Darum gehts
- Gemeindepräsidium in Twann-Tüscherz ohne Kandidatur, Bürger erhalten leere Wahlzettel
- Vizegemeindepräsident wurde bereits durch leere Wahlzettel gewählt
- Fast die Hälfte der Gemeindeämter in der Schweiz werden still gewählt
Die Lokalpolitik ist mässig beliebt. In einem grossen Teil der Schweizer Gemeinden melden sich für politische Ämter nur gerade mal so viele Kandidierende, wie es Sitze hat. Auch in Twann-Tüscherz BE ist das der Fall: Am 2. September wurde der vierköpfige Gemeinderat in stiller Wahl bestätigt.
Das eigentliche Problem liegt jedoch in der Besetzung des Gemeindepräsidiums. Die amtierende Gemeindepräsidentin Margrit Bohnenblust hört nach 14 Jahren im Amt auf. Ihre Nachfolge will anscheinend niemand antreten – bei der Gemeinde wurden keine offiziellen Bewerbungen eingereicht. Wie «Ajour» berichtet, führt das zu einer ungewöhnlichen Situation: Die Bürgerinnen und Bürger erhalten leere Wahlzettel.
Nicht das erste Mal für Twann
Für die Wahl am 12. Oktober soll in Twann-Tüscherz also eine beliebige wählbare Person aufgeschrieben werden. Dieses Vorgehen ist für die Gemeinde nicht völlig neu. «Wir hatten den Fall bereits zweimal bei Wahlen für den Gemeinderat», erklärt Bohnenblust gegenüber «Ajour». Der letzte auf diese Weise gewählte Gemeinderat, Stephan Caliaro, ist heute sogar Vizegemeindepräsident.
Trotz des bewährten Verfahrens bedauert die scheidende Gemeindepräsidentin das mangelnde Interesse an politischer Beteiligung. «Es ist aber wahrscheinlich nicht nur in unserer Gemeinde so, sondern auch in anderen kleinen Ortschaften», sagt sie.
Die Situation in Twann-Tüscherz ist kein Einzelfall, wie Michael Strebel, Politikwissenschaftler an der Universität Bern, gegenüber «Ajour» sagt. Er schätzt, dass in der Schweiz mittlerweile beinahe die Hälfte der Ämter auf Gemeindeebene in stiller Wahl beschlossen werden. «Gerade für kleine Gemeinden ist es schwierig, genügend Kandidierende zu finden.» Sie verfügten über weniger Ressourcen und eine kleinere Verwaltung.
Vizepräsidium müsste übernehmen
Die Hoffnung von Bohnenblust liegt nun darauf, dass jemand durch die Wahl sein Interesse für die Lokalpolitik entdeckt. «Ich hoffe, dass jemand mehrere Nennungen hat und dann auch gern das Amt übernimmt», sagt sie. Eine häufige Nennung auf den Wahlzetteln sieht sie als Zeichen der Wertschätzung.
Sollte die gewählte Person das Amt ablehnen, ist für den 21. Dezember ein zweiter Wahlgang geplant. Bohnenblust hofft, dass in diesem Fall die Gemeinde zusammensteht und im Vorfeld eine geeignete Person findet.
Scheitert auch dieser Versuch, würde der Gemeinderat in seiner ersten Sitzung im Januar zuerst einmal einen Vizepräsidenten bestimmen. Dieser müsste dann die Aufgaben des Gemeindepräsidiums übernehmen, bis doch noch ein Ersatz gefunden wird.