Darum gehts
- Halbtax-Abo und andere Vergünstigungen sollen abgeschafft werden
- Neues Tarifsystem «My Ride» geplant
- Billettpreise neu zwischen Halbtax- und Volltarif
- 3,3 Millionen Menschen nutzen heute ein Halbtax-Abo in der Schweiz
Im öffentlichen Verkehr könnte es zur grossen Ticketrevolution kommen: Mit dem Halbtax soll das beliebteste Abo der Schweiz abgeschafft werden, wie der K-Tipp in der aktuellen Ausgabe berichtet.
3,3 Millionen Menschen im Land nutzen heute ein Halbtax-Abo. Erwachsene zahlen dafür im ersten Jahr 190 Franken und bei einer Verlängerung dank Treuerabatt 170 Franken, damit sie ein Jahr lang Fahrkarten zum halben Preis lösen können.
Pilotprojekt soll Antworten liefern
Der Branchenverband Alliance Swisspass will das Halbtax-Abo zusammen mit anderen Vergünstigungen schon bald aufs Abstellgleis stellen, wie der K-Tipp schreibt. Ab 2027 könnte ein weiteres Pilotprojekt starten, dass die Basis für ein neues Tarifsystem «My Ride» schaffen soll. Dieses soll das Preissystem im öffentlichen Verkehr «radikal vereinfachen und digitalisieren», heisst es beim Branchenverband.
Alliance Swisspass widerspricht, dass das Halbtax abgeschafft werde. In einer Stellungnahme schreibt sie von einer «verkürzten Darstellung» und weist auf eine Medienmitteilung vom letzten November hin. Es werde auch nach der Einführung eines neuen Preissystems ein Halbtax geben.
Ersatz soll integriert werden
Wie Gespräche mit ÖV-Insidern zeigen, soll im neuen Preissystem ein Ersatz fürs Halbtax integriert werden. Gegen Bezahlung einer Gebühr wären damit die Tickets deutlich vergünstigt erhältlich. Hinzukommen würde wie beim heutigen Halbtax Plus ein zusätzlicher Rabatt basierend auf den gefahrenen Kilometern.
Bei der Basisversion von «My Ride» sind nach heutigem Stand ebenfalls Rabatte vorgesehen: Fahrgäste zahlen dabei eine monatliche Grundgebühr, und je öfters sie in diesen 30 Tagen den öffentlichen Verkehr nutzen, desto höher fällt am Ende der Rabatt aus. Ein Prototyp von «My Ride» wird bereits seit Mitte Mai 2024 von über 3000 Kundinnen und Kunden getestet.
Das Projekt steckt noch in der frühen Entwicklungsphase: Das Pilotprojekt soll Antworten liefern, wie hoch die künftigen Rabatte genau aussehen könnten.
Führt neues Rabattsystem zu Gewinnern und Verlierern?
Für diese Systemumstellung will die Branche auch kräftig an den heutigen Billettpreisen rütteln. Gemäss K-Tipp sollen die neuen Fahrkartenpreise zwischen dem heutigen Halbtaxtarif und dem Volltarif liegen. Mit tieferen Einstiegspreisen will die ÖV-Branche gegenüber alternativen Beförderungsmitteln attraktiver werden.
Demgegenüber gibt es Befürchtungen, dass es zumindest für einen Teil der heutigen Fahrgäste teurer werden könnte. Unter dem Strich soll der Systemwechsel gemäss Branchenverband einnahmeneutral sein. Die Kundinnen und Kunden sollen schliesslich weiterhin zur Nutzung des öffentlichen Verkehrs animiert werden, so Insider. Gemäss diesen dürfte es bis zu einem Systemwechsel auf breiter Ebene jedoch noch Jahre dauern.
Kommen künftig gar dynamische Preise?
Aktuell spart ein Fahrgast mit Halbtax bei Ticketkäufen für 250 Franken pro Jahr 16 Prozent gegenüber dem Volltarif. Kauft er Tickets für 600 Franken, spart er gut 35 Prozent. Noch grösser fallen die Rabatte beim heutigen Halbtax Plus aus.
Gestrichen werden sollen auch Mehrfahrtenkarten, 9-Uhr-Pässe und Sparbillette. Das wirft weitere Fragen auf: Die ÖV-Anbieter versuchen seit Jahren, einen Teil der Fahrgäste dazu zu motivieren, Verbindungen ausserhalb der Stosszeiten zu nutzen. Nun werden Angebote gestrichen, die diese Fahrgastlenkung zum Ziel hatten. Da das Tarifsystem digitalisiert wird, ist es nur schwierig vorstellbar, dass es künftig nicht auch in einem gewissen Grad dynamisiert wird. Dies würde wiederum Gewinner und Verlierer schaffen. Die Erfahrungen zeigen aber, wie schwierig es ist, die Fahrgäste über die Preise effektiv zu lenken.
Analoge Fahrgäste als grosse Verlierer
Das ÖV-Tarifsystem wäre zudem vereinfacht, da es nur noch «My Ride» mit verschiedenen Varianten, das Generalabonnement und regionale Abos gibt – und nicht mehr mehrere verschiedene Preissysteme parallel. Die Preistransparenz könnte im Fall von dynamischen Preiselementen jedoch leiden.
Verlierer des Systemwechsels dürften zudem vor allem nicht digital-affine Menschen werden – also tendenziell ältere Fahrgäste: 75 Prozent kaufen ihre Tickets bereits digital, ein Viertel jedoch noch analog. Sind die «My Ride»-Rabatte nur digital verfügbar, wird dies den laufenden Wandel hin zu digitalen Ticketkäufen beschleunigen. Wer aber nicht online ist, droht auf der Strecke zu bleiben.
*Der Artikel wurde ergänzt und überarbeitet mit der ausführlichen Erklärung Aliance Swisspass.