Gemeinde holte sich Hilfe bei der «Meteo»-Frau
So hat Sandra Boner ein Dorf vor der Polit-Krise bewahrt

In Gretzenbach SO drohte der Lokalpolitik ein Stillstand – bis «Meteo»-Frau Sandra Boner kam. Mit ihr fand das Dorf plötzlich wieder Freiwillige für vakante Ämter. Was ist denn da passiert?
Publiziert: 15:07 Uhr
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Aktualisiert: vor 46 Minuten
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In einer örtlichen Kommission mitarbeiten? Im solothurnischen Gretzenbach blieben viele Ämter zuerst unbesetzt.
Foto: keystone-sda.ch

Darum gehts

  • Gretzenbach SO engagiert Sandra Boner für Infoabend, um Ämter zu besetzen
  • Promi-Auftritt zeigt Wirkung: Letzte offene Posten konnten besetzt werden
  • Schweizweit sind rund 73'000 Amtsträger in der Lokalpolitik gefragt
Die künstliche Intelligenz von Blick lernt noch und macht vielleicht Fehler.
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Sven AltermattCo-Ressortleiter Politik

Im ganzen Land plagen Gemeinden dieselben Sorgen: Immer weniger Leute wollen ein Amt übernehmen. Auch in Gretzenbach SO war dies nicht anders. Zwölf Posten in Kommissionen sowie im Wahlbüro blieben im Frühling unbesetzt, darunter mehrere in der neu geschaffenen Kulturkommission. Der Gemeinderat wurde diesmal still gewählt – es gab nur so viele Bewerbungen wie Sitze. Für Gemeindepräsident Walter Schärer (71) ein Alarmsignal: Ohne Freiwillige drohe auf Dauer gar die Zwangsverwaltung.

Die 2800-Einwohner-Gemeinde wählte deshalb einen unkonventionellen Weg: Für die Moderation eines Infoabends engagierte sie Sandra Boner (50), bekannt aus SRF-«Meteo». Der Promi-Auftritt im Mai zeigte Wirkung. «Vor einigen Tagen konnten wir nun die letzten offenen Posten besetzen», vermeldet Schärer gegenüber Blick. Im Dorf wird bereits von einem «Boner-Effekt» gesprochen.

Nicht nur ein 08/15-Infoabend

Für den Gemeindechef ist klar: «Wir müssen die Leute hinter dem Ofen hervorlocken und für das Milizsystem begeistern.» Ein 08/15-Infoabend sei ja schön und recht, sagt Schärer. «Aber man sollte sich heute etwas einfallen lassen. Sandra Boner ist ein Name, der die Leute anzieht und neugierig macht.»

Am Infoabend in Gretzenbach wurde gezeigt, was das Milizsystem dem Einzelnen bringen kann: Verantwortung übernehmen, mitreden können, die eigene Gemeinde mitgestalten. Die Helden der Alltagsdemokratie wurden in Szene gesetzt. «Der Saal war bis auf den letzten Platz besetzt», erinnert sich Schärer.

Schon am Infoabend sagten erste Freiwillige zu – und blieben dabei. In den Wochen danach kamen weitere dazu. Diese Woche nun werden die neuen Amtsträgerinnen und Amtsträger vereidigt.

Ungewöhnlich: Die fünf Ortsparteien von links bis rechts investierten das für Wahlunterlagen eingesparte Geld in den Infoabend. Zusätzlich nutzte man Mittel, die durch den Verzicht aufs Wahlbüro frei waren.

Mikrofon ist noch an – und Sandra Boner merkt es nicht
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Panne bei SRF-«Meteo»:Mikrofon ist noch an – und Sandra Boner merkt es nicht

Auch Jüngere fühlen sich angesprochen

Und Sandra Boner? In Gretzenbach moderierte sie nicht nur. Sie hielt ein Plädoyer, wie wichtig das Milizsystem ist – und erinnerte laut offiziellen Angaben daran, dass viele grosse Politkarrieren mit einem kleinen Amt im Dorf begonnen haben.

Selbst darf Boner als SRF-Moderatorin kein politisches Amt übernehmen oder sich inhaltlich exponieren. Zu ihrem ungewöhnlichen Engagement wollte sie sich gegenüber Blick nicht weiter äussern.

Das Gretzenbacher Experiment wirft die Frage auf: Können Prominente ausserhalb der Politik die lokale Demokratie beflügeln? «Der Plan ging auf», bilanzierte das «Oltner Tagblatt», die Tageszeitung in der Region. Auch Gemeindepräsident Schärer hofft, dass die neue Dynamik anhält. Sogar Jüngere zeigten nun vermehrt Interesse an den Ämtern.

Über 70'000 Köpfe in den Gemeinden gefragt

Das Milizsystem steht unter Druck. Damit Gemeinden mit all ihren Kommissionen und Ausschüssen funktionieren, braucht es Freiwillige. Der Personalbedarf in der Lokalpolitik ist enorm: In jeder Gemeinde sind im Schnitt 34 Personen politisch tätig – schweizweit rund 73'000 Amtsträgerinnen und Amtsträger.

Doch die Suche nach Kandidierenden ist schwierig: Fast jede zweite Gemeinde hat nur schon Probleme, ihre Exekutivämter zu besetzen. Das zeigte das jüngste «Gemeindemonitoring» der Zürcher Hochschule für angewandte Wissenschaften und der Universität Lausanne.

Damit das Milizsystem nicht einschläft, braucht es frische Ideen. Ob digitale Sitzungen, gelockerte Wohnsitzpflichten – oder ein Infoabend mit Promi-Faktor: Ansätze gibt es einige.

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