Darum gehts
Der Aufstand begann an einem Dienstag um 17 Uhr. Im Bezirksgefängnis Sissach weigerten sich sieben Männer, in ihre Zellen zurückzukehren.
Zwölf Polizisten rückten daraufhin mit einem Polizeihund in den Zellentrakt vor. «Sie prügelten mit Freude meine Mitinsassen in die Zellen zurück», sagt ein Gefangener per Telefon zum «Beobachter». Der «Beobachter» berichtete erst kürzlich von Problemen in Schweizer Gefängnissen.
Das ist ein Beitrag aus dem «Beobachter». Das Magazin berichtet ohne Scheuklappen – und hilft Ihnen, Zeit, Geld und Nerven zu sparen.
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Polizei drei Stunden im Gefängnis
Der Polizeieinsatz vom 19. August taucht in keiner Mitteilung des Kantons auf. Die Baselbieter Sicherheitsdirektion bestätigt den Einsatz jedoch dem «Beobachter».
Der Einsatz habe drei Stunden gedauert, sagt der Sprecher der Sicherheitsdirektion. Die Insassen seien «mit polizeilicher Hilfe in ihre Zellen verbracht worden», es habe keine unnötige Gewalt und keine Verletzten gegeben.
Grund: Fehlendes Geld
Der Gefängnisaufstand brach wegen fehlenden Gelds für den Gefängniskiosk aus. Dort können Gefangene Zigaretten, Getränke, Snacks oder Deos kaufen.
Bezahlt wird hauptsächlich mit dem Arbeitsentgelt von Fr. 3.75 pro Stunde. Doch für zwei Drittel der Sissacher Gefangenen gibt es derzeit keine Arbeit, wie der Kanton bestätigt. Sie erhalten einen Erwerbsersatz-Stundenlohn von einem Franken. Davon geht gemäss Hausordnung die Hälfte auf ein Sperrkonto.
«Strafvollzug in Sissach krass gesetzwidrig»
Der Basler Anwalt Andreas Noll kritisiert das: «Der Strafvollzug in Sissach ist in krasser Weise gesetzwidrig.» Er sieht in der mangelnden Arbeitsmöglichkeit im Gefängnis einen Verstoss gegen Artikel 75 des Schweizerischen Strafgesetzbuchs, der eine Resozialisierung durch Arbeit vorschreibt. Doch Arbeiten sei in Sissach aufgrund der Platzverhältnisse gar nicht für alle Insassen möglich, sagt Noll.
«Der Kanton Basel-Landschaft müsste die Strafgefangenen in Sissach eigentlich freilassen, wenn er keinen Platz in anderen Gefängnissen ausserhalb des Kantons für sie findet.» Denn: «Hier werden Straftäter nicht resozialisiert, sondern zu Wiederholungstätern gemacht.»
Kanton kennt die problematischen Haftbedingungen
Der Hintergrund: Der Kanton hatte das alte Gefängnis Sissach für rund vier Jahre geschlossen. Er eröffnete es im vergangenen Oktober aber wieder wegen fehlender Gefängnisplätze. Die Wiederinbetriebnahme sei «befristet», erklärte er. Allerdings könnte sie noch Jahre dauern. Das Gefängnis Sissach wurde zwar leicht modernisiert, entspricht aber nicht den heutigen Standards im Strafvollzug, wie die Kantonsregierung einst selbst zugab.
Für Anwalt Noll ist deshalb klar: «Der Kanton müsste die Gefängnisse Sissach und Liestal für den Strafvollzug schliessen.» Der Kanton Basel-Landschaft spare auf Kosten der Strafgefangenen, weil er weder ein neues Gefängnis bauen wolle noch die bestehenden Gefängnisse an die gesetzlichen Vorgaben anpasse. Beim Kanton heisst es, man werde in neuen Gefängnissen anderer Kantone Zellen mieten.
Feuerwehr muss ebenfalls ausrücken
Nach dem Zelleneinschluss durch die Polizei war der Aufstand noch nicht vorbei. Drei Häftlinge zündeten in ihren Zellen WC-Papier an, um den Feueralarm auszulösen. Die Feuerwehr rückte aus und musste das Gefängnis eine Stunde lang entlüften.
Zudem demolierten drei Gefangene ihre Zellen stark. Vier Gefangene seien deshalb in andere Gefängnisse verlegt worden. Vier weitere Gefangene habe man in sogenannte Abstandszellen gebracht, um sie zu disziplinieren, erklärt die Sicherheitsdirektion. In diesen Zellen gibt es nur eine Matratze und ein WC.
Zweiter Gefängnisaufstand in zwei Jahren
Der Gefängnisaufstand in Sissach ist nicht der erste im Kanton Basel-Landschaft. Bereits im Oktober 2023 kam es zu einem ähnlichen Aufstand im Gefängnis Liestal.
Livia Schmid von der Organisation Humanrights sagt, solche Aufstände seien «ein deutliches Alarmzeichen dafür, dass hinter den Gefängnismauern erhebliche Probleme bestehen».
Baselland sieht kein Problem
Die Sicherheitsdirektion des Kantons Baselland widerspricht. Es stimme zwar, dass die Räumlichkeiten im Gefängnis Sissach beschränkt seien, doch sei der Betrieb des Gefängnisses rechtskonform. Das habe die Nationale Kommission zur Verhütung von Folter nach einem unangekündigten Besuch 2019 bestätigt.
Das Problem sei, dass es nicht immer möglich sei, genügend Arbeit für die Gefangenen zu organisieren. Dies sei kein spezifisches Problem in den Gefängnissen des Baselbiets, sondern zeige sich schweizweit in allen Regionalgefängnissen. Deshalb hätten derzeit von zwölf Gefangenen bloss zwei einen Ganztagsjob und zwei einen Halbtagsjob.