Chef von ÖV-Verband verspricht
«Das Halbtax bleibt – es wird sogar billiger»

Ein Bericht versetzt Pendler in Aufruhr. Steht das Halbtax vor dem Aus? Nein, sagt der Geschäftsführer von Alliance Swisspass. Im Interview erklärt er, wie das neue Preissystem funktionieren soll.
Publiziert: 00:02 Uhr
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Aktualisiert: 10:02 Uhr
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Der ÖV-Branchenverband tüftelt an einem neuen Preissystem.
Foto: Sven Thomann
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Robin BäniRedaktor

Herr Eichhorn, der K-Tipp hat diese Woche berichtet, das Halbtax werde abgeschafft. Alliance SwissPass hat dementiert und gesagt, das stimme nicht. Nun herrscht Verwirrung. Was gilt jetzt?
Helmut Eichhorn:
Das Halbtax wird nicht abgeschafft.

Sie planen aber, das Halbtax zu ersetzen. Mit dem Projekt «MyRide» tüfteln Sie an einem neuen Abomodell.
«MyRide» ist kein neues Abomodell. Es ist ein neues Preissystem. Derzeit befinden wir uns in der Projekt- und Testphase und arbeiten an der Ausgestaltung des neuen Systems. Bislang ist kein definitiver Einführungsentscheid gefällt.

Wenn die Details noch unklar sind und nichts beschlossen ist: Wie können Sie dann so klar sagen, das Halbtax werde nicht abgeschafft?
Schon heute gibt es Kunden ohne Halbtax, die den Vollpreis bezahlen. Und Kunden mit Halbtax, die eine Preisreduktion erhalten. Diese Preisdifferenzierung wird es auch im neuen System geben. Ziel des Systemwechsels ist keine Verschlechterung, vielmehr soll die ÖV-Nutzung einfacher werden.

Helmut Eichhorn

Helmut Eichhorn (51) bezeichnet sich selbst als «richtiges ÖV-Kind». Schon während seines Studiums arbeitete er im Planungsbüro für den öffentlichen Verkehr, später half er beim Aufbau und bei der Leitung eines Tarifverbunds mit. Seit sechs Jahren steht er als Geschäftsführer an der Spitze von Alliance Swisspass. Eichhorn ist verheiratet und lebt in Freiburg. In seiner Freizeit interessiert er sich als Historiker für den Erhalt von Kulturgütern – und bereist, wie könnte es anders sein, mit dem ÖV gerne die Welt.

THOMAS HODEL

Helmut Eichhorn (51) bezeichnet sich selbst als «richtiges ÖV-Kind». Schon während seines Studiums arbeitete er im Planungsbüro für den öffentlichen Verkehr, später half er beim Aufbau und bei der Leitung eines Tarifverbunds mit. Seit sechs Jahren steht er als Geschäftsführer an der Spitze von Alliance Swisspass. Eichhorn ist verheiratet und lebt in Freiburg. In seiner Freizeit interessiert er sich als Historiker für den Erhalt von Kulturgütern – und bereist, wie könnte es anders sein, mit dem ÖV gerne die Welt.

Das Halbtax ist dafür bekannt, dass Kunden damit nur die Hälfte für Fahrten bezahlen. Im neuen Abomodell sind allerdings mehrere Rabattstufen angedacht, basierend auf dem eigenen Fahrverhalten. Das ist nicht dasselbe.
Es ist falsch, dass man mit dem Halbtax immer die Hälfte bezahlt. Auf kürzeren Distanzen – zum Beispiel innerhalb von Städten – erhält man weniger als 50 Prozent Rabatt. Erst ab einer gewissen Distanz wird der Ticketpreis halbiert. Das heisst, es gibt schon heute mehrere Rabattstufen beim Halbtax und die maximal mögliche Preisreduktion beträgt 50 Prozent.

Inwiefern wird denn das heutige Halbtax im künftigen Abomodell beibehalten?
Das heutige Tarifmodell ist historisch gewachsen. Es gibt Streckenabos, Zonenabos, Hundeabos – insgesamt 4000 verschiedene Produkte. Da verliert man schnell den Überblick. Mit dem Projekt «MyRide» wollen wir das Angebot einfacher und übersichtlicher gestalten. Künftig soll es nur noch drei Produkte geben: ein Basismodell (bei dem man den Vollpreis bezahlt), ein Pauschalangebot wie das GA und ein Smart-Abo. Dieses Smart-Abo entspricht dem heutigen Halbtax und wird zusätzlich mit einem Bonussystem ergänzt.

