Darum gehts
- Zürcher Stiftung unterstützt umstrittene israelische Siedlerorganisation Elad in Ostjerusalem
- Elad vertreibt palästinensische Bewohner unter dem Deckmantel archäologischer Projekte
- Ein Label mit bekannten Schweizer Musikern ist mit der Stiftung verbandelt
Die Liste liest sich prominent: Sina, Marc Sway, Luca Hänni, Crimer, DJ Tatana und DJ Antoine sind unter den Namen, die von der traditionsreichen Zürcher Musikvertrieb AG vertreten werden. Auch internationale Acts sind dabei.
Die Chefs des Labels Musikvertrieb AG sitzen auch im Stiftungsrat der 1991 gegründeten Hella und Maurice A. Rosengarten-Stiftung. Der 1975 verstorbene Maurice Rosengarten brachte einst den Rock 'n' Roll in die deutschsprachigen Länder. Der erfolgreiche Unternehmer trug mit der Musikvertrieb AG einen erheblichen Teil zur Schweizer Musikgeschichte bei.
Vor zwei Jahren überwies diese Stiftung mindestens rund 450'000 Franken an Elad – eine Organisation ideologischer jüdischer Siedler in Israel. Dies zeigen Dokumente, die Blick vorliegen.
Elad ist auch bekannt als Ir David Foundation, benannt nach der Stadt des Königs David aus dem Alten Testament. Unter diesem Namen hat sie auch die Schirmherrschaft über zahlreiche Ausgrabungen in Jerusalem. Südlich von Felsendom und Tempelberg sollen die Überreste des Palastes stehen. Das ist archäologisch jedoch nicht fundiert bewiesen.
Vertreibung unter dem Deckmantel der Archäologie
Doch Elad erhebt einen biblischen Anspruch auf das Gebiet. Und baut es mit dem Segen der Behörden zu einem riesigen Freilichtmuseum um. Besucherinnen und Besuchern wird ein Erlebnis «in den Fussstapfen der Könige und Propheten» versprochen. Biblische Archäologie nennt sich das. Auf der Website preist sich die «City of David» als Eventlocation an: Hochzeitsfeste, «Hallelujah»-Lightshow, ein Camping namens «Peace Forest».
Die Projekte sind auch in Israel umstritten. Nicht nur wird Elad vorgeworfen, teilweise archäologische Grundsätze über Bord zu werfen, sondern vor allem auch, dass Elad unter dem Deckmantel touristischer Erschliessung eigentlich ein politisches Projekt pusht: die palästinensische Bevölkerung und ihre Geschichte aus Ostjerusalem zu vertreiben.
Der rechtliche Status von Jerusalem ist bisher ungeklärt. Seit der Annexion durch Israel im Sechstagekrieg 1967 ist Ostjerusalem völkerrechtswidrig besetzt. Auch die Schweiz erkennt das an. Gemäss Genfer Konvention muss auch eine Besatzungsmacht die Zivilbevölkerung schützen. In diesem Fall die palästinensischen Bewohnerinnen und Bewohner Ostjerusalems.
Die Elad-Siedler kümmert das wenig. Sie erheben theologischen Anspruch auf die ganze Stadt. Durch komplexe Gerichtsverfahren werden muslimische und christliche Familien zermürbt, ihre Wohnungen zwangsgeräumt. Es betrifft auch Kinder und alte Menschen, die seit Jahrzehnten dort wohnten. In die Häuser ziehen dann jüdische Siedler.
Oft geht das Hand in Hand mit staatlichen Stellen vonstatten. So wurde laut Uno-Bericht im Februar 2025, zusammen mit der Natur- und Parkbehörde Inpa, ein Grundstück im Stadtteil Silwan beschlagnahmt. Das Land sei seit dem 16. Jahrhundert als arabischer Kinderfriedhof genutzt worden.
Israelische und palästinensische Menschenrechtsorganisationen kritisieren, dass immer mehr Orte innerhalb des Stadtgebiets zu «Nationalparks» gemacht werden – wie auch die «City of David» von Elad. So können Grundstücke geräumt und die arabischen Nachbarschaften zerstückelt werden.
Stiftung: kein Kommentar
Waren der Zürcher Rosengarten-Stiftung die problematischen Tätigkeiten von Elad bewusst? Dazu will sie auf Anfrage keine Stellung nehmen. Das Geld der Stiftung erreichte Elad mit dem Vermerk «aktuelle Nutzung». Das zeigen die Dokumente. Auch auf die Frage, nach welchen Kriterien Projekte ausgesucht werden, sagt die Stiftung nichts.
Hans Klaus, Sprecher der Stiftung, sagt: «Die Hella und Maurice A. Rosengarten-Stiftung ist eine seit vielen Jahren aktive gemeinnützige Stiftung unter Aufsicht des Eidgenössischen Departments des Innern. Die Stiftung unterstützt Projekte im sozialen und humanitären Bereich im In- und Ausland.» Und: «Die Stiftung macht zum Stiftungskapital und den Vergabungen öffentlich keine Angaben. Die Vergabungen erfolgen stets im Rahmen des Stiftungszwecks und im Einklang mit Schweizer Recht.»
Wer kontrolliert Stiftungen?
Zuständig für die Kontrolle von Schweizer Stiftungen ist die Stiftungsaufsicht ESA. Sie prüft, ob jene ihre Stiftungstätigkeit in Übereinstimmung mit ihren Statuten erfüllen. Und ob die Stiftungsgelder statutenkonform eingesetzt werden. Grundsätzlich überprüft sie also nur stiftungsrechtliche Formalitäten. «Stellt sie Gesetzesverstösse in anderen Bereichen fest, kontaktiert sie die Stiftung, bittet um Stellungnahme und informiert die jeweils für diesen Bereich zuständigen Behörden oder macht Anzeige bei den zuständigen Strafverfolgungsbehörden», so die ESA. Primär sei aber immer der Stiftungsrat als Organ für die Stiftung verantwortlich.
Was geschieht, wenn eine Schweizer Stiftung Geld an einen Empfänger im Ausland verteilt, der potenziell gegen internationales Recht verstösst? «Das kann Konsequenzen für die Stiftung haben, wenn das rechtsgültig festgestellt wird.»
Elad ist keine unbekannte Organisation, ihre Rolle in Vertreibungen und Landübernahmen ist hinlänglich bekannt und dokumentiert. Auf die Frage, was die Motivation für die finanzielle Unterstützung an Elad gewesen war, gibt es von der Zürcher Stiftung keine Antwort. Auch nicht auf jene, ob aktuelle Gewinne aus der Musikvertrieb AG, also von Sina, Marc Sway und Co., in die Stiftung – und somit zu den radikalen Siedlern fliessen.
* Marguerite Meyer ist Journalistin und Teil des Zürcher Recherchekollektivs WAV