Wochenkommentar zu den grossen Herausforderungen an den Schulen
Handy raus, Hirn an – und wie KI das Ausländerproblem lösen kann

Zum Schulstart prallen drei Herausforderungen auf unsere Schulen: Immer mehr Kinder kämpfen mit Deutsch, das Handy wird zur Seuche – und nun drängt auch noch künstliche Intelligenz ins Klassenzimmer. Droht der perfekte Sturm – oder steckt in der KI die Rettung?
Publiziert: 17:08 Uhr
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Aktualisiert: 17:25 Uhr
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Fluch oder Segen: Wie sollen Kinder in der Schule mit KI umgehen?
Foto: Shutterstock

Darum gehts

  • Bildungsdirektorin schlägt Alarm: Kinder können weniger Deutsch
  • Verbote von Smartphones an Schulen nehmen zu
  • Die künstliche Intelligenz bringt radikale Veränderungen
Die künstliche Intelligenz von Blick lernt noch und macht vielleicht Fehler.
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Rolf CavalliChefredaktor Blick

Während der Bundesrat über US-Zölle grübelt, läuft in der Schweiz ein leiseres, aber mindestens so wichtiges Duell – jenes um die Zukunft unserer Kinder. Es wird nicht in Washington entschieden, sondern in unseren Klassenzimmern.

Die Aargauer Bildungsdirektorin Martina Bircher (41) schlägt im Blick Alarm: Immer mehr Kinder sprechen kaum Deutsch. Manche tragen noch Windeln, wenn sie in den Kindergarten kommen, andere haben nie eine Schere gehalten. Die Schule wird zur Reparaturwerkstatt für die Versäumnisse überforderter Eltern.

Gleichzeitig wird das Smartphone zur Plage. US-Psychologe Jonathan Haidt (61) warnt: Das Starren auf Social Media zersplittert die Aufmerksamkeit, raubt den Schlaf, stört das Sozialverhalten. Australien verbietet es für Jugendliche unter 16. Frankreich und erste Schweizer Kantone sperren Handys an Schulen.

Doch die Technologie ist der Politik stets zwei Schritte voraus. Längst hat sich die nächste Herausforderung ins Klassenzimmer geschlichen: die künstliche Intelligenz, kurz KI.

Früher war der Taschenrechner ein Quantensprung

Ende der Siebziger war mein ganzer Stolz ein Linkshänder-Füller, den mir die Lehrerin überreichte, damit ich die Tinte nicht verschmiere. Später der grosse Moment: Wir durften Taschenrechner benutzen – für uns ein Quantensprung. Heute trägt jedes Kind ein Gerät in der Hosentasche, stärker als die Nasa-Rechner der Mondlandung – und manche fragen ChatGPT, bevor sie die Lehrerin fragen.

Aber KI ist nicht Tiktok mit anderem Logo. Social Media ist wie Zucker – süss, aber in Mengen schädlich. KI hingegen ähnelt Eiweiss: richtig eingesetzt, stärkt sie. Sie übersetzt Sprachen, erklärt Mathe, strukturiert Texte. Sie kann Lehrer entlasten und Schüler fördern.

In Estland lernen Kinder bereits in der Grundschule den kritischen Umgang mit KI. In Singapur gehört Prompten – das gezielte Formulieren von Anweisungen an KI – samt ethischer Reflexion zum Lehrstoff.

Drei Chancen, die KI der Schule bringt

  1. Sprachbarrieren abbauen: KI übersetzt sofort und hilft Kindern mit wenig Deutsch.
  2. Individuelles Lernen ermöglichen: Schwächere üben gezielter, Stärkere gehen weiter.
  3. Digitale Kompetenz fördern: Wer heute promptet, beherrscht das Werkzeug von morgen.

Kanada und Finnland testen KI-Tools, die neu zugewanderten Kindern in wenigen Monaten Sprachgrundlagen vermitteln. Wenn Prompten so wichtig wird wie Lesen und Schreiben, schrumpft die klassische Sprachbarriere.

Zugespitzt: KI kann helfen, das Integrationsproblem fremdsprachiger Kinder zu lösen.

Aber Vorsicht: KI verführt. Falsch genutzt, ersetzt sie das Denken. Für Kinder mit Sprachdefiziten kann sie ein Turbo sein – oder ein Stützrad, das nie abfällt.

Darum braucht es eine klare Strategie: KI gehört in den Unterricht, nicht an den Rand. Prompten muss so selbstverständlich werden wie Lesen und Schreiben.

Analoges Handwerk nicht verlernen

Das heisst nicht: freie Bahn für Digitalisierung. Gerade weil KI mächtig ist, braucht es auch das Gegenteil – Buch und Stift, Auswendiglernen, Diskussion ohne Bildschirm. Das Gehirn trainiert wie ein Muskel. So wie früher Turnen und Algebra nebeneinander Platz hatten, braucht es heute beides: das analoge Handwerk und den digitalen Werkzeugkasten.

Die Schweiz hat die Innovationskraft und die Mittel, hier voranzugehen. Es fehlt nur noch der politische Mut, nicht erst zu reagieren, wenn der Zug längst abgefahren ist.

Wenn wir bei KI so zaudern wie bei Trump, lernen unsere Kinder nur noch von Maschinen – nicht mehr von uns.

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