Darum gehts
Wenn Krankenkassen Mahnungen verschicken, können sie so hohe Gebühren draufschlagen, wie sie wollen. Das gilt auch bei Betreibungen. Und von diesem Recht machen sie kräftig Gebrauch, wie Stichproben zeigen, die dem Beobachter vorliegen.
Für zwei nicht gezahlte Monatsprämien von insgesamt 1100 Franken verrechnet etwa die Sanitas 60 Franken «Mahnspesen» und 100 Franken «Umtriebsspesen» – also Gebühren von weit über zehn Prozent. Oder die CSS nimmt für drei offene Monatsprämien von rund 1700 Franken satte 300 Franken «Spesen», nebst 35 Franken Zins.
Grosser Gewinn mit deutlich tieferen Gebühren
Die Politik will dieser Praxis längst einen Riegel vorschieben. Per 2024 beauftragte das Parlament den Bundesrat, Höchstbeträge festzulegen. Dieser übertrug die Aufgabe dem Bundesamt für Gesundheit (BAG). Die Gebühren sollen verhältnismässig sein und den tatsächlichen Kosten entsprechen.
Das ist ein Beitrag aus dem «Beobachter». Das Magazin berichtet ohne Scheuklappen – und hilft Ihnen, Zeit, Geld und Nerven zu sparen.
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Doch die Bundesverwaltung tut sich schwer. Bisher gibt es erst den Entwurf einer Verordnung. Er liegt dem Beobachter vor. Demnach sollen Krankenkassen höchstens 40 Franken für Mahnungen und 60 Franken für die Einleitung der Betreibung draufschlagen dürfen. Datum des Inkrafttretens gemäss Entwurf: 1. Juli 2025. Doch daraus wurde nichts.
Dem Krankenkassenverband Santésuisse sind die Beträge viel zu tief. Er fordert für Mahnungen bis zu 60 Franken und für Betreibungen bis zu 150 Franken. Sonst könnten die Kosten für das Inkasso nicht gedeckt werden, heisst es in einer Stellungnahme. Folglich müssten die Inkassoaufwände auch diejenigen Versicherten mittragen, «welche die Prämien und Kostenbeteiligungen fristgerecht bezahlen».
Ganz anders urteilt die Gegenseite. «Die vom BAG angedachten 40 beziehungsweise 60 Franken sind viel zu hoch», sagt etwa Yves de Mestral, Vorsteher des Stadtammann- und Betreibungsamts Zürich 3. Die Forderungen von Santésuisse empfindet er als geradezu «exorbitant». Die Inkassopraxis der Krankenkassen habe teilweise monströse Auswüchse.
«Die Inkassosysteme der allermeisten Krankenversicherer operieren völlig automatisiert. Wenn die Zahlungsfrist abgelaufen, aber keine Zahlung verbucht ist, wird ein EDV-gesteuerter Mahnprozess ausgelöst», sagt de Mestral. Ebenso würden Betreibungen völlig automatisiert laufen. «Menschen müssen keinen einzigen Knopf drücken.»
Das BAG fragte erst mal die Kassen selber
Wie kommt das BAG also auf die Maximalbeträge? Gemäss Bericht zum Entwurf – der dem Beobachter ebenfalls vorliegt – hat das BAG Anfang 2024 die Krankenkassen befragt, welche Gebühren sie bei offenen Rechnungen erheben. Aus den Rückmeldungen leitete das BAG dann offenbar die Maximalbeträge ab.
Das heisst: Als Grundlage diente die jetzige, umstrittene Praxis. Und nicht die tatsächlichen Kosten. Auf Nachfrage will das BAG nicht mehr dazu sagen, als im Bericht steht. Ebenso wenig möchte Santésuisse begründen, warum der Verband trotzdem noch höhere Maximalgebühren fordert.
Der Krankenkassenverband gibt keine Auskunft über die Kosten des Inkassos. Wie hoch diese für die Kassen tatsächlich sind, wissen wohl nur sie selbst.
Doch es gibt Vergleichswerte. So verschickt auch die Serafe, die Erhebungsstelle für die Radio- und Fernsehabgabe, Millionen von Rechnungen. Sie darf laut Gesetz 5 Franken pro Mahnung verlangen und 20 Franken bei Betreibung. Auch Konkurs- und Betreibungsämter geschäften ähnlich: 8 Franken dürfen sie pro Schreiben verrechnen.
Tiefere Mahngebühren wären möglich
Die Serafe kann ihr Geschäft kostendeckend betreiben. Und die Ämter machen in gewissen Kantonen gar Millionengewinne, wie der Beobachter berichtete.
Zum weiteren Fahrplan will das BAG nichts sagen. Aus Krankenkassenkreisen heisst es, dass das BAG über eine weitere Verzögerung über den 1. Januar 2026 hinaus informiert habe. Bis dahin dürfen die Kassen also weiterhin Gebühren ganz nach eigenem Ermessen erheben.