Wochenkommentar zum Streit um Sparmassnahmen beim Jugendsport
Warum der Bundesrat nicht rechnen kann – und wo er Millionen verschleudert

Wenn Sportstars politisch werden, brennt es lichterloh: Alex Frei, Papa Odermatt und Skistar Monney empören sich über die J+S-Sparpläne – zu Recht. Der Bundesrat ist nicht nur kurzsichtig, sondern kann auch nicht rechnen. Anderswo liessen sich Millionen sparen.
Publiziert: 00:00 Uhr
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Aktualisiert: 10:51 Uhr
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Alex Frei kritisierte im Blick-Podcast «FORZA!» die Politiker.
Foto: TOTO MARTI

Darum gehts

  • Studie zeigt: Jugendsport fördert langfristig Gesundheit und Integration
  • Trotzdem kürzt der Bund Elternbeiträge für Jugendsport
  • Jetzt muss der neue Bundesrat ein Zeichen setzen und eingreifen
Die künstliche Intelligenz von Blick lernt noch und macht vielleicht Fehler.
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Rolf CavalliChefredaktor Blick

Wenn das Geld knapp wird, trifft es die Schwächsten. Jetzt trifft es die Kinder. Das Verteidigungsdepartement (VBS) unter Bundesrat Martin Pfister will ab 2026 die Beiträge für Jugend+Sport (J+S) um 20 Prozent kürzen.

Es ist der Weg des geringsten Widerstands: Die Nachfrage steigt – doch statt den Subventionstopf anzupassen, kürzt man die Unterstützung. Eltern bekommen weniger, um ihre Kinder ins Pfadilager, den Skiklub oder einen Sportkurs zu schicken. Und es kommt noch härter: Im Rahmen des Sparpakets des Bundes sollen bei J+S ab 2027 jährlich weitere Millionen Franken gestrichen werden.

Ja, der Bund muss sparen. Das strukturelle Defizit ist real, die Schuldenbremse bewährt. Jedes Departement soll Vorschläge liefern – richtig so. Und Sparen tut weh. Es trifft immer jemanden.

Bundesstudie führt eigenen Sparplan ad absurdum

Doch diesmal fehlt der Plan. Statt mutig zu priorisieren, streicht man ein bisschen da, ein bisschen dort. Hauptsache, das Budget stimmt. Was fehlt, ist politischer Wille zur Fokussierung. Was fehlt, ist Strategie.

Dabei wäre es einfach: Jugendsport wirkt. Jeder Franken für Trainer, Lager und Vereine spart später zehn – im Gesundheitswesen, in der Integration von Migranten, in der Gewaltprävention. Wer Sport fördert, stärkt das Immunsystem der Gesellschaft. Es gibt kaum einen besseren Gegenentwurf zur sozialen Vereinsamung und zur endlosen Bildschirmzeit der Jungen als die Gemeinschaft im Verein.

Darum ist der Aufschrei berechtigt. Wenn Alex Frei im Blick-Podcast «FORZA!» Politiker kritisiert, die an der EM auf der VIP-Tribüne sitzen und gleichzeitig bei den Jungen sparen, trifft er ins Schwarze. Wenn Odermatt senior von einem Desaster spricht, sagt er, was viele im Breitensport denken. Wenn Abfahrer Alexis Monney warnt, es kämen weniger Kinder in den Skiklub, ist das ein Alarmzeichen.

Das Problem: Kinder haben in Bundesbern keine Lobby. Keine Stimme, keine Agentur, keine Kampagnen. Deshalb trifft es sie immer wieder – bei der Kindermedizin, bei der Bildung, jetzt beim Sport.

Der neue Bundesrat Martin Pfister wirkt offen, transparent. Er hat das F-35-Desaster selbst thematisiert. Auch auf Alex Freis Kritik hat er sofort reagiert und Bedauern geäussert. Das ehrt ihn. Doch jetzt zählt, ob er mehr kann als bedauern.

Wo der Bundesrat Millionen verschleudert

Wie wirksam Jugendsport ist, weiss der Bund. 2024 finanzierte er die sogenannte Sophya-Studie mit. Das Ergebnis: J+S-Teilnehmer bleiben häufiger lebenslang sportlich aktiv. Laut Bundesamt für Sport machen rund 600'000 Kinder und Jugendliche jährlich bei J+S mit. Das ergibt 700'000 Lagertage und über 34 Millionen Teilnehmerstunden.

Wer hier kürzt, spart am gesündesten Teil der Gesellschaft. Und das Absurde: Der Bund bezahlt Studien, die den Nutzen dieser Förderung belegen – und streicht dann genau dort. Das ist nicht nur widersprüchlich. Es ist irrational.

VBS-Chef Pfister kann ein Zeichen setzen – und sich im Gesamtbundesrat unbeliebt machen. Nicht sparen bei J+S, sondern dort, wo mehr Luft drinliegt. So investiert der Bund jedes Jahr rund 1,7 Milliarden Franken in Gesundheitsförderung und Prävention – oft ohne messbaren Nutzen. Die Kosten für Integration von Migranten nicht eingerechnet. Schon kleine Kürzungen dort würden genügen, um die Streichung bei J+S zu kompensieren. Das Budget wäre trotzdem entlastet – mit mehr Wirkung für die Gesellschaft.

Wer rechnen kann, kürzt nicht beim Jugendsport.

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