Lawinen-Experte Jürg Trachsel (39) warnt vor unberechenbaren Frühlingslawinen
Die Todes-Lawine am Eiger kam aus dem Nichts!

Tragödie am Eiger: Zwei Tote bei Lawinenunglück im Frühsommer. Trotz stabiler Wetterlage wurden sieben Personen von einer Lawine an der Westflanke erfasst. Der Experte betont: Absolute Sicherheit gibt es im Hochgebirge nie.
Publiziert: 14:46 Uhr
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Aktualisiert: 15:03 Uhr
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An der Westflanke des Eiger, kam es am vergangenen Samstag zu einem tragischen Unglück. Zwei Alpinisten starben in einer Frühsommerlawine. Die Rettungskräfte waren schnell vor Ort und retteten fünf der sieben verschütteten Tourengänger.
Foto: Lesereporter

Darum gehts

  • Zwei Menschen sterben bei Lawinenunglück am Eiger im Frühsommer
  • Absolute Sicherheit im Hochgebirge nie gegeben, gute Vorbereitung unerlässlich
  • Fünf Personen gerettet, zwei Männer tot, grösste Überlebenschancen in ersten 15 Minuten
Die künstliche Intelligenz von Blick lernt noch und macht vielleicht Fehler.
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Sebastian BabicReporter Blick

Einen Monat vor Sommerbeginn und bei stabilen Wetterverhältnissen sind am Samstag zwei Menschen in einer Lawine gestorben, die sich an der Eiger-Westflanke löste. Fünf Weitere konnten von den Rettungskräften lebend aus den Schneemassen gezogen werden. Es gab keine Lawinenwarnungen und wenig Niederschlag in den vergangenen Tagen und Wochen. Wie konnte es dennoch zum tragischen Unglück kommen?

Sieben Berggänger verschüttet

Es befanden sich zwei Gruppen am Eiger. Eine mit zwei, die andere mit fünf Teilnehmern. Sie waren unterwegs auf einer «Ski-Hochtour», der Königsdisziplin des Skitourengehens. «Die Vorbereitung auf solch eine Tour ist essenziell», sagt Jürg Trachsel (39), Lawinenwarner des WSL-Instituts für Schnee- und Lawinenforschung (SFL) «Diese beginnt zu Hause. Man sammelt möglichst viele Informationen: Wetterprognosen, Webcams, Erfahrungsberichte, Wetterstationen. Vor Ort prüft man, ob das Bild, das man sich gemacht hat, mit der Realität übereinstimmt. Gibt es frischen Schnee? Gibt es Spuren von Wind? Sieht man frische Lawinen? Und dann unterwegs: Immer wieder beobachten und sich fragen – passt das noch für mich? Oder muss ich umkehren?»

Am frühen Nachmittag löste sich plötzlich eine Lawine von der Eiger-Westflanke und begrub sieben Personen unter sich. Die Rettungskräfte sind unverzüglich ausgerückt. Die Verletzten sind gemäss neuesten Informationen der Kantonspolizei Bern wohnhaft in der Schweiz. Zu den Verstorbenen geben die Behörden noch keine Informationen heraus, da die «formelle Identifikation» ausstehe.

Zweite Frühlingslawine mit Todesfolge

Wie die Verhältnisse vor Ort waren, weiss Trachsel nicht: «Ob es eine Altschneelawine war oder ob lokaler Neuschnee etwas damit zu tun hatte, können wir aktuell nicht beantworten. Allgemein fehlt uns die Datengrundlage aus dem Hochgebirge.» Hintergrund: Während der Saison wird das SLF durch lokale Beobachter unterstützt, die die Schneesituation vor Ort beurteilen. Im Frühsommer fehlen diese und damit eine wichtige Information für die Lawinenwarnung. Ein Lawinenbulletin werde deshalb im Sommerhalbjahr nur vor grossen Schneefällen publiziert.

Grosseinsatz nach Lawinenniedergang am Eiger
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Leservideo zeigt Rega:Grosseinsatz nach Lawinenniedergang am Eiger

«Die Schneedecke besteht aus verschiedenen Schichten – gefährlich sind dabei die schwächeren, denn in ihnen können Lawinen anbrechen. Von Altschnee spricht man, wenn eine solche Schwachschicht über lange Zeit bestehen bleibt» erklärt er. Auch im Frühsommer sind Schneeschauer möglich, was im Hochgebirge lokal zu winterlichen Verhältnissen führt. «Auch im frischen Schnee kann es Schwachschichten haben.» Ganz allgemein gelte: «Wo eine geschlossene Schneedecke liegt, sind Lawinen möglich.»

Es ist nicht die erste tödliche «Frühlingslawine» des Jahres. Am 11. Mai starb ein Skitourengänger oberhalb von Simplon Dorf auf 3700 m.ü.M., weil sich ebenfalls eine Lawine gelöst hatte. Dabei handelte es sich um den Starkoch Shaun Rollier (†29). Sein Begleiter musste ansehen, wie Rollier verschüttet wurde. Die Rettungskräfte konnten nur noch den Tod feststellen. Ähnlich verhielt es bei einem 34-Jährigen, der sich am 4. April auf dem Weg zur Valsorey-Hütte VS machte. Ein abgebrochener Eisblock löste eine Lawine oberhalb der Barrage du Mauvoisin aus. Der Mann wurde verschüttet und verstarb.

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