Drogendealer packt aus!
«Manchmal habe ich ein schlechtes Gewissen»

«Die Schweiz wird mit Kokain überschwemmt», sagt Dealer Patrick L. Er verdient daran mit – und erklärt sein Geschäft so nüchtern, als verkaufe er Schrauben.
Publiziert: 00:02 Uhr
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Patrick L. achtet auf ein gepflegtes Äusseres.
Foto: Florin Schranz

Darum gehts

  • Dealer Patrick L. spricht über sein Geschäft mit illegalen Drogen
  • Er hat einen Bürojob und dealt nebenbei aus Langeweile
  • In einem Jahr verdiente er mit Partnern 400'000 Franken brutto
Die künstliche Intelligenz von Blick lernt noch und macht vielleicht Fehler.
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Florin SchranzRedaktor News-Room

Solothurn, Basel, Zürich – überall in der Schweiz bilden sich neue offene Drogenszenen. Die Begleiterscheinungen: Kriminelle begehen vermehrt kleine Diebstähle und Einbrüche (Blick berichtete). Sie verwandeln beschauliche Städte wie Solothurn zu Brennpunkten der Kriminalität.

Einer, der die Drogenszene bestens kennt, ist Patrick L.* (Mitte 30). Seit mehr als zehn Jahren dealt er selbst, hatte schon alle möglichen Substanzen in den Händen – und konsumiert auch selbst ab und zu. Er hat mit Blick über seinen «Job» gesprochen. Die Bedingungen für das Interview sind streng. Denn Patrick L. riskiert viel. Wo er wohnt, bleibt geheim, ebenso wie alle anderen Informationen, die auf seine Identität schliessen lassen.

Kräutertee und Kokain

Er wohnt in einem schönen Quartier in einem Vorort im Kanton Bern, ist ein gepflegt aussehender Mann. Er lächelt, serviert Kräutertee, ist höflich. Und macht doch schnell klar: Er blufft nicht. Als der Reporter kritisch nachfragt, holt der Dealer Dokumente und ein Säckchen mit weissem Pulver und legt es auf den Tisch. «Die Schweiz wird gerade überflutet von Kokain», sagt er. Und: «95 Prozent Reinheit, falls ihr das testen wollt. Der Preis sinkt, deswegen muss man gute Qualität haben, weil sonst alle Kunden abspringen.»

Zudem hatte der Mittdreissiger schon Erfahrungen mit der Polizei. Vor einiger Zeit wurde er mit mehreren Kilo Cannabis erwischt, wie er mit einem Strafbefehl belegen kann. Vor mehreren Jahren sei er mit einer grösseren Menge Ecstasy erwischt worden, sagt er. Ansonsten hatte er bisher Glück.

Mit Drogen kam er zunächst als Konsument in Kontakt: Er kiffte und suchte nach Wegen, es gratis zu tun. Also kaufte er mehr, als er selbst rauchte, und verkaufte an Bekannte.

«Diese verdammten Blätter zu schneiden, dauert Tage»

Sein Geschäft wuchs, der Kundenstamm wurde grösser. Er fing an, selbst Gras anzupflanzen. Dafür mietete er verschiedene Wohnungen, installierte Lampen und setzte Stecklinge. Gegen den Geruch stellte er Aktivkohlefilter auf. «Das Gärtnern macht einen halb wahnsinnig, diese verdammten Blätter zu schneiden, dauert Tage», sagt er.

Seinen Bürojob kündigte er bis heute nicht. Den Drogenhandel baute er parallel, aber stetig aus. Zusammen mit drei «Geschäftspartnern» kaufte er für 40'000 Franken Gerätschaften für eine Plantage und mietete sich in ein frei stehendes Gebäude im Kanton Bern ein. So fingen sie an, auf grossen Flächen Cannabis anzupflanzen. In einem Jahr verdienten sie damit 400'000 Franken brutto – laut eigenen Angaben.

Crack und Meth sind zu hart und zerstören zu viel

Zu den neuen offenen Drogenszenen in der Schweiz, wo oft Meth und Crack konsumiert werden, sagt er: «Mit Crack und Meth habe ich nichts am Hut, das Zeug ist zu hart, die Kunden zu nervös, und es zerstört zu viel, da stehe ich nicht dahinter.» Dann sagt er scherzhaft: «Vielleicht sollten wir aber anfangen, dort zu investieren.»

Drogendealer wurde er nicht aus finanziellen Not heraus. Patrick L. wuchs behütet auf. «Mir fehlt es an nichts», sagt er. Seine Eltern verdienen gut, sie seien wohlhabend, sagt L.

Ein Kinofilm hat ihn auf die Idee gebracht

Das Kino brachte ihn auf die schiefe Bahn. «Ein Hollywood-Gangsterfilm, den ich mit zwölf Jahren gesehen habe, zog mich an», sagt L. «Der Respekt, der einem Gangster entgegengebracht wird, hat mir gefallen.» Wenn er erzählt, spricht er schnell. Er sei gut gewesen in der Schule. «Aber mir war schnell langweilig.»

Patrick L. erklärt sein Geschäft wie der Buchhalter einer Schraubenfabrik. Umsatz und Gewinn. «Andere verkaufen Wein, ich verkaufe eben Zeug, das illegal ist.» Gras, Amphetamine, Koks, LSD und Ecstasy. «Ich wollte das Beste anbieten, wie ein guter Weinhändler».

Stört es ihn nicht, dass er Gesetze bricht? «Ich zwinge niemanden, Kokain zu kaufen», sagt er. Aber er gibt auch zu, manchmal ein schlechtes Gewissen zu haben. «Ausserdem hat man ab einem Punkt nichts mehr zu tun mit dem Endkonsumenten.» Er nehme Drogenpakete an und gebe sie weiter, ohne das Produkt anzufassen.

Er weiss, dass Menschen wegen Drogen sterben, die er verkauft. Aber er tue auch Gutes. «Einer meiner Mitarbeiter schickt jeden Monat mehrere Hundert Franken an eine Familie auf den Philippinen, die ihn einmal in den Ferien aufgenommen hat, um sein Karma auszugleichen.» Aber Patrick L. interessieren die Konsumenten nicht wirklich. «Ich kenne sie ja nicht.»

Keine Gewalt nötig, wenn man ein guter Geschäftsmann ist

Er wende nie Gewalt an, Geld habe er nur einmal verloren, als jemand untergetaucht sei. Weil er eben ein guter Geschäftsmann sei. «Wer sich mit guten Leuten umgibt, hat eine Vertrauensbasis.»

Plötzlich fängt der Dealer an, nervös zu werden. Und macht sich Gedanken, ob er im Interview zu viel über seine Identität verraten hat. Dann beruhigt er sich wieder und bietet noch einmal Tee an.

Um gesund zu bleiben, geht er ins Fitnessstudio. Er raucht seit langem nicht mehr. Zudem legt er immer wieder Pausen ein, hört manchmal ein Jahr auf zu dealen, belässt es bei seinem Bürojob.

Empfehlen will er das Dealen niemandem. «Wenn du das immer machst, wirst du paranoid», sagt er. Patrick L. ist noch nicht einmal vierzig Jahre alt und hat eine halbe Million auf der Seite. Den wahren Preis zahlen die Konsumenten.

* Name geändert 

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