Warum haben Sie es denn nicht einfach beim Namen Halbtax belassen?
Die Namen sind noch nicht fix. Wir befinden uns noch im Projektstatus. Für den jetzt laufenden Feldtest haben wir bewusst einen neuen Namen gewählt. Wir erarbeiten ja ein komplett neues System.

Also doch: Das Halbtax, so wie wir es heute kennen, wird abgeschafft!
Nein, das Halbtax bleibt – es wird sogar billiger. Wie gesagt, beim heutigen Halbtax beträgt die maximale Preisreduktion 50 Prozent. Beim Smart-Abo aber bekomme ich mindestens 50 Prozent Rabatt. Und umso mehr ich fahre, desto mehr zusätzliche Rabatte erhalte ich.

Können Sie ein Beispiel machen? Wie genau soll das Smart-Abo im Alltag funktionieren?
Sie installieren die App auf dem Handy und melden sich an. Dann können Sie entscheiden, ob Sie das Smart-Abo aktivieren. Falls ja, profitieren Sie ab der ersten Fahrt von 50 Prozent Rabatt. Und umso öfter Sie den ÖV nutzen, desto billiger werden künftige Fahrten. Ende Monat erhalten Sie eine Rechnung, in der alle Kosten detailliert aufgelistet sind.

Wenn häufiges Fahren mit Rabatten belohnt wird, werden arme Menschen benachteiligt. Naturgemäss fahren sie ja weniger, um Geld zu sparen.
Im Gegenteil. Das Halbtax gibt es heute nur im Jahresabo. Sie müssen beim ersten Kauf auf einmal 190 Franken auf den Tisch legen. Das führt dazu, dass finanzschwache Menschen tendenziell mit Einzelbilleten unterwegs sind. Sie zahlen dadurch für jede Fahrt den Vollpreis. Beim angedachten Smart-Abo ist das anders. Abgerechnet wird monatlich. Damit senken wir die Einstiegshürden.

Beim Smart-Abo berechnet ein Algorithmus, wie viel eine Fahrt kostet. Er analysiert mein Fahrverhalten und verwendet meine persönlichen Daten. Als einzelner Kunde kann ich diese Berechnungen nicht nachvollziehen. Das öffnet Tür und Tor für versteckte Preiserhöhungen.
Da muss ich klar widersprechen. Wir bauen an einem nachvollziehbaren Bonussystem. Sie sehen jederzeit, wie viele Kilometer Sie gefahren sind und wie viel Rabatt daraus resultiert. Zudem wird vor und nach jeder Fahrt ein Preis angezeigt. Das ist alles sehr transparent. Es wird keine versteckten Preiserhöhungen geben.

Wenn die Nutzung des ÖVs letztlich gleich viel kostet wie heute oder sogar günstiger wird: Wie wollen Sie dann die Finanzierung des ÖV-Systems sicherstellen?
Im neuen System soll Mehrkonsum belohnt werden. Zudem vereinfachen wir den Zugang massiv. Das wird den ÖV noch attraktiver machen. Wir erhoffen uns, eine Mehrnutzung von Zügen, Trams und Bussen anzustossen, um zusätzliche Erträge zu generieren.

Wenn ich im neuen System von Rabatten profitieren möchte, brauche ich zwingend ein Handy. Was ist mit älteren Menschen, Kindern oder mit beeinträchtigten Personen, die kein Smartphone nutzen können oder wollen?
Wir stehen in direktem Kontakt mit diesen Personengruppen. Und was wir hören, ist nicht, dass sie im ÖV kein Handy verwenden wollen. Sie wollen einfach eine App, die so daherkommt, dass sie sie verwenden können. Derzeit arbeiten wir an verschiedenen Lösungen, damit sich der ÖV auch künftig analog nutzen lässt. Wir kommunizieren allerdings erst, wenn wir uns für eine konkrete Variante entschieden haben. Was ich jetzt schon sagen kann: Auch im Jahr 2035 wird der Zugang zum ÖV ohne Handy möglich sein.

Sie wollen bereits 2027 mit dem neuen Tarifsystem starten. Ein ambitioniertes Ziel. Können Sie den Zeitplan einhalten?
In welcher Form und Ausprägung wir starten, ist noch offen. Aber es wird keinen Big Bang geben. Wir wollen das neue System schrittweise einführen. Niemand muss Angst haben, dass wir ihm das Halbtax wegnehmen. Es wird eine mehrjährige Übergangsphase geben, in der es beide Preissysteme gibt – bis die Leute realisiert haben, dass das Smart-Abo viel mehr zu bieten hat.

«Ich finde das eine Frechheit»
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