Darum gehts
- Hypnose gewinnt als alternative Behandlungsmethode bei psychischen Belastungen an Bedeutung
- Patienten berichten von schnellen Erfolgen bei Ängsten und Suchtverhalten
- Blick begleitet die Hypnosesitzung von Hanna B.
«Darf ich dich hypnotisieren?» Ein Moment der Stille, dann stimmt die Patientin zu. «Atme tief ein und entspanne alle Muskeln», sagt Anna Felix. «Entspanne deinen Körper – von Kopf bis Fuss.» Seit drei Jahren ist die Unterengadinerin hauptberuflich auf diesem Gebiet tätig, in Luzern führt sie die Praxis Hypnose mia via.
Felix glaubt, dass Hypnose immer mehr an Bedeutung gewinnt. Viele Menschen seien offener dafür geworden. «Inzwischen kommt es auch vor, dass Psychologen oder Psychiater Patienten an mich überweisen, weil sie selbst an ihre Grenzen stossen oder nicht mehr weiter wissen», sagt sie.
Heute ist Hanna B.* in der Sprechstunde. Sie leidet an einer ausgeprägten Prüfungsangst. Die begleite sie schon seit ihrer gesamten Schulzeit: «In der Schule war ich immer das Schlusslicht, was Noten angeht. Ich habe immer gespickt, weil ich während der Prüfungen nichts mehr abrufen konnte.»
Im Allgemeinen fühlen sich 38 Prozent der Schweizer Bevölkerung mittel- bis stark psychisch belastet, wie das aktuelle Monitoring von Gesundheitsförderung Schweiz zeigt. Auf einen Therapieplatz wartet man teils monatelang. Rund ein Drittel der Praxen nehmen keine neuen Patienten mehr auf – was dazu führt, dass diese immer öfter nach einer Alternative suchen. Der Schweizerische Berufsverband für Hypnosetherapie zählte 2017 noch 200 Mitglieder, heute sind es über 900.
«Ich dachte, ich gebe die Kontrolle ab»
Hanna B. suchte schon mehrmals Hilfe beim Psychologen. Weil das bisher keine Wirkung zeigte, setzt die junge Frau nun auf Hypnose. Nach einem Vorgespräch nimmt B. auf einem Sessel Platz. Mit ruhiger Stimme leitet Anna Felix die Sitzung ein. «Höre während der Hypnose immer auf dein Gefühl», sagt sie. «Es ist wie dein Unterbewusstsein, das dir Antworten gibt.»
Dabei soll B. nicht zu lange nachdenken: «Lass die Antworten einfach kommen.» Die Therapeutin bittet sie, die geschlossenen Augen kurz zu öffnen, sie wieder zu schliessen, dies noch zwei weitere Male zu wiederholen und dabei tief durchzuatmen. Dann hebt Felix B.s Hand an und lässt sie fallen: ein Test, ob die Patientin loslassen kann.
Die Hand fällt ohne jedes Zögern nach unten. «Du bist jetzt in völliger körperlicher Entspannung», sagt Felix. Jetzt folgt der mentale Teil. Die Hypnotiseurin bittet, von 100 rückwärtszuzählen. Mit jeder Zahl soll Hanna B. noch entspannter werden. «Bei der Zahl 97 verschwinden alle weiteren Zahlen aus deinem Kopf.» Zählt: «100, 99, 98, 97 …» – Stille. B. zieht ihre Augenbrauen hoch. «Ich kann nicht mehr weiterzählen.» Nach der Sitzung berichtet sie von diesem Moment: Sie habe das Gefühl gehabt, die Kontrolle zu verlieren. «Ich konnte auch meine Augenlider nicht mehr öffnen.» Angst habe sie nicht gehabt.
Einzelne Patientinnen und Patienten berichten, schon nach nur einer Sitzung mit dem Rauchen aufgehört oder langjährige Ängste und Gewohnheiten überwunden zu haben. Bemerkenswert: Sogar bei Angst und Schmerzen scheint die Hypnose lindernd zu wirken. Das Verfahren wird auch bei der Geburtsvorbereitung, beim Zahnarzt oder sogar vor Operationen als Alternative zur Narkose eingesetzt.
Kritik wegen Hypnose-Ausbildung
Obwohl viele Erfahrungsberichte vielversprechend klingen, steht die Hypnose auch in der Kritik. Manche Kurse dauern bloss acht Tage lang und stehen auch Menschen ohne medizinische Ausbildung offen. Mit einem Zertifikat kann man sich selbständig machen und eine Praxis eröffnen. Manche würden sich aus rein finanziellen Gründen für die Ausbildung entscheiden, da Hypnosesitzungen als lukrativ gälten, erzählt Felix. Für eine Stunde bezahlt man durchschnittlich 180 Franken. Von der Krankenkasse werden die Kosten in der Regel nicht übernommen, da die Hypnosetherapie noch nicht flächendeckend anerkannt ist. «Dass sich theoretisch jeder nach der Ausbildung einfach Coach oder Therapeut nennen darf, sehe ich kritisch, denn es braucht mehr als Theorie», ergänzt Felix.
Mit Hypnose zurück in die Vergangenheit
Die Hypnosesitzung geht weiter, Felix sagt: «Jetzt zähle ich schnell von fünf bis eins. Bei eins lässt du das Gefühl aufkommen, das du hast, wenn du an eine Prüfung denkst.» B. schildert ein Stresssymptom – ein «komisches Gefühl in den Armen». Felix antwortet: «Ich zähle erneut von fünf bis eins, und du gehst zurück zu dem Zeitpunkt, an dem du dieses Gefühl zum ersten Mal erlebt hast.»
Hanna B. fühlt sich plötzlich wie ein zehnjähriges Mädchen. Mit grosser Angst vor einer Prüfung: «Es ist meine erste. Ich habe Angst, dass ich die Schlechteste bin.» Ihre Stimme ist kaum noch hörbar, als würde sie träumen – und doch ist sie ganz da und kann sich sehr konkret in die damalige Situation hineinversetzen – als stehe die Prüfung unmittelbar bevor. Felix: «Ich zähle jetzt bis fünf. Lass das Gefühl, die Schlechteste zu sein, ganz hochkommen.» B. beschreibt eine Beklemmung in der Brust. «Es ist stark – neun von zehn.» Tränen laufen ihr über die Wangen, ihre Stimme zittert.
B. sagt später: «Während der Sitzung war ich tief entspannt und emotional sehr berührt. Ich hätte nie gedacht, dass man vergangene Situationen so intensiv und real erleben kann. Ich musste weinen – nicht weil es schlimm war, sondern weil ich so vieles loslassen konnte.» Im weiteren Verlauf der Sitzung lernte B., alles Negative beiseitezulegen.
«Ich zähle von fünf bis eins», sagt Felix nun. «Sag mir dann, ob das Gefühl, die Schlechteste zu sein, noch da ist.» Die Hypnotisierte lächelt: «Es ist weg.» Nächste Frage: «Was denkst du, wenn du die Prüfung siehst?» Hanna B. sagt: «Ich kann das.» Wörter wie Angst, Selbstzweifel, Unsicherheit tauchen nicht mehr auf. Nach etwa einer Stunde wird sie aus dem Trancezustand zurückgeholt. Hanna B. wirkt etwas orientierungslos, aber entspannt. «Wie gehts dir?» – «Gut», sagt sie.
Ob die Hypnose bei Hanna B. tatsächlich Wirkung zeigt, wird sich nach den Schulferien zeigen.
* Name geändert
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