Zürcher sind nicht allein
Diese Städte prüfen ÖV-Vergünstigungen

Am vergangenen Sonntag stimmten die Stadtzürcherinnen und Stadtzürcher für vergünstigte ÖV-Abos für alle. Auch in anderen Städten werden Pläne gewälzt. Doch nicht alle sind begeistert.
Publiziert: 09:54 Uhr
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Aktualisiert: 10:18 Uhr
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Die Stadtzürcherinnen und Stadtzürcher wollen vergünstigte ÖV-Abos.
Foto: Sven Thomann

Darum gehts

  • Schweizer Städte prüfen ÖV-Vergünstigungen, einige setzen sie bereits um
  • Kritik von Verkehrsverbänden: Vergünstigungen könnten Ausbau des ÖV-Angebots gefährden
  • Genf: 54 % der 94'000 Begünstigten sind Neukunden, Kosten 45,5 Millionen jährlich
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Keystone-SDADie Schweizer Nachrichtenagentur

Am vergangenen Sonntag stimmten die Stadtzürcherinnen und Stadtzürcher entgegen der Empfehlung des Stadtparlaments für vergünstigte Abos im öffentlichen Verkehr (ÖV) für alle. Sie sind nicht allein. Mehrere Schweizer Städte prüfen zur Zeit Vergünstigungen im öffentlichen Verkehr. In einigen, wie zum Beispiel in Genf, wurden sie vor Kurzem umgesetzt. Dies offenbar mit Erfolg, aber auch mit Mehrkosten für die Stadt. Ein Überblick:

Luzern

Inspiriert von der Abstimmung in Zürich vom 28. September gelangte in Luzern diese Woche die Fraktion der Grünen/Jungen Grünen an den Grossen Stadtrat. Es heisst dort, für die Stadt sei ein vergünstigtes ÖV-Abo finanziell problemlos tragbar. Der Stadtrat solle darum «zügig» ein ÖV-Abo für alle Luzerner für den Preis von 365 Franken statt wie heute 747 Franken einführen.

Basel

Der Grosse Rat Basel-Stadt beschloss vergangenes Jahr, dass Kantonsangestellte das «U-Abo» um 300 Franken vergünstigt erhalten sollen. Dies gilt für den ganzen Tarifverbund Nordwestschweiz, der auch den Kanton Basel-Landschaft sowie Teile von Solothurn, Aargau sowie des deutschen und französischen Grenzgebiets umfasst.

Hängig ist derweil eine am 1. September eingereichte Volksinitiative mehrerer Jungparteien im Kanton Basel-Landschaft. Sie fordern, dass Baselbieter Fahrgäste unter 25 gleich viel bezahlen wie im Nachbarkanton Basel-Stadt. Seit April 2024 bezahlen junge Fahrgäste im Stadtkanton 365 Franken pro Jahr, während es im Baselbiet 542 Franken sind.

Bern

Auf Antrag der linken Parlamentsmehrheit prüft zudem die Stadtregierung von Bern derzeit eine Vergünstigung der Abonnements für Kinder und Jugendliche. Junge Erwachsene unter 26 Jahren fahren bereits vergünstigt. Im Kantonsparlament wiederum wurden mehrere Vorstösse mit ähnlich lautenden Forderungen abgelehnt.

Gratis-ÖV für alle war in der Stadtpolitik in den vergangenen Jahren ebenfalls ein Thema, eine Volksinitiative wurde von der Stadtregierung und dem Verwaltungsgericht letztendlich als ungültig erklärt. Sie sei nicht mit der Bundesverfassung vereinbar.

Kanton Zürich

In Zürich denkt die SP auf kantonaler Ebene über Vorstösse für Gratis-ÖV insbesondere für Jugendliche und Kinder nach, wie SP-Co-Fraktionspräsidentin Sibylle Marti auf Anfrage sagte.

Tessin

Auch im Tessin gibt es Bestrebungen, dass junge Menschen ein günstigeres Abonnement bekommen sollen. Anfang Monat übergab die Associazione traffico e ambiente (ATA) der Staatskanzlei über 5600 Unterschriften. Ziel der Petition ist es, ein Jahresabonnement «Arcobaleno» für junge Menschen (6–24 Jahre) zum Preis von 600 Franken pro Jahr vorzuschlagen, das in allen Zonen der Tarifgemeinschaft Arcobaleno gültig ist. Jugendliche bezahlen heute 1280 Franken für ein Jahresabonnement in allen Zonen.

Im Südkanton fahren zudem Touristen, die in «500 Partnerunterkünften» wie zum Beispiel im Hotel oder auf dem Campingplatz logieren, gratis.

Genf

Im Mai 2024 beschloss das Kantonsparlament von Genf, dass in der Stadt Genf Jugendliche bis zum Alter von 24 Jahren die öffentlichen Verkehrsmittel künftig kostenlos nutzen können. AHV- und IV-Bezüger zahlen nur die Hälfte des regulären Abos.

Durch die Initiative zur Verbilligung wurde auch die Zuständigkeit für die Festlegung der Tarife an den Grossen Rat Genf übertragen. Der Souverän behielt diese Position im November 2024 durch ein Referendum bei und lehnte es ab, dem Staatsrat die Festlegung der Tarifstruktur zu überlassen.

Diese Massnahme trat im Januar 2025 Kraft, sie sei «sehr erfolgreich». Von den 94'000 Begünstigten seien 54 Prozent Neukunden, so das Genfer Departement für Gesundheit und Mobilität. Die Nettokosten der Massnahme belaufen sich auf 45,5 Millionen Franken pro Jahr.

Lausanne

In Lausanne gibt es Ermässigungen für bestimmte Personengruppen wie Rentner, Jugendliche und IV-Bezüger. 2022 schätzte die Stadt die Kosten für die ÖV-Subventionen auf fast 3 Millionen Franken pro Jahr.

Kritik von ÖV-Verbänden

Verkehrsverbände stehen Vorstössen zur generellen Vergünstigung des öffentlichen Verkehrs kritisch gegenüber. Wenn die Erträge aus den Billett- und Aboverkäufen sinken, drohe das Geld zu fehlen, um in Zukunft ein gutes ÖV-Angebot zu offerieren oder dieses «bedarfsgerecht» auszubauen. 

Laut dem Verband öffentlicher Verkehr (VöV) braucht es mehr als der Preis, um mehr Passagiere in den ÖV zu bringen. Dazu gehöre vorab ein gutes Mobilitätsangebot, schrieb der Verband am Dienstag auf Anfrage von Keystone-SDA. In den einzelnen Regionen variierten zudem die Herausforderungen im ÖV. Gesamtschweizerisch betrachtet sei die Finanzierung – beispielsweise die Sicherung des Bahninfrastrukturfonds – ein Thema, das die Branche beschäftige.

Auch der Informationsdienst für den öffentlichen Verkehr (Litra) und die ÖV-Branchenorganisation Alliance Swiss Pass stehen generellen Vergünstigungen kritisch gegenüber. Letztere ist für die nationalen Tarife zuständig. Doch auch dort hiess es, der ÖV koste immer gleich viel, auch wenn die Kunden weniger berappen würden, denn schlussendlich zahle der Steuerzahler mehr. Die Dichte und Qualität des ÖV brauche auch Investitionen. Vergünstigungen wie zum Beispiel in Genf, wo Junge unter 24 Jahren gratis fahren, seien nur so lange möglich, wie sich eine Stadt das leisten könne.

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