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Macho-Kultur im Stadion
Was der Männerfussball von der Frauen-EM lernen kann

Sieben Sicherheitsdirektorinnen fordern nach der friedlichen Frauen-EM ein Ende der Gewalt im Männerfussball. Was die Männer von den Frauen abschauen können – und was Männlichkeitskult damit zu tun hat.
Publiziert: 13:49 Uhr
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Aktualisiert: 19:11 Uhr
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Volksfest in Bern: Die Frauen-EM blieb friedlich.
Foto: Keystone

Darum gehts

  • Frauen-EM als Vorbild für friedlichen Fussball. Sicherheitsdirektorinnen fordern Veränderungen
  • Toxische Maskulinität prägt Männerfussball, Frauenfussball zeigt offenen Umgang mit Vielfalt
  • 99 Prozent der Zuschauer kommen primär wegen des Spiels zur EM
Die künstliche Intelligenz von Blick lernt noch und macht vielleicht Fehler.
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Lino SchaerenRedaktor

Zwei Welten, ein Sport: Während sich Ende Juli in Basel Tausende Fans friedlich auf den EM-Final der Frauen zwischen Spanien und England einstimmten, flog in Zürich nach dem Auftaktspiel der Männer-Super-League zwischen dem FC Zürich und dem FC Sion Gummischrot. Ein Kontrast, der aus Sicht der sieben Sicherheitsdirektorinnen der EM-Austragungsorte viel darüber aussagt, was schiefläuft im Schweizer Fussball.

Sie fordern vom Fussballverband, das Frauen-Turnier zum Vorbild zu nehmen – damit wieder alle Familien unbesorgt ins Stadion gehen können und Hochrisikospiele passé sind. «Ziehen Sie die nötigen Lehren!», appellierten die Politikerinnen von links bis rechts nach dem EM-Finalspiel an die Fussballbosse.

Die Reaktion fällt unterkühlt aus: Die Super League ziehe ein ganz anderes Publikum an, sagt Robert Breiter (52), Generalsekretär beim Fussballverband. Man müsse daher aufpassen, nicht Dinge zu vergleichen, «die nur schwer vergleichbar sind».

«Gewalt ist ein Männerproblem»

Grosse Turniere ziehen ein älteres, gebildeteres und weiblicheres Publikum an. Der Frauenanteil ist bei den Spielen der Frauen-Nati noch einmal höher als bei denen der Männer. Für Dirk Baier (49), Gewaltforscher an der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften (ZHAW), war schon vor der EM klar: Das Turnier würde friedlich verlaufen. «Alleine der höhere Frauenanteil trägt zur Befriedung bei», betont er.

Hinzu komme, dass 99 Prozent der Zuschauer primär wegen des Spiels an die EM kommen. Im Männer-Klubfussball gebe es dagegen Gruppierungen, für die «Erlebnisgewalt» eine Rolle spiele und die den Sport als Katalysator nutzten. Gewalt sei vor allem ein Männer- und weniger ein Fussballproblem. «Ich sehe deshalb nicht, was Verband und Liga konkret von dieser EM lernen könnten.»

Wohl aber könnten die Spieler auf dem Rasen etwas lernen. Wie fair die Fussballerinnen miteinander umgingen, wie wenig geschauspielert wurde, habe ihn beeindruckt, sagt Baier. «Viele Fussballer könnten von Fussballerinnen lernen, bessere Vorbilder zu sein.»

Macho-Kultur prägt Männerfussball

Was auf den Tribünen, in den Strassen und Fanzonen passiert, lässt sich nicht isoliert vom Verhalten der Spielerinnen und Teams auf dem Platz sehen. Die familiäre, freundliche Atmosphäre spiegelt den offenen Umgang der Spielerinnen mit kultureller Vielfalt, verschiedenen Lebenswelten und sexueller Orientierung wider. Topfussballerinnen leben oft offen lesbisch, schwule Profis verstecken sich meist – aus Angst vor Reaktionen, auch von Mit- und Gegenspielern. Kurz: Der Frauenfussball ist frei von der Macho-Kultur, die den Männerfussball prägt.

Es war der Erste Weltkrieg, der stark zur Verbreitung des Fussballs in Kontinentaleuropa beigetragen hat, indem Soldaten mit der Sportart vom Krieg abgelenkt wurden. «Die Vorstellung der Fussball-Männlichkeit, das Proletarische, das Harte, das Kampfbetonte hat sich bis heute auf und neben dem Platz festgesetzt», sagt Nicole Selmer (55), Chefredaktorin des österreichischen Fussballmagazins «Ballesterer» und Autorin des Buchs «Watching the Boys Play – Frauen als Fussballfans».

Ladies' Nights und Gratissekt

Selmer untersucht, welche Rolle Frauen in der traditionell männlichen Fussballkultur zugeschrieben wird und wie sie ihre Zugehörigkeit erleben. Frauen in den Zuschauerrängen sind nicht neu, wurden und werden oft aber nicht als Fans, sondern als Anhängsel, als Fussball-Groupies gesehen, die gerne aufgefordert werden, doch mal die Abseitsregel zu erklären. Frauen müssten oft einige der Männlichkeitsnormen übernehmen, um in der Gemeinschaft akzeptiert zu werden, sagt Selmer.

Doch das gelte auch für Männer, auch sie müssten sich in der Fussball-Wirklichkeit der Fankurven zuerst zurechtfinden. «Männer pöbeln in aller Regel nicht im Büro rum, kippen kein Bier durch die Gegend, beschimpfen den Chef nicht und fallen sich nicht weinend in die Arme.» Das Stadion biete eine Möglichkeit, sich anders zu verhalten, als man es sonst tue – für Männer und für Frauen.

Dass Frauen im männerdominierten Fussball ein riesiges, noch nicht ausgeschöpftes Potenzial sind, haben Vereine und Verbände längst vor dem Rummel um die Frauen-EM erkannt. Zielgerichtet wird für und mit weiblichen Fans geworben – mit Plakaten und Werbespots. Doch Ladies' Nights und Gratissekt wirken überholt, rosa Fanshirts unbeholfen. «Nichts gegen Sekt, aber die allermeisten Frauen, die zum Fussball gehen, wollen keine Sonderbehandlung», sagt Selmer. «Sie wollen als Fan behandelt werden, nicht als Frau.»

Friedlich im Stadion, Hass im Netz

Der wachsende Frauenanteil bei Männerspielen kann die Fussballkultur beeinflussen. Doch ein echter Wandel braucht eine Abkehr vom Geprotze auf dem Feld: Respekt und Anerkennung statt Rudelbildung und Trash-Talk. Viele Fussballfans staunten, als die spanischen Weltmeisterinnen der Schweizer Nati nach dem Viertelfinal-Aus Spalier standen und zusammen mit dem Publikum den grossen Kampf der Verliererinnen würdigten.

Solche Szenen prägen das Bild der familiären, friedlichen EM in der Schweiz. Doch Nicole Selmer warnt: Das gelte nur für die Stadien und die Strassen. «Schaut man ins Internet, in die sozialen Netzwerke, ist das nicht wahr.» Dort habe man massive sexistische, queerfeindliche und rassistische Anfeindungen gegen die Spielerinnen gesehen.

Auch das Schweizer Nationalteam wurde nicht verschont: Massive Abgründe zeigten sich beim Umgang mit Alisha Lehmann (26), erinnert Selmer. Nach einer deutlichen Niederlage gegen ein Männer-Juniorenteam in der EM-Vorbereitung wurde die Nati verspottet und verhöhnt. Auch das, sagt Selmer, gehöre zur Gewalt-Debatte.

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