Darum gehts
- KI-Chatbots bieten romantische Interaktionen, werfen aber ethische Fragen auf
- Expertin warnt vor psychologischer Abhängigkeit und emotionaler Manipulation durch KI-Chatbots
- Psychologin Marisa Tschopp forscht zu Beziehungen zwischen Menschen und KI
Viele hoffnungslose Romantikerinnen und Romantiker träumen vom Date mit einer Pilotin, einem Supermodel oder einem erfolgreichen Filmstar. Dank der rasanten Entwicklungen im Bereich der künstlichen Intelligenz scheint dieser Traum längst nur noch ein paar Klicks entfernt zu sein.
Immer mehr Webseiten bieten mittlerweile eine Auswahl an KI-Chatbots an, die mit ihrem Gegenüber flirten oder ihm suggestive Bilder schicken. Wurden in den USA 2022 noch 16 solcher Apps veröffentlicht, waren es allein in der ersten Hälfte dieses Jahres bereits 128, wie das Tech-Portal Techcrunch schreibt. Die meisten Apps, die Namen ähneln sich meistens und heissen beispielsweise «Candi AI», «Eva AI» oder «AI Freundin», sind auch in der Schweiz verfügbar.
Im ersten Halbjahr 2025 stiegen die Downloads im Vergleich zum Vorjahr um 88 % – konkret waren es 60 Millionen. Wer zahlungswillig ist, kann sich dort auf eine Liebelei mit Dutzenden vorgefertigten Modellen einlassen oder sich sogar einen eigenen Traumpartner erstellen.
Weniger Ausbeutung
Die Besitzer dieser Webseiten sehen in ihrem Angebot klare Vorteile. Im «Guardian» erklärt ein solcher Betreiber, dass KI-Chatbots etwa Menschenhandel und Gewalt verhindern würden. Auf Webcam-Plattformen, wo sich echte Menschen vor der Kamera ausziehen und mit Unbekannten chatten, komme es immer wieder zu solcher Ausbeutung.
Zu kurz gedacht
Die KI-Expertin Marisa Tschopp (41), Psychologin und Forscherin beim Zürcher Cybersecurity-Unternehmen Scip, ist von diesem Argument nicht überzeugt. «Zwar entfallen körperliche Risiken, doch psychologische Abhängigkeit, emotionale Manipulation oder Datenmissbrauch bleiben reale Gefahren», meint die Expertin.
Die Betreiber solcher Angebote hätten auf ihren Webseiten ausserdem oft nur lasche Sicherheitsvorkehrungen. Von den Herstellern brauche es klare Richtlinien und technische Massnahmen, vor allem im Bereich Cybersecurity, Jugendschutz und Altersbeschränkungen, erklärt Tschopp. «In der Realität bleibt das aber oft Wunschdenken.»
Weltweit beliebt
Die 41-Jährige beschäftigt sich unter anderem mit den Beziehungen zwischen Menschen und KI. Solche Chatbots sind für ihre Forschung momentan zentral. «Das Thema kommt jetzt stark auf. Immer mehr Menschen nutzen weltweit KI-Chatbots auch für emotionale oder intime Gespräche.»
Auch in der Schweiz werden aktuell Studien zu diesem Thema aufgegleist, erzählt Tschopp.
Zukunft der Branche
Trotz Sicherheitsbedenken ist die Expertin der Meinung, dass solche KI-Chatbots in Zukunft ein fester Teil der Erotikbranche sein werden. Ein verantwortungsvoller Umgang ist laut Tschopp durchaus möglich.
Entscheidend sei es, zu verstehen, was KI kann und was nicht. «Wir müssen lernen, emotionale Grenzen zu reflektieren und selbst zu setzen. Nur ist es leider nicht immer leicht zu erkennen, wann der Punkt erreicht ist, an dem zu viel eben zu viel ist.»