Darum gehts
- Schwedischer Streamer unternimmt gefährliche Bergwanderung für Twitch-Aufmerksamkeit
- PC-Gehäuse auf dem Rücken, Begleitung gerät in Panik
- 14-stündiger Twitch-Stream endet mit Helikopterrettung für Begleiterin
Spricht ein Schweizer bei einer Wanderung von einem «kleinen Spaziergang», meint er das auch so. Die Schweizer kennen ihre Berge. Auf viele Touristen trifft das nicht zu. Gelegentlich ist man gut beraten, umzukehren. Erst recht, wenn der eigene Körper Warnsignale aussendet.
RelicKris, ein Streamer aus Stockholm, wollte seinen inzwischen mehr als 21’000 Followern am Montag auf Twitch beweisen, dass er es ganz nach oben schaffen kann. Dafür suchte sich Kris, so sein wirklicher Name, das Schilthorn in den Berner Alpen aus.
Zwei Streamer auf Wanderung
Einfach so den Berg hochwandern? Langweilig, dachte er sich. Also schnallte sich Kris kurzerhand ein PC-Gehäuse auf den Rücken. Und schon konnte die Wanderung losgehen. Nicht alleine, sondern in Begleitung von Emilija (21), einer Freundin. Auch sie ist Streamerin.
Im über 14 Stunden langen Twitch-Stream filmen sich Kris und Emilija entweder gegenseitig, oder Kris filmt sich selbst. Immer dabei: das PC-Gehäuse des Herstellers Fractal, des Sponsors des Videos.
«Ich will gesehen werden»
Die Wanderung verläuft zunächst reibungslos. Die beiden begegnen Kühen, geniessen mehrere Pausen mit Panoramablick – ein Postkartenidyll.
Einige Stunden später wendet sich das Blatt. Nach achteinhalb Stunden wirkt Kris bereits erschöpft. Der junge Mann atmet schwer, muss sich ausruhen.
«Lass Emilija den Rucksack tragen, damit dein Körper sich ausruhen kann», schlägt ein Abonnent im Stream vor. «Nein, ich mache das aus einem bestimmten Grund», entgegnet Kris. «Ich will einen Fuss in die Twitch-Industrie bekommen, ich will gesehen werden.» Er rafft sich auf. Es geht weiter.
Und dann geht nichts mehr
Nach neuneinhalb Stunden und vielen zurückgelegten Höhenmetern wird der Wind so stark, dass Kris kaum zu verstehen ist. Zu diesem Zeitpunkt ist er noch optimistisch.
Dann, nach knapp zehn Stunden, geht plötzlich nichts mehr. «Sie hat zu grosse Angst, um weiterzumachen», sagt Kris mit Blick auf die hinter ihm zusammengekauerte Emilija. «Es ist beängstigend.»
Der Weg scheine nicht mehr zu existieren. Eine kurze Recherche des jungen Mannes ergibt, dass sie sich offenbar auf einer Umleitungsroute befinden. Die eigentliche Route sei weggespült worden, sagt er. Das Gelände, auf dem sie sich befinden, ist steil und teils unbefestigt.
«Das ist die schlimmste Stelle für eine Panikattacke»
«Emi ist wie gelähmt», erklärt Kris seinen Zuschauern. «Ich kann das nicht machen, ich kann es einfach nicht», fügt sie mit zittriger Stimme hinzu. Ein Zuschauer vermutet bei Emilija eine Panikattacke. «Das ist die schlimmste Stelle, um eine Panikattacke zu bekommen», sagt Kris.
Emilija setzt schliesslich einen Notruf ab. «Ich kann mir keinen Helikopter leisten», ruft Kris ihr zu. «Ich auch nicht», so die 21-Jährige. Da hört man aber schon die Rotorblätter durch die Luft peitschen. Emilija winkt den Rettungskräften zu. Sie retten Emilija – nur Emilija.
Nur noch ein Streamer auf Wanderung
Kris bleibt auf dem Berg. Er kann laut eigener Aussage weitergehen. Der junge Mann streamt seinen Aufstieg weiter. Viele Abonnenten sorgen sich zu diesem Zeitpunkt um die beiden. Doch es gibt auch negative Kommentare. «Trottel», schreibt etwa ein Zuschauer.
Eine knappe Stunde später erreicht Kris das Schilthorn und die erlösende Seilbahn nach unten. «Wir haben es geschafft», ruft er in die Kamera. Ob es all das wert war?
Air Glaciers im Einsatz
Eine Rega-Sprecherin bestätigte auf Anfrage von Blick, man habe Kenntnis vom Vorfall. Die Rega habe allerdings lediglich vermittelt. Air Glaciers habe den Rettungseinsatz durchgeführt. Das bestätigte auch eine Sprecherin von Air Glaciers auf Nachfrage. Weitere Informationen konnte sie aus Datenschutzgründen jedoch nicht geben.