcher Lawinen in einem Ende 2017 veröffentlichten Artikel beschrieben.

Deutliche Zunahme seit den 60er-Jahren

Demnach haben österreichische Forscher im Kapruner Tal eine deutliche Zunahme von Gleit- und Nassschneelawinen seit den 60er-Jahren nachgewiesen. Im Zuge der Klimaerwärmung rechnen sie nun verstärkt mit dieser Erscheinung, die bei Temperaturen von mehr als fünf Grad und Regen gehäuft auftritt – was vor wenigen Jahren noch die Ausnahme war, wird bis zu einer Höhe von 2500 Meter nun die Regel – gelegentlich mit katastrophalen Folgen.

An einer Fachtagung in Innsbruck (A) tauschten sich im Oktober Fachleute aus ganz Europa darüber aus – auch Jelk war dabei. «Wir müssen uns mithilfe von Galerien und zusätzlichen Verbauungen auf dieses Phänomen einstellen. Sprengungen haben meist keinen Erfolg», so sein Fazit.

Zermatt hat bereits auf die neue Lage reagiert: Der betroffene Hang am Dorfeingang wird permanent mit Radargeräten überwacht. Kommt eine Lawine, schlägt die Anlage Alarm und sperrt die Strasse automatisch.

Schweizer Wetter-Ticker

Ob Sonne oder Regen, ob laues Lüftchen oder Sturm: Blick liefert dir immer die aktuellsten Wetter-Updates.

Ob Sonne oder Regen, ob laues Lüftchen oder Sturm: Blick liefert dir immer die aktuellsten Wetter-Updates.

Fehler gefunden? Jetzt melden
Was sagst du dazu?